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Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut

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Bundesrepublik und an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n. In seinem Zentrum stand die<br />

Analyse des "Patriarchats" als umfassende Bezeichnung für die dominierende Organisationsform<br />

von Macht und Herrschaft. Die Autorin hob insbeson<strong>der</strong>e die kulturelle<br />

Konstruktion <strong>der</strong> Geschlechterverhältnisse hervor. Das Verhältnis zwischen Männern<br />

und Frauen spiegele keine natürliche Überlegenheit des Mannes wi<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

drücke den männlichen Machtanspruch aus, sei also in hohem Maße kulturell bedingt.<br />

Ziel des weiblichen Aufbegehrens war für Millett, die Geschlechterrollen zu<br />

revolutionieren. Durch die Abschaffung <strong>der</strong> Kleinfamilie und die Entideologisierung<br />

von Mutterschaft und Ehe gelte es, das Alltagshandeln zu verän<strong>der</strong>n und damit eine<br />

Transformation einzuleiten. Dies sei ein politischer Akt. Allein aus ihrer numerischen<br />

Stärke und <strong>der</strong> Tatsache, dass Frauen das am meisten unterdrückte Element <strong>der</strong><br />

Gesellschaft darstellten, folge, dass die Frauenbewegung eine führende Rolle haben<br />

werde, um durch eine soziale Revolution einen in Ausmaß und Wirkung alles bislang<br />

Dagewesene übertreffenden Emanzipationsprozess einzuleiten.<br />

"The Dialectic of Sex" und "Sexual Politics" sind Versuche, die Verteilung von<br />

Macht und Herrschaft zwischen Männern und Frauen umfassend zu analysieren und<br />

Wege zu einer tief greifenden Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Geschlechterverhältnisse aufzuzeigen.<br />

Das feministische Projekt sollte reproduktive Arbeiten umverteilen, die ökonomische<br />

Unabhängigkeit von Frauen und Kin<strong>der</strong>n herstellen, <strong>Institut</strong>ionen abschaffen,<br />

die <strong>der</strong>en Unterdrückung verstärkten und sexuelle Freiheit durch eine Verän<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Sexualpolitik gewährleisten. Zwei an<strong>der</strong>e Texte aus <strong>der</strong> amerikanischen Frauenbewegung<br />

wurden im Kontext <strong>der</strong> europäischen Frauenbewegungen vor allem wegen<br />

ihrer konkreten Handlungsanweisungen ebenfalls stark beachtet: Pamela Allens<br />

Entwurf eines Kleingruppenkonzepts als Organisationsform <strong>der</strong> Frauenbewegung<br />

sowie Anne Koedts Ausführungen zum "Mythos des vaginalen Orgasmus". 151<br />

Pamela Allen, die als ehemalige Anhängerin des SNCC 1968 zu einer <strong>der</strong> ersten<br />

Frauengruppen in San Francisco, Sudsofloppen, stieß, machte mit ihrem 1970 erstmals<br />

erschienen Aufsatz "Free Space" die Praxis dieser Frauengruppe bekannt. 152 Sie<br />

sei beson<strong>der</strong>s geeignet, "Frauen zur Festigung einer eigenen Wahrnehmung <strong>der</strong> Realität<br />

und zu einem Denken zu befreien, das unabhängig ist von männlichen Werten."<br />

153 Die Gruppe strebte einen kollektiven Lernprozess an, <strong>der</strong> als "Consciousnessraising"<br />

(C.R.) bezeichnet wurde. "Consciousness-raising" sollte als Gruppenprozess<br />

in vier Schritten vollzogen werden: Ausgangspunkt war die "Selbstdarstellung",<br />

verstanden als "persönliche Notwendigkeit" je<strong>der</strong> einzelnen Frau, "die eigenen Gefühle<br />

[...] zuzulassen und auch auszudrücken." 154 Dieser Schritt war die notwendige<br />

Voraussetzung für die Entstehung von Vertrauen und Solidarität unter Frauen. In<br />

nen ihrer Analyse <strong>der</strong> Funktion von Geschlecht und Sexualität in <strong>der</strong> Gesellschaft und ihrer<br />

Darstellung in <strong>der</strong> Literatur bekannt.<br />

151 Zur Rezeption s.u., Kapitel IV.<br />

152 Allen 1971. <strong>Der</strong> Text erschien 1970 bereits in Times change Press.<br />

153 Ebd., 63. Hier und im Folgenden zitiert nach <strong>der</strong> deutschen Übersetzung, die 1972 unter dem<br />

Titel "<strong>Der</strong> Freiraum" erschien, vgl. Arbeitskollektiv <strong>der</strong> Sozialistischen Frauen Frankfurt 1972.<br />

154 Ebd., 66.<br />

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