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Musik<br />
JAZZ<br />
«auch jazz kann poppig sein»<br />
Interview von Konrad Weber mit Stephan «Gesa» Geiser, Leadtrompeter des Swiss Jazz Orchestra und Produzent<br />
<strong>der</strong> CD «Buebetröim» Bild: Stephan Geiser / Foto von Reto Andreoli<br />
■ Fünf Wochen war sie in den nationalen und<br />
über ein Jahr in den i-Tunes-Charts: Die Pop-Platte<br />
«Buebetröim» des Swiss Jazz Orchestra (SJO). Es<br />
war das erste Mal, dass es einer Big Band gelang,<br />
mit ihrer CD die Schweizer Hitparade zu stürmen.<br />
Grund genug, um die Band genauer unter die Lupe<br />
zu nehmen und sie auch in Zukunft genau zu beobachten.<br />
ensuite - kulturmagazin sprach mit dem Produzenten<br />
des Erfolgsprojekts, Stephan «Gesa» Geiser<br />
über erfüllte Buebetröim, anstehende Projekte und<br />
die Kunst, ein Topteam von Musikern <strong>bei</strong> Stange zu<br />
halten.<br />
Stephan Geiser, <strong>Sie</strong> müssen ein rund um<br />
glücklicher Mensch sein. Haben sich Ihre Bubenträume<br />
in den letzten Monaten erfüllt?<br />
Vor fünf Jahren war mein grösster Traum, eine<br />
nationale Big Band mit internationalem Ruf aufzubauen.<br />
Ein Orchester, das auf hohem Niveau spielt<br />
und zugleich Bestand hat. Damit meine ich regelmässigen<br />
Proben- und Konzertbetrieb und professionelle<br />
Organisationsabläufe im Hintergrund. Das<br />
SJO konnte glücklicherweise in den letzten Jahren<br />
zu einem solchen Orchester auf- und ausgebaut<br />
werden. Eine grosse Ausnahme!<br />
Der zweite Traum betrifft tatsächlich das<br />
«Buebetröim»-Projekt. Ich bringe leidenschaftlich<br />
gerne unterschiedlichste Leute zusammen, um<br />
diese anschliessend für ein gemeinsames Projekt<br />
begeistern zu können.<br />
<strong>Sie</strong> begeisterten allem Anschein nach mit<br />
dem Projekt «Buebetröim» nicht nur die Musiker,<br />
son<strong>der</strong>n auch das Publikum. Bald einmal<br />
waren ihre wöchentlichen Montagskonzerte im<br />
Bierhübeli randvoll. Wie erlebten <strong>Sie</strong> als Musiker<br />
das plötzliche Interesse am SJO?<br />
Das hat natürlich enorm motivierend. Wir Musiker<br />
waren jeden Montag von Neuem überrascht,<br />
wie viele Leute im Saal sassen o<strong>der</strong> sogar standen.<br />
Wir wären mit weniger Zuhörern nicht weniger motiviert<br />
zu spielen, doch mit diesem Zuhörerzuwachs<br />
erhielten wir nach fünf Jahren harter Aufbauar<strong>bei</strong>t<br />
den lang ersehnten Dank und die Gewissheit,<br />
dass unsere Musik auch in Zukunft erwünscht ist.<br />
Denn sicherlich auch ein Ziel des «Buebetröim»-<br />
Projektes war es, ein etwas an<strong>der</strong>es Publikum anzusprechen.<br />
Vor allem erfreute mich aber, dass das<br />
Publikum nicht nur wegen dem bekannten Projekt<br />
uns anhören kam, son<strong>der</strong>n auch regelmässig <strong>bei</strong><br />
an<strong>der</strong>en, eher klassischen Monday Jazz Nights im<br />
Bierhübeli auftauchte.<br />
Weshalb entschied man sich in <strong>der</strong> Projektphase<br />
für die Verbindung Pop und Big Band?<br />
Wir haben traditionell eine starke Pop- und<br />
Mundartmusikszene in Bern. Die Verbindung <strong>der</strong><br />
verschiedenen Stilrichtungen war deshalb naheliegend.<br />
Zudem spielen einige SJO-Musiker in den<br />
Horn Sections einzelner Mundartbands mit. Der<br />
als einmalig gedachte Gala-Auftritt einiger Berner<br />
