Ausgabe - 06 - 2012 - Produktion
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16 · Fertigung · <strong>Produktion</strong> · 9. Februar <strong>2012</strong> · Nr. 6<br />
Aerospace<br />
Leichtbau – Alles andere als leicht!<br />
Sebastian Moser, <strong>Produktion</strong> Nr. 6, <strong>2012</strong><br />
Der Dreamliner wurde für Boeing beinahe zum Alptraum, weil die<br />
Bearbeitung von CFK dramatisch unterschätzt wurde. Wettbewerber<br />
Airbus kann beim Modell A350 von aktuellen Fortschritten profitieren.<br />
Landsberg (sm). „Ein kleiner<br />
Schritt für einen Menschen, aber<br />
ein großer für die Menschheit“, so<br />
brachte der US-amerikanische Astronaut<br />
Neil Armstrong den ersten<br />
Schritt eines Menschen auf dem<br />
Mond und die Aufbruchsstimmung<br />
vor über vierzig Jahren auf<br />
den Punkt. Alles schien möglich:<br />
Bemannte und unbemannte<br />
Raumflüge, Flugreisen mit doppelter<br />
Schallgeschwindigkeit, die gigantische<br />
Boeing 747 nahm den<br />
Linienbetrieb auf und Tauchboote<br />
erreichen die tiefsten Stellen der<br />
Ozeane. Vierzig Jahre später stößt<br />
Boeing-Vize Jim Albaugh anlässlich<br />
der Übergabe der ersten Boeing<br />
787 Dreamliner ins gleiche<br />
Horn: „Ihr habt keine Ahnung, was<br />
ihr erreicht habt. Nur selten in seinem<br />
Leben hat ein Mensch die<br />
Gelegenheit, so etwas mitzuerleben“,<br />
ließ er seine Mitarbeiter wissen.<br />
Und die hatten eine Aufmunterung<br />
bitter nötig: Immer wieder<br />
musste die Auslieferung verschoben<br />
werden, der Druck auf die<br />
Mitarbeiter war enorm. Erst drei<br />
Jahre nach dem geplanten Auslieferungsstart<br />
konnte Erstkunde All<br />
Nippon Airways seine erste 787 in<br />
Empfang nehmen. Denn der Vogel<br />
hat es in sich: Statt Aluminium besteht<br />
die Hülle der Boeing 787<br />
Dreamliner zu mehr als 50 % aus<br />
dem leichten Verbundstoff CFK.<br />
Und die Probleme bei der Bearbeitung<br />
dieser neuen Materialien<br />
hatte der amerikanische Branchenriese<br />
dramatisch unterschätzt.<br />
Die gleiche Erfahrung muss jetzt<br />
auch der europäische Wettbewerber<br />
Airbus mit dem Konkurrenzmodell<br />
A350 machen: Leichtbau ist<br />
alles andere als leicht! Immerhin<br />
war es von den Europäern klug, in<br />
diesem Fall den Amerikanern den<br />
Vortritt zu lassen und von deren<br />
Erfahrungen zu profitieren. Ein<br />
Mann der ersten Stunde bei der<br />
So sieht der von Mapal entwickelte Fräser für CFK aus. Er verfügt über Ausblaslöcher<br />
zur Senkung der Prozesstemperatur. Bild: Mapal<br />
spanenden Bearbeitung von CFK<br />
ist Dr. Peter Müller-Hummel, der<br />
heute beim Präzisionswerkzeughersteller<br />
Mapal in Aalen für die<br />
Luftfahrtbranche zuständig ist. Vor<br />
rund acht Jahren war er bei einem<br />
namhaften Unternehmen der Luftfahrtindustrie<br />
für die Beschaffung<br />
von Bearbeitungszentren und<br />
Werkzeugen zur Bearbeitung von<br />
CFK zuständig.<br />
„Wir betraten damals absolutes<br />
Neuland, denn es lagen fast keine<br />
Erfahrungen bei der CFK-Bearbeitung<br />
vor“, erinnert er sich. Deshalb<br />
griff man zunächst auf die Erfahrungen<br />
bei der Metallzerspanung<br />
