Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut
Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut
Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Aufbau <strong>der</strong> Untersuchung<br />
<strong>Der</strong> Aufbau <strong>der</strong> Arbeit versucht, den Erfor<strong>der</strong>nissen einer zugleich chronologischen<br />
und systematischen Darstellung gerecht zu werden. Die Geschichte <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen<br />
wird von ihren ersten Erscheinungsformen bis zu ihrer gesellschaftlichen<br />
Verankerung verfolgt. <strong>Der</strong> Schwerpunkt <strong>der</strong> Untersuchung liegt auf den Jahren<br />
1968 bis 1975/76, und damit <strong>der</strong> Konstituierungs-, Formierungs- und Mobilisierungsphase<br />
<strong>der</strong> sozialen Bewegungen. Die Arbeit umfasst sechs Kapitel. <strong>Der</strong> einleitende<br />
Abschnitt "Zur Morphologie <strong>der</strong> Bewegungen" verdeutlicht zunächst, wie<br />
schwierig es ist, die Sozialstruktur <strong>der</strong> Akteurinnen eindeutig zu bestimmen. Anschließend<br />
stellt er einzelne Biographien herausragen<strong>der</strong> Akteurinnen vor und versucht,<br />
in Auseinan<strong>der</strong>setzung mit makrosoziologischen Erklärungen <strong>der</strong> Entstehung<br />
<strong>der</strong> Frauenbewegungen, Charakteristika <strong>der</strong> Aktivistinnen, Anhängerinnen und Sympathisantinnen<br />
<strong>der</strong> Bewegungen aufzuzeigen.<br />
Das zweite Kapitel "Die Frauenfrage: Kognitive Grundlagen <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen"<br />
wendet sich <strong>der</strong> kognitiven Orientierung <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen<br />
zu. Ins Zentrum rücken Deutungen <strong>der</strong> Unterdrückung <strong>der</strong> Frau, auf welche die Frauenbewegungen<br />
sich berufen haben und auf <strong>der</strong>en Grundlage sie ihr Selbstverständnis<br />
ausprägten. 53 Die zentralen Elemente dieses Selbstverständnisses werden herausgearbeitet,<br />
um das "Neue" <strong>der</strong> neuen Frauenbewegung zu unterstreichen.<br />
Das dritte Kapitel "'1968': Frauen in <strong>der</strong> Bewegung – Die Bewegung <strong>der</strong> Frauen"<br />
fragt nach <strong>der</strong> Bedeutung <strong>der</strong> 68er Bewegung für die Entstehung <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen.<br />
Es verschränkt eine Analyse <strong>der</strong> Entstehungsvoraussetzungen <strong>der</strong> ersten<br />
Frauengruppen in <strong>der</strong> 68er Bewegung mit <strong>der</strong> Rekonstruktion <strong>der</strong> Interaktionsdynamik<br />
zwischen revoltierenden Frauen in <strong>der</strong> 68er Bewegung und <strong>der</strong>en männlichen<br />
Trägern. Auf dieser Grundlage werden Formierungs- und erste Vernetzungsprozesse<br />
sowie die Entwicklung <strong>der</strong> ersten Frauengruppen entfaltet und analysiert.<br />
Das vierte Kapitel "<strong>Der</strong> <strong>lange</strong> <strong>Atem</strong> <strong>der</strong> <strong>Provokation</strong>: Mobilisierung gegen die<br />
Kriminalisierung <strong>der</strong> Abtreibung" ist dem Protest gegen das Verbot <strong>der</strong> Abtreibung<br />
gewidmet. Orientiert am Verlauf <strong>der</strong> Proteste zwischen Frühjahr 1971 und <strong>der</strong> Verabschiedung<br />
<strong>der</strong> Reformgesetze 1974 (Frankreich) beziehungsweise 1975/76 (Bundesrepublik<br />
Deutschland), nimmt es eine Periodisierung <strong>der</strong> Mobilisierungsprozesse<br />
vor, um die Trägergruppen in den jeweiligen Phasen, ihr Verhältnis untereinan<strong>der</strong>,<br />
Entstehung und Zerfall von Koalitionen sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten<br />
in <strong>der</strong> Strukturierung <strong>der</strong> Proteste in Frankreich und <strong>der</strong> Bundesrepublik zu ermitteln.<br />
53 Wie die neuere Kulturgeschichte gezeigt hat, werden Deutungsmuster von historischen Akteuren<br />
nicht direkt übernommen, son<strong>der</strong>n in bestimmten Handlungskonstellationen und vor dem<br />
Hintergrund spezifischer intellektueller Vorprägungen selektiv angeeignet und umgesetzt. Erst<br />
vor diesem Hintergrund wird verständlich, inwiefern die Frauenbewegungen in Frankreich und<br />
<strong>der</strong> Bundesrepublik durch dieselben Paradigmen beeinflusst wurden und dennoch ihr nationalspezifisches<br />
Profil ausprägten. Zur Programmatik einer Kulturgeschichte als Aneignungsgeschichte<br />
vgl. Chartier 1989a.<br />
21