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2007-1 - NaturFreunde Deutschlands

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GEWISSENSFRAGE<br />

Ablasshandel der Neuzeit<br />

Mit Atmosfair kann man seine Flugsünden über<br />

Klimaschutzprojekte absegnen lassen<br />

bZu Ostern nach Andalusien? Für drei Tage?<br />

Mit dem Flugzeug? Ohne schlechtes Klimagewissen?<br />

Wer beispielsweise von Berlin nach Malaga<br />

und zurück fl iegt, ist für den Aussstoß von 1,14<br />

Tonnen des Klimakillers Kohlendioxid verantwortlich.<br />

Ein Inder emittiert durchschnittlich nur<br />

0,9 Tonnen im Jahr. Drei Tage Andalusien? Was<br />

für eine Klimasünde! Bei zwei Personen wird in<br />

etwa so viel Kohlendioxid erzeugt, wie man das<br />

ganze Jahr über mit seinem Auto verursacht.<br />

Drei Tage Andalusien – das ist dekadent! Freikaufen<br />

kann man sich unter www.atmosfair.de<br />

und die Emissionen berechnen lassen, die der<br />

Urlaubsfl ug verursacht: 1.140 Kilogramm im vorliegenden<br />

Beispiel. Die Seite verrät auch, wie<br />

man die Sache wieder gut machen kann: Durch<br />

die Zahlung von 23 Euro. Zahlen kann man auch<br />

gleich – elektronisch. Wer der Zahlungswelt des<br />

Web mißtraut, bekommt eine Rechnung zugemailt,<br />

die er dann ganz klassisch bei seiner<br />

Bank einwerfen kann. „Die Summe investieren<br />

wir in Klimaschutzprojekte“, sagt Dietrich Brock-<br />

hagen, Geschäftsführer von Atmosfair. Nicht die<br />

ganze Summe, 20 Prozent für den Verwaltungsaufwand<br />

behält die gemeinnützige GmbH.<br />

Zum Beipiel Indien: Tausende Pilger kommen<br />

täglich ins indische Sringeri Mutt, einem der bedeutendsten<br />

hinduistischen Wallfahrtsorte an<br />

der indischen Westküste. „Die Mahlzeiten für<br />

die Pilger wurden dort bisher mit Hilfe von Dieselbrennern<br />

zubereitet“, so Brockhagen. Das bei<br />

Atmosfair eingezahlte Geld sorgt nun dafür, dass<br />

mit Sonne statt mit Diesel gekocht wird.<br />

Obwohl die solaren Großküchen bereits arbeiten,<br />

liegt das Flugsündenausgleichsgeld noch<br />

auf der Bank von Atmosfair. Im Sommer wird der<br />

TÜV an die indischen Westküste fahren, um festzustellen,<br />

wie viel Kohlendioxid auf diese Weise<br />

gespart wurde. „Es gibt Messeinrichtungen, die<br />

aussagen, wie viel Energie die Solaranlage produziert<br />

hat“, erläutert Brockhagen. Danach wird<br />

die Dieselmenge ermittelt, die zur gleichen Energiebereitstellung<br />

notwendig wäre. Und welche<br />

Menge Kohlendioxid die Verbrennung des Die-<br />

I Damit der Wind sich dreht: Aus der Flugschuld können mit Atmosfair Windräder werden.<br />

1-<strong>2007</strong> NATURFREUNDiN SEITE 7<br />

TITEL<br />

sels zur Folge gehabt hätte. „Für diese Menge<br />

zahlen wir Geld aus“, so Brockhagen. Pro eingesparte<br />

Tonne Kohlendioxid erhält das indische<br />

Projekt 15 Euro.<br />

Sringeri Mutt ist nur eine Solarküche in Indien,<br />

insgesamt 18 sollen es werden – in Tempeln,<br />

Krankenhäusern, Schulen. Für die Finanzierung<br />

reicht den Projektleitern vor Ort ein<br />

Vertrag mit Atmosfair. „Weil wir zusichern, bei<br />

regelmäßigem Betrieb für jede gesparte Tonne<br />

Kohlendioxid zu zahlen, sind die Partner vor<br />

Ort kreditwürdig“, sagt Brockhagen. Der Vorteil<br />

für Atmosfair ist, dass so sicher gestellt ist, dass<br />

kein Geld irgendwo versickert. Gezahlt wird tatsächlich<br />

nur für eingesparten Klimaschaden. Die<br />

indischen Anlagen sollen bis 2012 planmäßig<br />

insgesamt 4.000 Tonnen CO 2 einsparen. So viel<br />

entstehen bei acht Millionen Flugkilometern.<br />

Umgekehrt erhält Atmosfair für jede bezahlte<br />

Tonne ein Zertifi kat von der UNO. „Die sind so<br />

etwas wie ein Dollarschein“, erklärt der Atmosfair-Geschäftsführer.<br />

Zertifi kate, ein eigenes Zahlungsmittel,<br />

dass an den Börsen wieder verkauft<br />

werden könnte. Atmosfair erhält diese, weil sie<br />

das Projekt bei der UNO nach dem Kyoto-Protokoll<br />

als „CDM“ angemeldet hat – als „Clean Development<br />

Mechanism“. Allerdings veräußert Atmosfair<br />

die Papiere nicht weiter: „Wir legen sie<br />

still“. Übersetzt heißt das: Sie werden vernichtet.<br />

Atmosfair entstand 2003 aus einer Initiative<br />

des Reiseveranstalterverbandes „forum anders<br />

reisen“ und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation<br />

Germanwatch. 2.000 Internet-Nutzer<br />

berechnen sich jede Woche hier ihren Klimadreck.<br />

Das Problem aber ist: Tatsächlich zahlen<br />

dann im ganzen Jahr nur 7.000 Nutzer.c<br />

Weitere Informationen<br />

Für die CO 2-Abgabe: www.atmosfair.de<br />

Das Projekt in Indien: www.gadhiasolar.com<br />

NICK REIMER

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