Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut
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problème du travail de la mère de famille." 92 Die Gründe für die Verän<strong>der</strong>ung professioneller<br />
Karrieren von Frauen sind auf unterschiedlichen Ebenen zu suchen. Die<br />
verän<strong>der</strong>te Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt spielte darin ebenso eine Rolle wie <strong>der</strong><br />
Wandel von Haltungen und Einstellungen gegenüber <strong>der</strong> Erwerbstätigkeit von Frauen.<br />
Schließlich lieferte ein seit dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t verankertes und seit dem Zweiten<br />
Weltkrieg verstärkt ausgebautes, flächendeckendes und ganztägiges Kin<strong>der</strong>betreuungssystem<br />
93 die Voraussetzung für die außerhäusliche Berufstätigkeit von Müttern,<br />
auch wenn die Verteilung <strong>der</strong> Verantwortlichkeiten zwischen Vätern und Müttern<br />
unverän<strong>der</strong>t blieb.<br />
Für die westdeutsche Wirtschaft waren seit den fünfziger Jahren ebenfalls hohe<br />
Wachstumsraten und ökonomische Prosperität kennzeichnend. Dieser durch den<br />
konjunkturellen Einbruch 1966/67 nur kurzzeitig unterbrochene Langzeittrend kam<br />
erst mit <strong>der</strong> so genannten "Ölkrise" 1973/74 zum Stillstand. Wie in Frankreich stieg<br />
auch in <strong>der</strong> Bundesrepublik zwischen 1950 und den siebziger Jahren die Nachfrage<br />
nach weiblichen Arbeitskräften. Mit dem Anwachsen des tertiären Sektors stieg <strong>der</strong><br />
Anteil <strong>der</strong> Frauen im Dienstleistungsbereich stetig. 1970 war jede zweite erwerbstätige<br />
Frau auf diesem Sektor beschäftigt. Im Gegenzug nahm <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> weiblichen<br />
Erwerbstätigen in <strong>der</strong> Landwirtschaft kontinuierlich ab.<br />
1950 1961 1970 1980<br />
Landwirtschaft 35,2 19,7 10,6 7<br />
Dienstleistung 31,0 44,3 51,8 63,4<br />
(Quelle: Frevert 1986, 291)<br />
Tabelle 2: Anteil (in %) <strong>der</strong> weiblichen<br />
Erwerbspersonen nach Sektoren (BRD)<br />
In <strong>der</strong> Bundesrepublik begünstigte <strong>der</strong> Ausbau des Dienstleistungssektors die Durchsetzung<br />
<strong>der</strong> Teilzeitarbeit als Arbeitsform für Frauen. Das Angebot von Teilzeitarbeit<br />
galt seit Anfang <strong>der</strong> fünfziger Jahre als geeignetes Mittel, um verheiratete Frauen und<br />
Mütter für den Arbeitsmarkt zu mobilisieren, ohne, wie in Frankreich, die Kin<strong>der</strong>betreuung<br />
in staatliche Hände zu geben. Die Vorbehalte gegen die außerhäusliche Erwerbstätigkeit<br />
von Frauen, insbeson<strong>der</strong>e von verheirateten Frauen und Müttern,<br />
blieben bestehen, doch handelte man, so Christine von Oertzen, in <strong>der</strong> Debatte um<br />
Teilzeitarbeit einen Konsens darüber aus, wie die Erwerbsarbeit von Ehefrauen "in<br />
das sozialstaatliche Gefüge, die Werthaltungen <strong>der</strong> Republik und ihre Gesellschaftsordnung"<br />
94 einzufügen sei.<br />
92 Ebd.<br />
93 Mit 50 900 Ganztagsbetreuungsplätzen war Frankreich innerhalb <strong>der</strong> EG 1972/73 nach Irland<br />
führend. Die Bundesrepublik kam mit 19 243 Plätzen erst an fünfter Stelle. Vgl. die Zusammenstellung<br />
in: Saltiel/Sullerot 1974, 231.<br />
94 Oertzen 2000. Teilzeitbeschäftigung für die sechziger und siebziger Jahre quantitativ exakt zu<br />
fassen, erweist sich als schwierig. Einen Trend zeigen die vorliegenden Daten jedoch eindeutig:<br />
Zwischen 1960 und 1971 hatte sich <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> lohnarbeitenden Frauen in Teilbeschäftigung<br />
mehr als verdoppelt. <strong>Der</strong> Anteil stieg von 7,1 % (Oktober 1960) auf 19,3 % (April 1971). Be-<br />
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