ST. GALLER ORGELFREUNDE OFSG
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Orgelbau – von einer denkmalpflegerisch erstaunlich fortschrittlichen Sichtweise, die<br />
sich weit von dem absetzt, was zeitgenössische Berufskollegen darüber dachten. Ein<br />
Ausschnitt daraus:<br />
Die Orgeln von Bergöntzle zeichnen sich durch einen herrlich glanzvollen, und dabei doch<br />
mild gesättigten Ton aus, durch eine edle Klangwirkung, wie man sie an neueren leider<br />
nicht mehr findet. Die Bauart der Schleifladen, der Klaviaturen und der Mechanik, die<br />
Dispositionsweise, die Mensurierung der Pfeifen, bei Metallpfeifen deren Legierung und die<br />
Anwendung der gehämmerten Zinnplatten, bei den Holzpfeifen die Kernspalten und das<br />
Annageln der Vorschläge, der übliche Winddruck von 60-65 mm Pressung, die Bälge mit<br />
breiten, einwärtsgehenden Falten u. Spannfedern, deren Flechsung und deren Ventile,<br />
kurzum gar alle Ausführungsdetails sind bei den Bergöntzle Orgeln haargenau gleich, wie<br />
bei den zur gleichen Zeit erbauten Orgeln des berühmten Strassburger Orgelbauers<br />
Johann Andreas Silbermann, 13 mit dessen Person und dessen wenigen heute noch<br />
erhaltenen Werken förmlich Kult getrieben wird und den man als den grössten Orgelbauer<br />
des XVIII. Jahrhunderts bezeichnet.<br />
Diese vollständige Gleichheit und Ebenbürtigkeit der Orgeln von Bergöntzle mit den Orgeln<br />
des genannten Silbermann machen uns heute die wenigen Reste die von Arbeiten<br />
Bergöntzle's noch vorhanden sind, doppelt interessant und historisch wertvoll.<br />
Erwähnensert sind auch die schönen, schwungvoll ausgeführten Orgelgehäuse von<br />
Bergöntzle. Tschagguns und besonders Bludesch suchen ihresgleichen, Letzteres<br />
besonders weil es im zierlichen Style französischer Renassaince 14 in masivem 15<br />
Eichenholz gearbeitet ist und mit dem in der Brüstung stehenden Positive ein<br />
Schmuckstück bildet, wie man es weit und breit nicht antrifft.<br />
Leider sind im Laufe der Jahre die meisten Orgeln von Bergöntzle einer unverständigen,<br />
pietätlosen Neuerungssucht, gewissenlosen Pfuscherhänden und geschäftstüchtigen<br />
Orgelbauern die in einer interessanten alten Orgel eben nur ein "Glump" erblicken, an<br />
dessen Stelle sie lieber eine neue Orgel verkaufen möchten, zum Opfer gefallen. Am<br />
ehesten von allen Orgeln Bergöntzles in Vorarlberg ist heute noch die Orgel in Bludesch<br />
unversehrt erhalten, aber auch bei derselben wurde die Disposition um Mitte der 1890 er<br />
Jahre durch Einsetzung einer neuen Gamba 8' an Stelle der Oktave 2' verändert;<br />
gleichzeitig wurde das Werk auch gereinigt und gestimmt, welche Arbeit die ausführende<br />
Firma aber ganz zwei jungen, unerfahrenen Orgelbaugehilfen überliess, denen die nötige<br />
Erfahrung ohnehin und zudem der Sinn für pietätvolles Erhalten eines wertvollen<br />
historischen Werkes völlig fehlten [nach Nadler, 4].<br />
Im Weiteren stellt Behmann in seinem Bericht von 1929 fest, dass die Orgel<br />
"grenzenlos verwahrlost", ihr Klang matt und verstimmt sei. Besonders schlimm stehe<br />
es um das Pfeifenwerk, wo etwa 70 Pfeifen völlig fehlten. Behmann führt in seinem<br />
Zustandsbericht weiter aus: Die grösste Principal 8'-Pfeife im Prospekt wurde<br />
irgendwann durch eine Zinkpfeife ersetzt; das ebenfalls später eingesetzte Register<br />
Gamba 8' ist mangelhaft befestigt und in schlechtem Zustand. Die Hauptwerksregister<br />
Quint, Terz und Pfeiflein 1' sind unvollständig, die Trompete 8' in schlechtem Zustand.<br />
Auch im Rückpositiv fehlen viele Pfeifen. Die beiden Zungenstimmen im Pedal, das<br />
mit 13 Tönen von C–c° reicht, stehen wie bei Silbermann ausserhalb des Gehäuses<br />
und befinden sich in schlechtem Zustand. Die Windladen aus Eichenholz sind nicht<br />
gerade schön, aber haltbar verfertigt. Da die Kanzellen in der Tiefe eher eng sind, wird<br />
die Spielart durch die schmalen Ventile zwar relativ leicht. Bei vollem Spiel hat die<br />
Orgel in der Tiefe aber zu wenig Wind, wodurch die Stimmung bei den tiefen Tönen<br />
absinkt. Ventile, Federn Belederung und Pulpeten sind schadhaft, die Mechanik und<br />
Abstrakten dagegen robust gebaut, arbeiten dafür etwas geräuschvoll. Behmann<br />
empfiehlt ein elektrisches Gebläse und aus ästhetischen Gründen den Ersatz der<br />
unschönen Zink-Prospektpfeife C, obwohl er schon damals der Meinung ist, dass<br />
13 J.A. Silbermann aus Strassburg lebte eine Generation früher, nämlich von 1712–1783. F.L.<br />
14 wohl Druckfehler, F.L.<br />
15 do.<br />
Bulletin <strong>OFSG</strong> 21, Nr. 3, 2003