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Die Inszenierung der Popliteratur im Literaturbetrieb der Gegenwart

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Let me entertain you!<br />

Wir haben es mit Begriffen wie die Spaßgesellschaft o<strong>der</strong> die 89er zu tun, die ebenso<br />

unmöglich genau zu best<strong>im</strong>men sind wie die <strong>Popliteratur</strong>. Dinge wie die ‚richtige’<br />

Jeansmarke signalisiert offensichtlich jedoch die Zugehörigkeit zu einer best<strong>im</strong>mten<br />

Gruppe. In einer Zeit, die zunehmend unpolitisch ist und <strong>der</strong> die Utopien abhanden<br />

kommen, wird die Zugehörigkeit zu einer Gruppe nicht unwichtiger – <strong>im</strong> Gegenteil. Was<br />

sich verän<strong>der</strong>t, sind die Zeichen, über die die Zugehörigkeit best<strong>im</strong>mt wird.<br />

„Ich schreibe nur mit. Was haben die Leute an, wie ist die Sprache, wie sind die Regeln,<br />

was ist <strong>der</strong> Deal? Das muss kompostiert werden.“ 168 <strong>Die</strong>se Aussage Stuckrad-<br />

Barres weist darauf hin, dass es gerade das Wie<strong>der</strong>erkennen des Alltäglichen ist, was<br />

den Reiz <strong>der</strong> <strong>Popliteratur</strong> auszumachen scheint. Das Wie<strong>der</strong>entdecken des eigenen<br />

Lebens zwischen zwei Buchdeckeln. Beson<strong>der</strong>s auffällig scheint diese Beobachtung<br />

bestätigt durch den Erfolg von Florian Illies’ „Generation Golf“. <strong>Die</strong> Feststellung, dass<br />

eigene Kindheitserfahrungen Kollektiverfahrungen sind, über die man sich austauschen<br />

kann und die mit ähnlichen Gefühlen verbunden werden, scheint die Richtigkeit des<br />

eigenen Lebens zu bestätigen. Ähnlich bieten die Werturteile <strong>der</strong> markenbewussten Ich-<br />

Erzähler, zum Beispiel in Christian Krachts Faserland, in Alexa Henning von Langes<br />

Relax o<strong>der</strong> in Benjamin von Stuckrad-Barres Soloalbum, die den Trend kennen und<br />

<strong>der</strong>en Habitus beweist, dass sie <strong>im</strong> Gegensatz zu an<strong>der</strong>en ‚in’ sind, einen gewissen Halt.<br />

Sie beschreiben und bestätigen das richtige Verhalten. Und mehr als das. „Das größte<br />

Glück <strong>im</strong> Buch ist das Auffinden von Wirklichkeit, von <strong>der</strong> eigenen Wirklichkeit.“ 169 So<br />

lässt sich verallgemeinernd sagen: Das Publikum dieser Literatur ist auf <strong>der</strong> Suche nach<br />

dem eigenen Standort in <strong>der</strong> Welt, nach Zugehörigkeit, nach Identifikation.<br />

Der in den Büchern offen zur Schau gestellte Ekel vor <strong>der</strong> krankenden Gesellschaft<br />

trifft den Zeitgeist einer best<strong>im</strong>mten Generation, wie auch <strong>im</strong>mer man diese benennen<br />

möchte. <strong>Die</strong>jenigen, die die Fragwürdigkeit <strong>der</strong> eigenen Lebensentwürfe in den Texten<br />

<strong>der</strong> Popliteraten enttarnt sehen, identifizieren sich mit den Ansichten und Erlebnissen <strong>der</strong><br />

Ich-Erzähler. „Wer <strong>im</strong>mer mit dick beschmierten Nutellabrötchen aufgewachsen ist,<br />

dem macht es auch keinen Spaß mehr, wenn er über die Stränge schlägt, weil Ekstase ja<br />

Teil des normalen Freizeitangebots ist. Wir befinden uns in einem Zustand <strong>der</strong> industriellen<br />

Vollverspaßung.“ 170<br />

168 Seidl, C.: Der Dandy für die Arschtasche. In: Stern 37/1999, S. 230.<br />

169 Wei<strong>der</strong>mann, V.: „Danke Florian“. In: die tageszeitung 27.6.2000.<br />

170 Ein Sittengemälde <strong>der</strong> <strong>Gegenwart</strong>. Interview mit Alexan<strong>der</strong> von Schönburg:<br />

www.bundestag.de/cgi-bin/druck.pl?N=parlament (28.11.03).<br />

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