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Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut

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Kaffee kochten, verdeutlichte dies aus ihrer Sicht ebenso wie die Weigerung des<br />

SNCC und des SDS, die Frauenproblematik auf ihre Agenda zu setzen. 138<br />

Ab 1967 begannen Frauen, in vielen Städten <strong>der</strong> Vereinigten Staaten autonome<br />

Frauengruppen zu gründen, darunter die New York Radical Women, die Gruppe<br />

Women's Liberation in Berkeley und das Bostoner Kollektiv Bread and Roses. Nicht<br />

nur die radikalen Feministinnen in New York erklärten die feministische Parteinahme<br />

als "politisch" und die Unterdrückung <strong>der</strong> Frau als Form "politischer Unterdrückung".<br />

Die Erkenntnis, "dass eine Gruppe von Individuen (Männer) überall in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft <strong>Institut</strong>ionen errichtet“ habe, um ihre "Machtposition zu erhalten ",139<br />

und dass Männer die Befreiung <strong>der</strong> Frauen nicht kampflos hinnehmen würden, habe<br />

zwangsläufig zur Folge, dass eine Kooperation - selbst mit den "progressivsten" -<br />

Männern nicht mehr denkbar sei. Eine <strong>der</strong> treibenden Kräfte in New York war Shulamith<br />

Firestone. Sie hatte ihre radikalen Thesen zum Zusammenhang von Frauenbefreiung<br />

und sexueller Revolution schon häufig vorgetragen, bevor sie 1970 mit ihrem<br />

Buch "The Dialectic of Sex" zur Bestsellerautorin wurde. 140<br />

Firestone widmete ihre Analyse <strong>der</strong> Geschlechterverhältnisse Simone de Beauvoir,<br />

die 1949 in "Das an<strong>der</strong>e Geschlecht" als Erste die Entmythologisierung <strong>der</strong><br />

Weiblichkeit vorgenommen hatte. Zugleich ging Firestone über Beauvoir hinaus,<br />

indem sie stärker als diese eine feministische Programmatik für die Verwirklichung<br />

einer befreiten Gesellschaft propagierte. Im Rückgriff auf Marx und Engels betrachtete<br />

sie die Geschichte <strong>der</strong> Menschheit als Geschichte von Kämpfen. Doch von <strong>der</strong><br />

Annahme ausgehend, dass es eine "Ebene <strong>der</strong> Realität" gebe, die "nicht direkt aus <strong>der</strong><br />

Ökonomie abzuleiten" 141 sei, legte sie in ihrer Geschichtsbetrachtung den Akzent<br />

nicht auf den Klassenkampf, son<strong>der</strong>n auf den Kampf <strong>der</strong> Geschlechter. Sie charakterisierte<br />

ihr Buch als den Versuch, "eine materialistische Geschichtsbetrachtung zu<br />

entwickeln, <strong>der</strong>en Ausgangspunkt das Geschlecht selber ist." 142 Eine solche Analyse<br />

müsse die Bereiche <strong>der</strong> Kultur, <strong>der</strong> Ökonomie und <strong>der</strong> Geschlechterverhältnisse<br />

(Firestone spricht von "dialectic of sex") verschränken. Gerade im Bereich <strong>der</strong> Kultur<br />

gehe mit <strong>der</strong> Trennung zwischen ästhetischer und technologischer Kultur eine Zuweisung<br />

geschlechtsspezifischer Sphären einher: Während Ästhetik traditionell als<br />

weibliche Domäne gelte, sei Technologie von je her männliches Terrain. Die "sexuelle<br />

Revolution", <strong>der</strong>en Programmatik Firestone entwickelte, setzte jedoch auch auf<br />

<strong>der</strong> Ebene des durch die Herrschaft des Kapitalismus geprägten Wirtschaft sowie den<br />

gesamten <strong>Institut</strong>ionalisierungsformen des Patriarchats an: bei <strong>der</strong> Aufhebung des<br />

138<br />

Die Frauen des SNCC formulierten bereits 1964 eine Resolution, die bei den männlichen Mitglie<strong>der</strong>n<br />

auf Ablehnung o<strong>der</strong> Ignoranz stieß. <strong>Der</strong> SDS verweigerte 1965 die Zustimmung zu einem<br />

von Frauen formulierten Memorandum und lehnte es noch im Juni 1968 ab, Frauenbefreiung<br />

in die Programmatik des SDS einzubeziehen. Vgl. Marwick 1998, 679ff.<br />

139<br />

New York Radical Feminist Manifesto, zitiert nach: Mitchell 1981, 45.<br />

140<br />

Vgl. Marwick 1998, 684.<br />

141<br />

Firestone 1970, 13. Hier und im Folgenden zitiert nach <strong>der</strong> deutschen Übersetzung, Frankfurt<br />

1975.<br />

142 Ebd.<br />

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