Sänger mit dem SJO im Bierhübeli im November<br />
2006 gab mir dann quasi die Initialzündung zu<br />
«Buebetröim». Schmidi Schmidhausers eigene<br />
Songs liessen sich bestens für Orchester arrangieren<br />
und interpretieren. Die Idee war geboren…<br />
Haben <strong>Sie</strong> denn auch im Vorfeld <strong>der</strong> Plattenveröffentlichung<br />
von guter Kritik geträumt?<br />
Eigentlich war es kein Träumen o<strong>der</strong> Hoffen.<br />
Viel mehr hatte ich das Gefühl, dass die Platte ein<br />
Erfolg wird. (lacht) Es war ein Bauchgefühl, das mir<br />
sagte: dieses Projekt wird in irgendeiner Form für<br />
Furore sorgen. Einerseits war da die Mischung von<br />
Mundartsongs mit englischsprachigen Songs und<br />
auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite sah das Projekt vor, Sänger<br />
nicht zu überreden, Jazzstandards zu singen. Das<br />
führte dazu, dass sich die Sängerinnen und Sänger<br />
mit ihren eigenen Songs extrem wohl fühlten. Was<br />
jedoch über das Konzept hinaus entstanden ist –<br />
dass zum Beispiel plötzlich Anfragen da waren, an<br />
grossen Festivals aufzutreten – überraschte auch<br />
mich, zumal wir ja mit 35 Musikern und Technikern<br />
unterwegs waren.<br />
Kann denn heutzutage nur noch mit Popmusik<br />
<strong>bei</strong> <strong>der</strong> grossen Masse gepunktet werden und<br />
wurde <strong>der</strong> Jazz als musikalische Stilrichtung<br />
demnach an den Rand gedrängt?<br />
Dies ist eine schwierige Frage. Bedenkt man<br />
die Entwicklung <strong>der</strong> musikalischen Stilrichtungen,<br />
kommt man zum Schluss, dass <strong>der</strong> Jazz vor allem<br />
in den 30er bis in die 60er Jahre die Tanzmusik<br />
prägte. Diese Stücke waren denn meist auch in<br />
den Charts anzutreffen. Doch es entstanden neue<br />
Stilrichtungen, die schlussendlich den Jazz aus<br />
den Hitparaden verdrängten. Deshalb dürfen wir<br />
von einem Erfolg sprechen, dass wir nach Robbie<br />
Williams mit einer Big-Band-Platte den Weg zurück<br />
in die Charts schafften. Lei<strong>der</strong> beweist dies aber<br />
auch, dass heutzutage nur mit poppigem Jazz die<br />
Kategorie <strong>der</strong> erfolgreichen Musikstücke erobert<br />
werden kann. Dies kann manchmal etwas frustrierend<br />
sein, vor allem, weil wir Jazzer im Gegensatz<br />
zu den Popmusikern in meist viel kleineren Dimensionen<br />
rechnen müssen. Aber wir kennen diese<br />
Unterschiede seit langem und haben uns irgendwie<br />
damit arrangiert.<br />
Über die Wintermonate tritt das SJO jeden<br />
Montagabend im Bierhübeli auf. Vermisst man<br />
als Musiker während <strong>der</strong> Sommerzeit diese Konzerte?<br />
Jedes Mal, wenn im Mai die Saison zu Ende<br />
geht, bin ich etwas erleichtert. Denn acht Monate<br />
wöchentlich ein an<strong>der</strong>es Programm einzustudieren<br />
und darzubieten, ist ziemlich anstrengend. Aber<br />
kaum beginnt die Sommerpause vermisst man<br />
die Konzerte und die musikalische Abwechslung.<br />
Das führt dazu, dass sich kurz vor Saisonstart alle<br />
Bandmitglie<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> extrem auf die neue Saison<br />
freuen. Hinzu kommt, dass man einige Mitmusiker<br />
in den Sommerferien etwas aus den Augen verliert,<br />
denn die meisten Bandmitglie<strong>der</strong> haben ihre eige-<br />
24<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 70 | Oktober 08