"Flucht und Vertreibung" ausstellen - aber wie? - Bibliothek der ...
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Er kritisierte an „Erzwungene Wege“ nicht nur die Dominanz <strong>der</strong> Opfer<strong>und</strong><br />
die Vernachlässigung <strong>der</strong> Täterperspektive, die einerseits ikonografisch<br />
mit den „ewig gleichen Bil<strong>der</strong>n von Flüchtlingen <strong>und</strong> Deportationszügen“<br />
illustriert, an<strong>der</strong>erseits durch einen zweiten Ausstellungsabschnitt betont<br />
wurde, in dem die Kuratoren die Dimensionen des Leids in vier systematischen<br />
Kapiteln („Heimat“, „Erzwungene Wege“, „Lager“ so<strong>wie</strong> „Recht <strong>und</strong><br />
rechtlos“) miteinan<strong>der</strong> verglichen. Son<strong>der</strong>n er bemängelte beson<strong>der</strong>s die<br />
Kollektivierung <strong>der</strong> Schicksale nach Völkern <strong>und</strong> Nationen, <strong>der</strong>en schlichtes<br />
Nebeneinan<strong>der</strong>-Stellen überdies dazu führe, dass „sich auf völlig unangemessene<br />
Weise mit <strong>der</strong> Ermordung <strong>der</strong> europäische Juden“ auseinan<strong>der</strong>gesetzt<br />
werde. 55 Vor einer mit diesem Kollektivierungs-Ansatz einhergehenden<br />
„Ethnisierung von gesellschaftlichen Konflikten“ hatte bereits im<br />
Sommer 2003 eine wissenschaftliche Initiative um den Osteuropahistoriker<br />
Hans Henning Hahn <strong>und</strong> die Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth gewarnt,<br />
als in <strong>der</strong> Öffentlichkeit über das Für <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong> eines neuen musealen<br />
Gedenkorts für „<strong>Flucht</strong> <strong>und</strong> Vertreibung“ debattiert wurde. Die Initiative<br />
betonte, dass Konfliktlinien <strong>der</strong> Vergangenheit auf ihre politischen<br />
<strong>und</strong> sozialen, mitunter kulturellen, wirtschaftlichen o<strong>der</strong> konfessionellen<br />
Ursachen hin analysiert werden müssten <strong>und</strong> nicht als rein ethnische Probleme<br />
umgedeutet werden dürften, weil sonst die Gefahr bestehe, dass ein<br />
völkisches Verständnis von Vergangenheit, Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft zementiert<br />
würde. 56 Dass das „SFVV-Eckpunktepapier“ kollektivierend ausgerichtet<br />
ist – man denke zum Beispiel an die geplante begehbare Landkarte<br />
<strong>und</strong> den Anspruch, hier die Schicksale von mehr als 30 vertriebenen ethnischen<br />
Gruppen darzustellen –, ist vor diesem Hintergr<strong>und</strong> sehr bedenklich. 57<br />
55 Vgl. Joachim von Puttkamer, Irrwege des Erinnerns. Die Ausstellung „Erzwungene Wege“<br />
im Berliner Kronprinzenpalais, in: Monika Gibas/Rüdiger Stutz/Justus H. Ulbricht (Hrsg.),<br />
Couragierte Wissenschaft. Eine Festschrift für Jürgen John zum 65. Geburtstag, Jena 2007,<br />
S. 174–190, insb. S. 180 ff.<br />
56 Siehe einen entsprechenden Internetaufruf vom 10.8.2003 mit dem Titel „Für einen kritischen<br />
<strong>und</strong> aufgeklärten Vergangenheitsdiskurs“, URL: <br />
[23.11.2011].<br />
57 Auch wenn ihr strukturvergleichen<strong>der</strong> Ansatz positiv zu bewerten ist, gilt Gleiches für ein<br />
weiteres, von Sabine Vogel vorgeschlagenes Ausstellungskonzept. Sie schlug vor, eine Ausstellung<br />
über die europäischen Vertreibungen „nach den jeweiligen ethnischen Gruppen“<br />
zu glie<strong>der</strong>n. Siehe Sabine Vogel, Vertreibung <strong>ausstellen</strong>. Überlegungen zu einem Museumskonzept,<br />
in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 53, 2005, S. 969–976.