Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut
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eine Kontinuität zu den etablierten Frauenrechtsorganisationen herzustellen, gelingt<br />
es den Autorinnen jedoch nicht, das Spezifische <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen zu<br />
fassen. Insbeson<strong>der</strong>e die Konstituierungsphase <strong>der</strong> Trägergruppen <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen<br />
Ende <strong>der</strong> sechziger Jahre bleibt wenig beleuchtet. In dem Maße wie sich<br />
Frauenstudien und Frauenforschung in den staatlichen Forschungsinstitutionen in<br />
Frankreich etablieren konnten, nahmen dort in den späten achtziger und neunziger<br />
Jahren einige Wissenschaftlerinnen die Forschungsarbeit über die Geschichte des<br />
Mouvement pour la libération des femmes auf. Beson<strong>der</strong>s erwähnenswert ist das<br />
umfassende, von Françoise Picq geleitete Projekt am Centre National de la Recherche<br />
Scientifiques (CNRS) "Le mouvement de libération des femmes et ses effets<br />
sociaux". 46 Für die Bundesrepublik ist Geschichte <strong>der</strong> Frauenbewegung für die siebziger<br />
Jahre noch weitgehend ein Desi<strong>der</strong>at, sieht man von den skizzenhaften Darstellungen<br />
<strong>der</strong> Sozialen Bewegungsforschung und überblicksartigen Gesamteinschätzungen<br />
ab. 47 Die soziologisch orientierte Frauenforschung setzt verstärkt erst bei <strong>der</strong><br />
Erforschung <strong>der</strong> <strong>Institut</strong>ionalisierungsformen und Internationalisierungsprozesse <strong>der</strong><br />
aktuellen Frauenbewegungen und ihrer Wirkungen ein. 48 Einzig lokale und regionale<br />
Fallstudien liefern zum Teil beeindruckende, auch über den Einzelfall hinaus generalisierbare<br />
Ergebnisse. 49<br />
Diese Regionalstudien betonen die starke lokale Verankerung <strong>der</strong> Gruppen, Diskussionsforen<br />
und Organisationen als Charakteristikum <strong>der</strong> Frauenbewegungen. Eine<br />
Geschichte <strong>der</strong> Bewegungen hat dieser geographischen Breite und damit auch lokalen<br />
"Ungleichzeitigkeiten" Rechnung zu tragen, die es nachfolgend noch näher zu<br />
charakterisieren und län<strong>der</strong>spezifisch zu differenzieren gilt. Jedoch, so tiefgehend die<br />
Frauenbewegungen durch eine dezentrale Organisationsweise geprägt waren, so sehr<br />
erhielten sie ihre Stoßkraft erst durch das Zusammenwirken <strong>der</strong> vielfältigen Initiativen.<br />
Ich halte zwar die lokalgeschichtliche Perspektive für unverzichtbar, meine<br />
aber, dass eine analytisch orientierte Studie sich nicht mit einer Addition von Fallstudien<br />
begnügen kann, son<strong>der</strong>n darauf zielen sollte, die strukturierenden Elemente<br />
des Aktionszusammenhangs in beiden Bewegungen zu bestimmen. Gerade für die<br />
Aktionen gegen das Abtreibungsverbot, im Zuge <strong>der</strong>er viele Gruppen entstanden,<br />
sind die Wechselwirkungen zwischen lokaler und nationaler Ebene und die Zeitpunkte<br />
und Instanzen übergreifen<strong>der</strong> Koordination von entscheiden<strong>der</strong> Bedeutung.<br />
Quellenbasis<br />
46 Picq 1987. Aus dem Projekt ist 1993 eine Monographie hervorgegangen, auf die im Folgenden<br />
rekurriert wird. Ich danke Françoise Picq für die Bereitschaft, mir die Ergebnisse ihrer Interviewrecherche<br />
zur Verfügung zu stellen. Weitere Studien werden an entsprechen<strong>der</strong> Stelle im<br />
Text angeführt.<br />
47 Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang weitere Arbeiten von Ute Gerhard, von denen<br />
die wichtigste zusammengestellt sind in: Gerhard 1999.<br />
48<br />
Für einen Überblick: Lenz/Mal/Klose 2000. Zur Einführung siehe auch: Dackweiler/Schäfer<br />
1998.<br />
49<br />
Exemplarisch: Karras 1989; Dackweiler 1995; Poppenhusen 1993; Schäfer/Wilke 2000.<br />
19