Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären ... - GRH e. V.
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Wie beurteilen Sie die neue Situation?<br />
Julius Beucher:<br />
Die Frage, ob es flächendeckendes Doping gegeben hat, muss neu gestellt werden. Denn<br />
wenn es dies in der DDR gegeben hätte, dann wären – ob der Gefährlichkeit der Substanzen –<br />
mehr als 31 geschädigt.<br />
Neues Deutschland:<br />
Überinterpretieren Sie die derzeitige Faktenlage damit ein wenig?<br />
Julius Beucher:<br />
Nein, sie ist höchst aussagekräftig: Es gibt nämlich nur ganz wenige Menschen- <strong>und</strong> da ist der<br />
Ost- wie der Westmensch – die Geld nicht in Anspruch nehmen, wenn sie es in Anspruch<br />
nehmen könnten.<br />
Neues Deutschland:<br />
Was schlagen Sie vor?<br />
Julius Beucher:<br />
Dieses Kapitel deutsch – deutscher Sportgeschichte muss neu aufgerollt <strong>und</strong> geschrieben<br />
werden. Die Pauschalisierung DDR gleich flächendeckendes Doping, BRD gleich vereinzelte<br />
Dopingfälle – die lässt sich nicht mehr aufrecht halten.<br />
Neues Deutschland:<br />
Was müsste praktisch geschehen?<br />
Julius Beucher:<br />
Ich erwarte, dass die wissenschaftlichen Untersuchungen, die Anhörungen <strong>und</strong> Befragungen,<br />
im Interesse von Klarheit <strong>und</strong> Wahrheit überprüft werden.<br />
Neues Deutschland:<br />
Sie haben das Opfer-Hilfegesetz im B<strong>und</strong>estag maßgeblich mit auf den Weg gebracht. Fühlen<br />
Sie sich heute hintergangen oder instrumentalisiert?<br />
Julius Beucher:<br />
Ja, ich habe das mit verantwortet. Doch wir mussten damals des wissenschaftlichen Diskurses<br />
davon ausgehen, dass eine Unmenge von Anspruchsfällen auf uns zu kommen. Aber in einem<br />
wissenschaftlichen Diskurs hat eben auch jeder das Recht auf Irrtum.<br />
Neues Deutschland:<br />
Ihr damaliger Parlamentskollege <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong> Gustav-Adolf Schur von der PDS war diesem<br />
Irrtum nicht aufgesessen.<br />
Julius Beucher:<br />
Dafür zolle ich Täve heute meinen vollen Respekt.<br />
Eigentlich bedarf es hierzu keines Kommentars, aber man kann sich sehr gut vorstellen, wo<br />
<strong>und</strong> wie überall so kurz vor Meldeschluss die Alarmglocken läuteten.<br />
Es wird wohl ein Geheimnis bleiben, warum sich bis zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Sportler<br />
meldeten, obwohl das Gesetz im § 6 Absatz 2 mehr als großzügig folgendes formuliert:<br />
“Zur Anerkennung eines erheblichen Ges<strong>und</strong>heitsschadens genügt die Wahrscheinlichkeit<br />
eines ursächlichen Zusammenhangs mit der Verabreichung von Dopingsubstanzen.“<br />
Es reichte also die Wahrscheinlichkeit, nicht ein Beweis!<br />
Ganz in diesem Sinn äußerte sich als Befürworter in der B<strong>und</strong>estagsdebatte Klaus Riegert,<br />
der damalige sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, indem er sagte, dass in der<br />
Regel ein Plausibilitätsnachweis genüge, <strong>und</strong> die Hilfeleistung nicht durch medizinische- <strong>und</strong><br />
Rechtsgutachten zerrieben werden sollte, denn für viele Opfer wäre ein solches Verfahren<br />
entwürdigend.