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ST. GALLER ORGELFREUNDE OFSG

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Entsprechend seiner elsässischen Herkunft fühlte sich Bergöntzle der französischen<br />

Orgelbautradition verpflichtet mit französischem Gehäuse und französisch beeinflussten<br />

Dispositionen: im Hauptwerk 16', Cornet décomposé und Cornet 5-fach, Zungen 8' und 4'<br />

im Pedal. Auch die Bauart der Metallpfeifen und die starken Wandungen aus niedrig<br />

legiertem, gehämmertem Orgelmetall entsprechen der französischen Bauweise. 9<br />

Allerdings vertritt Bergöntzle als elsässischer Orgelbauer weniger die vornehmere<br />

Silbermann-Linie, sondern eher die rustikale Variante von Valtrin-Dubois, was sich in etwas<br />

bescheideneren Dispositionen und in teilweise einfacheren Konstruktionen zeigt. Auch die<br />

Gehäuse sind bei Bergöntzle weniger kühn als bei Johann Andreas Silbermann und<br />

entsprechen in der Form eher dem "älteren Modell" von Vater Andreas Silbermann. Zudem<br />

weist das kurze Pedal auf eine Ähnlichkeit mit Waltrin, Dubois oder Besançon (St.<br />

Ursanne), während Johann Andreas Silbermann meist grosse Pedale baute – für<br />

anspruchsvollere Organisten.<br />

Die Bergöntzle-Orgel von 1803/1804<br />

Über den Auftrag zum Bau einer Orgel, den die Pfarrgemeinde an Bergöntzle erteilte,<br />

sind keine Schriftstücke erhalten. Es bleibt daher offen, ob das Gehäuse nach<br />

Angaben Bergöntzles an Ort geschaffen wurde oder ob es aus einem anlässlich der<br />

Revolution aufgehobenen Kloster im Elsass stammt [4, 2]. Zwar entspräche die<br />

Verwendung von Hartholz (Eichenholz), wie sie hier am Gehäuse erfolgte, nicht nur<br />

der Vorliebe Bergöntzles, sondern wäre auch für die Region typisch. Es fällt aber auf,<br />

dass die Orgel in Bludesch innert kürzester Zeit besorgt und aufgestellt war, dies in<br />

einer Zeit, zu der Bergöntzle alle Hände voll zu tun hatte. So ist eher<br />

unwahrscheinlich, dass das Orgelgehäuse am Ort von Bergöntzle selbst oder nach<br />

dessen Anleitung von einem Schreiner aus der näheren Umgebung gebaut wurde<br />

[Jussel, 2]. Schon Krauss hat in den 1940er Jahren aufgrund des Gehäuses und der<br />

Bauweise von Pfeifen und Windladen das Werk als typische Silbermann-Arbeit aus<br />

der Zeit von 1720–30 10 beurteilt. Anhand von Spuren am Rückpositiv-Gehäuse gilt<br />

heute als gesichert, dass sich die Orgel vorher an einem andern Ort befand und 1803<br />

von Bergöntzle für die Kirche Bludesch angepasst wurde. Vermutlich war sie in den<br />

Jahren 1780–85 erbaut und noch vor der Französischen Revolution aus dem Elsass<br />

als "Gebrauchtinstrument" ins Vorarlberg transportiert worden.<br />

Bis zur Restauration 1997–1999 war man auch der Ansicht, dass zumindest das<br />

Innere der Orgel von Bergöntzle eigens für Bludesch erbaut wurde. Dazu G. Jussel:<br />

Im Zuge des Abbaues der Orgel und insbesonders der Bearbeitung durch Ferdinand<br />

Stemmer hat sich herausgestellt, daß die Bludescher Bergöntzle-Orgel keineswegs ein<br />

Orgelwerk darstellt, welches für Bludesch gearbeitet und 1803/1804 in der Pfarrkirche St.<br />

Jakob eingebaut wurde. Diese Orgel ist [...] unbestritten älter; sie wurde auch nicht „aus<br />

einem Stück in einer Orgelwerkstatt gebaut“, sondern besteht aus mehreren Teilen<br />

unterschiedlicher Herkunft. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum kein Werkvertrag, der<br />

an sich schon vor Silbermanns Zeiten zum Orgelbauen gehört, auffindbar ist [2].<br />

9 Die Orgel in Bartholomäberg (Montafon/Vorarlberg) wurde lange Zeit auch Bergöntzle<br />

zugeschrieben. Da Bergöntzle zur Erbauungszeit 1792 noch im heimatlichen Elsass weilte und erst<br />

später vor den Franzosen fliehen musste, kann diese Zuschreibung nicht stimmen, vgl. [1].<br />

Ausserdem besitzt Bartholomäberg nicht die ausgeprägten französischen Merkmale wie Bludesch.<br />

Bartholomäberg stammt mit grosser Wahrscheinlichkeit vom Erbauer der grossen Orgel von 1779 in<br />

der Klosterkirche Neu St. Johann, nämlich Joh. Michael Grass (vgl. Bulletin <strong>OFSG</strong> 7, Nr. 1, 1989).<br />

10 Es wäre allerdings zu beachten, dass die Waltrin-Dubois-Tradition auch später noch Gehäuse im<br />

älteren Stil baute (F.L.).<br />

Bulletin <strong>OFSG</strong> 21, Nr. 3, 2003

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