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Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut

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an<strong>der</strong>en Bestimmungen unterworfen als in <strong>der</strong> Privatarbeit. Daraus entsteht eine<br />

"doppelt gefügte Wi<strong>der</strong>spruchsstruktur" (Becker-Schmidt), welche die soziale Realität<br />

für Frauen als "segregierte und hierarchische" gestaltet und zu einer "Erfahrungsdimension"<br />

werden lässt, die allen Frauen gemeinsam ist. 110<br />

In Bezug auf die Frauenbewegung heißt das, dass die "im Geschlechterverhältnis<br />

organisierte, alle gesellschaftlichen Bereiche strukturierende Geschlechtertrennung, -<br />

differenz und -benachteiligung" 111 als Ursache für das Wi<strong>der</strong>standshandeln von Frauen<br />

zu verstehen sind. Ausgehend von <strong>der</strong> Annahme einer "doppelten und wi<strong>der</strong>sprüchlichen<br />

Vergesellschaftung von Frauen", können Themen- und Handlungsfel<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> neuen Frauenbewegung auf die Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit <strong>der</strong> Wirkungsbereiche von<br />

Frauen zurückgeführt werden.<br />

Insgesamt versuchen die strukturalistischen o<strong>der</strong> strukturanalytisch geprägten<br />

Deutungen diese Auswirkungen ökonomischer und sozialer Verän<strong>der</strong>ungen auf die<br />

Geschlechterverhältnisse zu erfassen. Die Studien zeigen, dass <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung <strong>der</strong><br />

Frauenbewegungen, geschlechtsspezifischer Herrschaftsverhältnisse zu verän<strong>der</strong>n,<br />

strukturelle Entwicklungen vorausgingen, in <strong>der</strong>en Verlauf die "materielle[n] und<br />

gesellschaftliche[n] Grundlagen <strong>der</strong> Geschlechterbeziehungen" 112 erschüttert wurden.<br />

Von diesen Beobachtungen kann eine Analyse <strong>der</strong> neuen Frauenbewegungen profitieren.<br />

Sie lenken die Aufmerksamkeit auf die Herkunft <strong>der</strong> Trägergruppen und Unterstützerinnen<br />

<strong>der</strong> sozialen Bewegungen und verweisen auf Konfliktpotentiale, die<br />

aus strukturellen Entwicklungen resultieren. Wie aber hängen strukturelle Entwicklungen<br />

und ihre innere Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit mit <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> Frauenbewegung<br />

zusammen? Diese Frage steht im Zentrum eines weiteren Forschungsansatzes. Dieser<br />

zieht nicht die faktische Benachteiligung gesellschaftlicher Gruppen zur Erklärung<br />

von Protestverhalten, son<strong>der</strong>n die Bedeutung sozialpsychologischer Verarbeitungsmechanismen<br />

erfahrener Ungleichheitsverhältnisse für die Erklärung von kollektivem<br />

Protestverhalten heran.<br />

2.2 Die sozialpsychologische Deutung: Relative Deprivation<br />

Ein Blick auf die Lie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Frauenbewegung, die aus den Anfängen <strong>der</strong> siebziger<br />

Jahre stammen, zeigt: Gesellschaftliche Benachteiligung zählte zu den Protestmotiven<br />

<strong>der</strong> Anhängerinnen <strong>der</strong> Frauenbewegung. Frauen sind, so heißt es in dem Lied<br />

"Frauenglück" einer Münchener Frauengruppe aus dem Jahre 1973, auf einen Versorger<br />

angewiesen: "Eltern o<strong>der</strong> auch 'nen Ehemann/weil uns're Löhne so beschissen,<br />

so niedrig, ein Skandal sind." In <strong>der</strong> ersten, nahezu legendären Frauenhymne "Frauen<br />

gemeinsam sind stark" stehen schlechte Bezahlung und Arbeitsverhältnisse im Mit-<br />

110 Vgl. Dackweiler 1995, 155f.<br />

111 Ebd., 161.<br />

112 Lefaucheur 1995, 463.<br />

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