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Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut

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schaften, an<strong>der</strong>erseits durch Vordenker einer neuen linken Theorie vorgenommen<br />

wurden. Das folgende Kapitel skizziert die jeweils unterschiedlichen Verhaltens- und<br />

Handlungsgebote <strong>der</strong> bereits im Vorfeld <strong>der</strong> Frauenbewegungen zirkulierenden Paradigmen,<br />

da diese, so die These, die kognitive Struktur <strong>der</strong> neuen Frauenbewegung<br />

beeinflusst haben.<br />

1. "Sisterhood is powerful": <strong>Der</strong> amerikanische Radikalfeminismus<br />

<strong>Der</strong> Formierung <strong>der</strong> westdeutschen und <strong>der</strong> französischen Frauenbewegung ging die<br />

Mobilisierung des amerikanischen Women's Liberation Movement (Women's Lib)<br />

voraus. Als sich in Frankreich und <strong>der</strong> Bundesrepublik zögernd die ersten autonomen<br />

Frauengruppen konstituierten, hatte sich in den Vereinigten Staaten bereits ein breites<br />

Netz von Frauenorganisationen und Frauengruppen entfaltet. Als erstes Anzeichen<br />

eines neuen feministischen Engagements war im Juni 1966 die National Organization<br />

for Women (NOW) entstanden. Zu den Initiatorinnen gehörte die Soziologin,<br />

Psychologin und Publizistin Betty Friedan. Ihr Buch "The Feminine Mystique" erschien<br />

1963 in den USA, 1964 in französischer und 1966 in deutscher Übersetzung<br />

und wurde zu einem Bestseller. Welches waren die Grundgedanken dieses Werks?<br />

Friedan entwarf eine kritische Analyse <strong>der</strong> amerikanischen Gesellschaft. Sie zeigte,<br />

dass Werbung, Massenmedien und an<strong>der</strong>e Ideologie vermittelnde <strong>Institut</strong>ionen die<br />

Vorstellung von einem erfüllten Daseins als Hausfrau und Mutter hervorbrachten.<br />

Sie belegte anhand zahlreicher Interviews, wie wenig diese Ideologie <strong>der</strong> tatsächlichen<br />

Erfahrung von Frauen entsprach. Allein zum Zweck <strong>der</strong> "Absatzsteigerung"<br />

werde als Frauenbild ein "Weiblichkeitswahn" in Szene gesetzt und in Kauf genommen,<br />

dass Frauen, die tagtäglich gegen das Gefühl ankämpfen, dass es "im Leben<br />

noch mehr geben müsse", ihr "Glück" in einer perfekten Anpassung an dieses Weiblichkeitsideal<br />

suchten. Laut Friedan reagierten viele Frauen auf ihre Sehnsüchte nach<br />

einem erfüllten Dasein mit dem Selbstvorwurf, sie seien undankbar, zu anspruchsvoll<br />

o<strong>der</strong> unweiblich. Friedan propagierte stattdessen eine individuelle Lebensplanung:<br />

Eine Frau könne sich nur verwirklichen, indem sie ihr Leben so führe, dass es eigene<br />

Bedürfnisse sowie die Ansprüche des Partners und <strong>der</strong> Familie zugleich berücksichtige.<br />

Zentraler Schlüssel zur Selbstbefreiung war für Friedan die Berufstätigkeit:<br />

"Wie für einen Mann führt auch für eine Frau <strong>der</strong> einzige Weg zu sich selbst über<br />

schöpferische Arbeit." 130 Berufstätigkeit, Ehe und Mutterschaft sollten sich dabei<br />

nicht grundsätzlich ausschließen, auch wenn dies allgemein angenommen werde. Das<br />

Ziel sei, das Erziehungs- und Betreuungswesen zu verbessern, die Löhne von Män-<br />

130 Friedan 1963, 226. Hier und im Folgenden zitiert nach <strong>der</strong> erweiterten Neuausgabe, Reinbek<br />

1970.<br />

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