zurück. Schnell stellte sich jedoch<br />
heraus, dass der Werkstoff „zerfasert<br />
bzw. delaminiert“, das Werkzeug<br />
überhitzt und die Bearbeitungsergebnisse<br />
insgesamt unbefriedigend<br />
waren. Eine Studie des<br />
Experten und seines Teams belegte<br />
bald, dass klassische Frässtrategien<br />
für CFK ungeeignet sind. Wichtigstes<br />
Ergebnis: Bei Metall muss<br />
Ausgezeichnet<br />
SHW gewinnt Nortec Award<br />
<strong>Produktion</strong> Nr. 6, <strong>2012</strong><br />
Der diesjährige Nortec Award<br />
stand unter dem Motto „Nachhaltigkeit<br />
in der Industrieproduktion“.<br />
Gewonnen hat das Unternehmen<br />
SHW Werkzeugmaschinen<br />
GmbH.<br />
Hamburg (sm). „Angesichts immer<br />
höherer Umweltbelastungen,<br />
Ressourcenknappheit und steigender<br />
Energiekosten wird eine nachhaltige<br />
und effiziente Industrieproduktion<br />
immer wichtiger. Dabei<br />
spielen die Werkzeugmaschinen<br />
eine immer wichtigere Rolle. Wir<br />
freuen uns, den diesjährigen Nortec<br />
Award an ein Unternehmen zu<br />
verleihen, welches das Thema<br />
Nachhaltigkeit in der Industrieproduktion<br />
mit der eingereichten Lösung<br />
in allen Facetten der Entwick-<br />
lung, Konstruktion und Ausrüstung<br />
einer Großwerkzeugmaschine<br />
konsequent umgesetzt hat“, sagt<br />
Prof. Peter Hornberger von der<br />
Hochschule für Angewandte Wissenschaften<br />
Hamburg und Mitglied<br />
der Nortec Award Jury. Gewonnen<br />
hat das Unternehmen<br />
SHW Werkzeugmaschinen GmbH<br />
mit der energieeffizienten und 200<br />
Tonnen schweren Fräsmaschine<br />
PowerForce 8.<br />
„Wir arbeiten intensiv daran,<br />
Komponenten und Prozesse darauf<br />
einzurichten, dass sie energieeffizient<br />
konstruiert, produziert<br />
und betrieben werden können. Im<br />
Rahmen eines ganzheitlichen Konzeptes<br />
haben wir durch den Bau<br />
eines eigenen Kraftwerkes, die Installierung<br />
einer Photovoltaikanlag<br />
und intelligente Gebäudetechnik<br />
optimale <strong>Produktion</strong>sbedingungen<br />
geschaffen. Dies führen wir auf<br />
Auf den ersten Blick sieht der Dreamliner (im Hintergrund) wie viele andere Flugzeuge aus. Bild: Boeing<br />
Metallbearbeitungsstrategien<br />
sind für CFK ungeeignet<br />
Die Power Force 8 ist die größte Maschine,<br />
die SHW je gebaut hat. Sie<br />
wiegt 200 Tonnen. Bild: SHW<br />
der Span schmelzen, bei CFK muss<br />
er sauber brechen. Um dies zu gewährleisten,<br />
wechselten die Fachleute<br />
zunächst von Gleich- auf Gegenlauffräsen,<br />
erhöhten dann den<br />
Vorschub und senkten die Schnittgeschwindigkeit.<br />
Ein weiteres Problem<br />
bestand in dem Zusetzen des<br />
Werkzeugs durch die erhitzten<br />
klebrigen Stäube. Spätestens jetzt<br />
war klar: Ein neues Werkzeug muss<br />
her!<br />
Müller-Hummel erklärt: „Wir<br />
entschieden uns für ein Fräserdesign<br />
mit vier bzw. fünf Schneiden,<br />
damit zumindest immer eine<br />
Zahnflanke sicher im Eingriff ist<br />
und Vibrationen prozesssicher gedämpft<br />
werden. Um die Stäube bei<br />
hohen Zeitspanvolumen prozesssicher<br />
abzuführen, wurden unterschiedliche<br />
Konzepte für das Ausblasen<br />
der Stäube konzipiert. Besonders<br />
gut hat sich dabei die Idee<br />
