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Die Inszenierung der Popliteratur im Literaturbetrieb der Gegenwart

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Let me entertain you!<br />

Dabei sehen sich die Autoren selbst in <strong>der</strong> Rolle <strong>der</strong> Beobachter und Chronisten. Sie<br />

wollen Zustände ohne Ironie aufzeigen und kein moralisches Urteil fällen. Als eine Art<br />

Hauptthema sowohl auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> <strong>Inszenierung</strong> als auch in Bezug auf den Gesprächsinhalt<br />

lässt sich die Langeweile nennen.<br />

44<br />

Alexan<strong>der</strong> von Schönburg: Wir werden von vorne bis hinten entertained. <strong>Die</strong> Spannung<br />

ist weg. Das geht sogar so weit, dass sich völlig gesunde und vernünftige Menschen, wie<br />

wir es sind, für Geld <strong>im</strong> Adlon einsperren lassen, um über unsere Wohlstandsverwahrlosung<br />

zu lamentieren. Wäre das hier Cambridge und nicht Berlin, und wäre es jetzt <strong>der</strong><br />

Herbst des Jahres 1914 und nicht <strong>der</strong> Frühling des Jahres 1999, wären wir die ersten, die<br />

sich freiwillig meldeten. 133<br />

Mit dem Begriff „wohlstandsverwahrlost“ bezeichnet Alexan<strong>der</strong> von Schönburg ein<br />

Problem <strong>der</strong> so genannten 89er Generation, die sich nach eigener Aussage in einem<br />

„Zustand <strong>der</strong> industriellen Vollverspaßung“ 134 befindet. Der Wunsch, erlöst zu werden,<br />

erscheint zunächst absurd. <strong>Die</strong> Langeweile, <strong>der</strong> Reichtum, die neokonservative Haltung,<br />

kurz: eben die Wohlstandsverwahrlosung wurde von <strong>der</strong> Herrenrunde nicht bloß thema-<br />

tisiert, son<strong>der</strong>n geradezu theatralisch zur Schau gestellt. So wurde mit teuersten Anzügen<br />

bekleidet und Zigarre rauchend über teure Kleidung, die Bedeutung <strong>der</strong> Marken und<br />

Statussymbole gesprochen, während man sich in den Luxussuiten eines Nobelhotels<br />

aufhielt. Iris Radisch hält diese Form <strong>der</strong> <strong>Inszenierung</strong> des Textes, die Demonstration<br />

des Habitus für notwendig: „Ihr Nichtangriffspakt mit <strong>der</strong> Welt ist die Voraussetzung,<br />

sie so kalt zu beschreiben, wie sie vermutlich ist.“ 135<br />

In <strong>der</strong> Berliner ‚Bar je<strong>der</strong> Vernunft’ trafen sich die fünf Mitglie<strong>der</strong> des Quintetts, um<br />

den Text Tristesse Royale auf die Bühne zu bringen. Jede Menge Fotografen, Journalisten,<br />

Kameras, Mikrofone und natürlich Publikum erwarteten die Popliteraten. „Da<br />

jauchzten die weiblichen Boy-Groupies in <strong>der</strong> ersten Reihe. Ein Hauch von Backstreet<br />

Boys lag in <strong>der</strong> Luft.“ 136 Insgesamt schien <strong>der</strong> Abend jedoch wenig erfolgreich. Zahlreiche<br />

Zuschauer verließen die Veranstaltung vorzeitig. Der Spiegel schreibt: „Humorlosigkeit<br />

und Langeweile sind die verdammungswürdigen Geschwister <strong>der</strong> ‚Tristesse<br />

Royale’, <strong>der</strong>en Propagandisten unter einem kloßartigen, letztlich ihrer Selbst überdrüssigen<br />

Selbstbewusstsein leiden.“ 137<br />

www.bundestag.de/cgi-bin/druck.pl?N=parlament (28.11.03).<br />

133<br />

Bessing 1999, S. 138.<br />

134<br />

www.bundestag.de/cgi-bin/druck.pl?N=parlament (28.11.2003).<br />

135<br />

Radisch, I.: Mach den Kasten an und schau. In: <strong>Die</strong> Zeit 42/1999.<br />

136<br />

Bro<strong>der</strong>, H./Mohr, R.: <strong>Die</strong> faselnden Fünf. In: Spiegel 49/1999, S. 264.<br />

137<br />

Ebd. S. 265

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