"Flucht und Vertreibung" ausstellen - aber wie? - Bibliothek der ...
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Hingegen haben es die Autoren <strong>der</strong> „Konzeptionellen Überlegungen“ bewusst<br />
vermieden, eine Ausstellung nach ethnischen, vermeintlich homogenen<br />
Opfergruppen zu ordnen. Ihr topografischer Ansatz <strong>und</strong> beson<strong>der</strong>s die<br />
problemorientierten Leitfragen „Staat – Nation – Rasse“ <strong>und</strong> „Zusammenleben“<br />
eröffnen vielmehr die Möglichkeit, sowohl die politische, soziale <strong>und</strong><br />
kulturelle Heterogenität in <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Leidtragenden von Vertreibungen<br />
zu berücksichtigen als auch eine nötige differenzierende Ursachenanalyse<br />
mit historischer Tiefenschärfe zu betreiben, indem einerseits politische<br />
Vorgaben <strong>und</strong> ihre konkreten lokalen Auswirkungen beachtet, an<strong>der</strong>erseits<br />
die lokalen Akteure einschließlich ihrer Interessen <strong>und</strong> Handlungsspielräume<br />
betrachtet werden können. 58<br />
Ein weiteres Problem von musealen Konzepten, die <strong>wie</strong> „Erzwungene Wege“<br />
<strong>und</strong> das „SFVV-Eckpunktepapier“ chronologisch <strong>und</strong> nach vermeintlich<br />
homogenen Opfer- <strong>und</strong> Schicksalsgruppen geordnet sind, besteht darin,<br />
dass es ihnen nur schwerlich gelingen kann, die Zusammenhänge zwischen<br />
den verschiedenen europäischen Zwangsmigrationsphänomen des Zweiten<br />
Weltkriegs deutlich herauszuarbeiten. Mit ausgewählten topografischen<br />
Modulen lässt sich jedoch trefflich zeigen, in<strong>wie</strong>weit die NS-Volkstums<strong>und</strong><br />
Vernichtungspolitik in einem konkreten ursächlichen Zusammenhang<br />
stand mit <strong>der</strong> „<strong>Flucht</strong> <strong>und</strong> Vertreibung <strong>der</strong> Deutschen“ einerseits <strong>und</strong> mit<br />
an<strong>der</strong>en europäischen Vertreibungsphänomenen <strong>der</strong> Jahre 1938-1950 an<strong>der</strong>erseits.<br />
Diesbezüglich stellte Joachim von Puttkamer in einem pointierten<br />
Statement die Vorzüge <strong>der</strong> „Konzeptionellen Überlegungen“ gegenüber <strong>der</strong><br />
58 Vgl. dazu auch Michael Wildt, Biopolitik, ethnische Säuberungen <strong>und</strong> Volkssouveränität.<br />
Eine Skizze, in: Mittelweg 36 15, 2006, S. 87–106, insb. S. 105f. Wildt for<strong>der</strong>t hier, dass bei<br />
<strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Gewaltpolitiken des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts die Begründungen <strong>und</strong> Selektionsmechanismen<br />
<strong>der</strong> Täter detailliert beachtet werden müssten, das heißt, dass <strong>der</strong> Frage nachzugehen<br />
sei, „wer aufgr<strong>und</strong> welcher Gründe <strong>wie</strong> verfolgt wird“. – Für einen differenzierenden<br />
Blick auf unterschiedliche Vertreibungsursachen plädiert auch Ingo Eser, Wi<strong>der</strong> das<br />
Prinzip ethnischer Homogenität. Der Verbleib deutscher Min<strong>der</strong>heiten in Ostmitteleuropa<br />
nach dem Ende von Vertreibung <strong>und</strong> Zwangsaussiedlung, in: Frank-Lothar Kroll/Hendrik<br />
Thoß (Hrsg.): Europas verlorene <strong>und</strong> <strong>wie</strong><strong>der</strong>gewonnene Mitte. Das Ende des Alten Reiches<br />
<strong>und</strong> die Entstehung des Nationalitätenproblems im östlichen Mitteleuropa, Berlin 2011, S.<br />
233–251.