einer zentralen Bohrung durch das<br />
Werkzeug bewährt. Das besondere<br />
daran ist, dass der Austritt der Blasbohrung<br />
im Bereich der Schneide<br />
in Richtung der Absauganlage ausgerichtet<br />
werden kann. Insbesondere<br />
die Austrittsichtung nach<br />
Der Nortec Award <strong>2012</strong><br />
Zusammen mit der Fachzeitung <strong>Produktion</strong><br />
lobte die Hamburg Messe<br />
und Congress GmbH zum Thema<br />
„Nachhaltigkeit in der Industrieproduktion“<br />
den Nortec Award <strong>2012</strong><br />
aus. Aussteller der Nortec bewarben<br />
sich mit ihren Lösungen zu den verschiedenen<br />
Stationen der Wertschöpfungskette<br />
in der <strong>Produktion</strong><br />
hinsichtlich der Ressourcennutzung,<br />
zu energieeffizienten Maschinen<br />
der Produktseite konsequent fort.<br />
Die PowerForce 8 ist die größte<br />
energieeffiziente Maschine, die wir<br />
je gebaut haben“, sagt der geschäftsführende<br />
Gesellschafter<br />
Anton Müller.<br />
Die PowerForce 8 ist eine Fahrständerfräsmaschine.<br />
Um eine<br />
Energieeinsparung von<br />
66 000 kWh/Jahr zu erzielen, wurden<br />
konsequent alle heute technisch<br />
möglichen Lösungen eingearbeitet:<br />
Mit intelligenter Steuerung<br />
und dazu passenden Kompo-<br />
hinten war sehr erfolgreich, da einige<br />
Absauganlagen im Bereich<br />
der Spindel angeordnet sind und<br />
die CFK-Stäube so nahezu vollständig<br />
abgesaugt werden können.<br />
Des Weiteren bleibt beim Einsatz<br />
dieser Technologie die Temperatur<br />
am Werkzeug etwa 8-fach geringer<br />
als bei der konventionellen Bearbeitung.<br />
Damit ist gleichzeitig ein<br />
sicherer Abtransport der gesundheitssschädlichen<br />
Stäube gewährleistet.“<br />
Zerspanung von CFK muss<br />
wirtschaftlicher werden<br />
Die ersten Anwendungen wurden<br />
2009 bei einem Kanadischen<br />
Flugzeughersteller etabliert. Auch<br />
eine Serienanwendung bei dem<br />
größten Flugzeuhersteller in<br />
Deutschland bestätigte erneut die<br />
Funktionalität. Welche Vision hat<br />
der Mapal-Mann heute? „Wir arbeiten<br />
weiter an der Entwicklung<br />
noch effizienterer Werkzeuge.<br />
Mein Traum ist, dass eines Tages<br />
die Zerspanung von CFK ähnlich<br />
wirtschaftlich wie die von Metall<br />
wird.“<br />
oder umweltfreundlichen Fertigungstechniken.<br />
Eine unabhängige<br />
Jury untergliederte sieben Bewerbungen,<br />
die in die engere Auswahl<br />
gekommen waren, in die drei Bereiche:<br />
Hersteller von Werkzeugmaschinen,<br />
von Werkzeugen und Betriebsmitteln<br />
sowie Anbieter von Ingenieurdienstleistungen<br />
und prüfte<br />
die eingereichten Lösungen nach<br />
Faktoren der Nachhaltigkeit.<br />
nenten gelang es zum Beispiel die<br />
Blindleistung wesentlich zu reduzieren,<br />
Hydraulikkomponenten zu<br />
ersetzen, effizient zu kühlen und zu<br />
schmieren, Wärmequellen durch<br />
geregelte Antriebe zu ersetzen, die<br />
Einschaltdauer der Gesamtmaschine<br />
und verschiedener Hilfsaggregate<br />
an den Betriebszustand<br />
anzupassen. Insgesamt gelang es,<br />
bis zu 27 % Energie einzusparen,<br />
die Maschine leiser zu machen und<br />
die Bedingungen am Arbeitsplatz<br />
zu verbessern.