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2007-1 - NaturFreunde Deutschlands

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SPRITVERSCHNITT<br />

Schnaps im Tank<br />

Die Hoffnungen auf Ethanol und Biodiesel für Autos vernebeln den Blick<br />

bDie Grüne Woche in Berlin hat es in diesem<br />

Jahr gezeigt: Bei den Bauern geht es aufwärts.<br />

Vergessen scheinen die Einkommensverluste<br />

der vergangenen Jahre, vergessen die Lebensmittelskandale<br />

oder die Vogelgrippe. Dem<br />

„Energiewirt“ gehört die Zukunft: Landwirte,<br />

die auf großen Teilen ihrer Fläche Energiepflanzen<br />

anbauen. Und dafür reißend Abnehmer finden,<br />

die aus den Rohstoffen wiederum industriell<br />

Treibstoff oder Strom erzeugen.<br />

Die deutschen Landwirte sind mit diesem<br />

Energie-Boom keine Ausnahme. Überall in der<br />

Welt schaffen nachwachsende Rohstoffe und Energiepflanzen<br />

neue Ausbeutungsmöglichkeiten<br />

für die Natur. Wenn sogar George W. Bush anfängt,<br />

für die Nutzung von Biokraftstoffen zu werben,<br />

müssen jedoch alle Alarmglocken läuten.<br />

So schreibt die „Frankfurter Rundschau“ über<br />

den neuen Trend in den USA: „Biokraftstoffe<br />

sind gut für Farmer und weniger schlecht für die<br />

Umwelt, senken die Abhängigkeiten von Ölimporten<br />

aus Nahost und beruhigen das schlechte<br />

Gewissen der Autonation Nummer eins, die vor<br />

verbindlichen Obergrenzen für die Emission von<br />

Treibhausgasen noch immer zurückschreckt.“<br />

In den USA soll eine Steigerung der heimischen<br />

Produktion an Biosprit um 30 Prozent<br />

erreicht werden. Die Aktienkurse vieler Produzenten<br />

verdoppeln sich.<br />

Auf den Weltgetreidemärkten stehen die<br />

Treibstoffproduzenten im Wettbewerb mit den<br />

Nahrungsmittelherstellern. „Autos, nicht Menschen,<br />

werden in diesem Jahr fast den gesam-<br />

Mit Biokraftstoff um die Welt<br />

Fahrleistung mit dem Ertrag von einem Hektar Energiepflanzen<br />

Biogas<br />

80 000 km<br />

BtL (Biomass to Liquid)*<br />

60 000 km<br />

Pflanzenöl<br />

22 000 km<br />

Biodiesel<br />

22 000 km<br />

Ethanol<br />

24 000 km<br />

+ 27 000 km<br />

aus Biogas**<br />

+ 27 000 km<br />

aus Biogas**<br />

+ 24 000 km<br />

aus Biogas**<br />

Kilometer 20 000 40 000 60 000 80 000 100 000<br />

*synthetischer Biokraftstoff; **Verwertung der Kuppel- und Nebenprodukte, z. B. Stroh<br />

Verbrauch: 6,5 l/100km Diesel, 7,0 l/100 km Benzin<br />

Quelle: eigene Berechnungen nach FNR<br />

ten Zuwachs der Getreideproduktion verbrauchen,“<br />

berichtet ein Experte. Aus dem Getreide<br />

wird Ethanol erzeugt – Alkohol, der als biogener<br />

Treibstoff im Autotank verbrannt werden kann.<br />

Allerdings: Für einen einzigen vollen Tank im<br />

I Davon soll es in Zukunft ganz viele geben: „Bio-Tankstellen“.<br />

Geländewagen braucht es genau so viel Getreide,<br />

wie für die Ernährung eines Menschen in<br />

einem Jahr.<br />

Das ist schon schlimm angesichts des Hungers<br />

auf der Welt. Aber schlimmer noch ist die<br />

negative Energie- und Kohlendioxid-Bilanz des<br />

Ethanols, die in mehreren Studien bestätigt<br />

wird. Forscher aus Minnesota kamen zu dem<br />

Ergebnis, dass die Ethanolproduktion einen bescheidenenNetto-Energiege-<br />

1 Hektar =<br />

100 x 100 Meter<br />

Fußballfeld =<br />

0,75 Hektar<br />

winn von 25 Prozent bietet.<br />

Viel besser ist die Bilanz von<br />

Raps oder Sonnenblume: Die<br />

Energiebilanz der nachwachsenden<br />

Öle kommt auf 93 Prozent<br />

Netto-Energiegewinn. Gemeinhin<br />

werden diese Öle als<br />

Biodiesel gehandelt.<br />

Die Forscher aus Minnesota<br />

haben errechnet, dass die gesamte<br />

Maisernte für Biosprit<br />

genutzt gerade einmal zwölf<br />

Prozent des US-Treibstoffbedarfs<br />

decken könnte. Alle Sojabohnen<br />

zusammen bräch-<br />

THEMA<br />

ten es auf sechs Prozent. Rechnet man die Energie<br />

dagegen, die man bei der Produktion dieser<br />

Treibstoffe einsetzen müsste, dann würde die gesamte<br />

Mais- und Sojaernte zusammen nur 5,3<br />

Prozent des US-Treibstoffbedarfs decken.<br />

Bleibt die Hoffnung oder die Angst vor der<br />

Gentechnik. Syngenta, der weltgrößte Hersteller<br />

von Herbiziden, will Genmais leichter in Zucker<br />

verwandeln, der dann zu Ethanol wird. Andere<br />

Gesellschaften wollen den Stärkegehalt steigern<br />

und die Ausbeute insgesamt erhöhen. Oder<br />

es soll gewaltige Plantagen schnell wachsender<br />

gentechnisch hergestellter Bäume geben. Die<br />

Gewinne bei der Stärkeproduktion sind jedoch<br />

marginal, der Nutzen der Gentechnik für die<br />

Steigerung der Ernteausbeute ist niemals nachgewiesen<br />

worden. Andere, komplexere Eigenschaften<br />

wie die Toleranz gegenüber Trockenheit<br />

und Salz, um bisherige Grenzertragsböden<br />

zu nutzen, werden schon mehr als 20 Jahre mit<br />

wenig Erfolg angezüchtet. Gentechnisch veränderte<br />

Bäume werden selbst von Monsanto abgelehnt.<br />

Die Firma setzt lieber auf konventionelle<br />

Biotechnologie.<br />

Bio im Tank ist also – alles in allem – nur eine<br />

Notlösung. Sicher macht es Sinn, wenn Abfälle<br />

lokal als Treibstoffe genutzt werden: Wenn<br />

Bauern ihre Höfe mit Ernteabfällen heizen, oder<br />

Autos mit Abfallöl aus Restaurants betrieben<br />

werden. Aber für den langfristigen Energiebedarf<br />

im großen Maßstab sind die Öko-Treibstoffe<br />

keine effiziente Lösung. Die Lösung liegt in<br />

Einspartechnologien und in der Änderung der<br />

Lebensstile.c ECKART KUHLWEIN<br />

Weitere Informationen<br />

Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe:<br />

www.nachwachsende-rohstoffe.de<br />

www.bio-kraftstoffe.info<br />

Gemeinschaftsprojekt:<br />

www.biokraftstoff-portal.de<br />

1-<strong>2007</strong> NATURFREUNDiN SEITE 9

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