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Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut

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<strong>der</strong> Fachzeitschrift Frauen und Film im Jahre 1974. Die Entstehungsphase <strong>der</strong> neuen<br />

Frauenbewegung in <strong>der</strong> Bundesrepublik gab San<strong>der</strong> schließlich den Stoff für den<br />

1980 gedrehten Film "<strong>Der</strong> subjektive Faktor".<br />

Helke San<strong>der</strong>s Werdegang bietet Gelegenheit, den Bogen zu den an<strong>der</strong>en vorgestellten<br />

Lebenswegen zu schlagen. Hervorzuheben sind bei allen vier Biographien<br />

ein häufiger Ortswechsel, mit Ausnahme von Antoinette Fouque auch jenseits <strong>der</strong><br />

Landesgrenzen, die Aneinan<strong>der</strong>reihung unterschiedlicher Arbeitskontexte und die<br />

Kontinuität zu früherem Engagement. Bei <strong>der</strong> beruflichen Tätigkeit fällt auf, dass die<br />

Mehrzahl <strong>der</strong> Protagonistinnen im geistes- o<strong>der</strong> sozialwissenschaftlichen bzw. kulturellen<br />

Bereich arbeitete. Diese Tätigkeiten eröffneten wertvolle Ressourcen für die<br />

Frauenbewegung: Schwarzer und Fouque hatten Erfahrungen und Kontakte im Bereich<br />

<strong>der</strong> Presse, während Helke San<strong>der</strong> das Medium Film in den Dienst nahm. Christine<br />

Delphy hatte als Sozialwissenschaftlerin am CNRS eine privilegierte Position<br />

inne, die es ihr erlaubte, wissenschaftliches und feministisches Engagement zu verbinden<br />

und ihre Reflexionen zugleich einer feministischen und einer interessierten<br />

Fachöffentlichkeit zur Diskussion zu stellen.<br />

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen <strong>der</strong> französischen und <strong>der</strong> deutschen<br />

Frauenbewegung lassen sich, das hat die voranstehende Analyse gezeigt, am<br />

besten präzisieren, wenn man zwischen den Aktiven in den Trägergruppen <strong>der</strong> Bewegungen<br />

einerseits und den mobilisierten Anhängerinnen an<strong>der</strong>erseits differenziert.<br />

Diese Untersuchungseinheiten lassen sich nach den Kriterien des Alters, <strong>der</strong> geographischen<br />

Herkunft und <strong>der</strong> sozio-professionellen Lage beschreiben. Betrachtet man<br />

zunächst das Alter, so fällt für beide Län<strong>der</strong> übereinstimmend auf, dass die Mobilisiererinnen<br />

durchschnittlich einige Jahre älter sind als die Anhängerinnen <strong>der</strong> Frauenbewegung.<br />

Gehören die ersten den 1935er bis 1945er Jahrgängen an, zählen letztere<br />

mehrheitlich zu den geburtenstarken Jahrgängen 1947/48 o<strong>der</strong> später. Was die<br />

geographische Herkunft angeht, unterscheiden sich die beiden Län<strong>der</strong>. Während <strong>der</strong><br />

Mouvement pour la libération des femmes anfangs ausschließlich auf die Hauptstadt<br />

Paris beschränkt ist und mit wenigen Ausnahmen (beispielsweise Toulouse und<br />

Lyon) <strong>lange</strong> bleibt, gibt es in <strong>der</strong> Bundesrepublik von Beginn an mehrere Mobilisierungszentren.<br />

83 Obwohl die Trägergruppen auch hier aus dem großstädtischen und<br />

studentischen Milieu kamen, vergrößerte sich die regionale und lokale Basis <strong>der</strong><br />

deutschen Frauenbewegung schneller. Das zeigt die Rekrutierungsbasis <strong>der</strong> Proteste<br />

gegen den Paragraphen 218. Im Hinblick auf die sozio-professionelle Situation und<br />

den Familienstand lässt sich für beide Län<strong>der</strong> sagen, dass mehrheitlich unverheiratete,<br />

(überwiegend) kin<strong>der</strong>lose Studentinnen o<strong>der</strong> Frauen, die bereits eine (Hochschul-)<br />

Ausbildung abgeschlossen hatten, den aktiven Kern <strong>der</strong> Mobilisierung stellten. In<br />

Bezug auf die Anhängerschaft zeichnen sich dagegen län<strong>der</strong>spezifische Merkmale<br />

ab. Für Frankreich lässt sich zeigen, dass die Anhängerinnen die gleichen sozialstrukturellen<br />

Merkmale aufwiesen wie die Initiatorinnen <strong>der</strong> Trägergruppen: Mobilisiert<br />

wurden in erster Linie angehende o<strong>der</strong> ausgebildete Akademikerinnen, Ärztin-<br />

83 Die Entwicklungen werden im Einzelnen im Kapitel IV. geschil<strong>der</strong>t.<br />

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