Der lange Atem der Provokation - Historisches Institut
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werbsarbeit: 1. die zunehmende Zahl von erwerbstätigen Ehefrauen und Frauen mit<br />
Kin<strong>der</strong>n im schulpflichtigen Alter, 2. <strong>der</strong> Vormarsch <strong>der</strong> Teilzeitarbeit und 3. <strong>der</strong><br />
Strukturwandel weiblicher Erwerbstätigkeit im Zuge allgemeiner Strukturverän<strong>der</strong>ungen.<br />
Die Verän<strong>der</strong>ungen auf dem Arbeitsmarkt gingen einher mit einem verstärkten<br />
Ausbau des Bildungswesens, <strong>der</strong> in vielen Län<strong>der</strong>n in den sechziger Jahren einsetzte<br />
und dazu führte, dass mehr Mädchen und Frauen als zuvor in die Schul- und<br />
Hochschulausbildung einbezogen wurden.<br />
Betrachten wir vor diesem Hintergrund die Transformationsprozesse in <strong>der</strong> Wirtschaft<br />
und im Bildungssystem Frankreichs. Die Zauberworte <strong>der</strong> französischen Wirtschaftsplanung<br />
in den sechziger Jahren lauteten "Mo<strong>der</strong>nisierung" und "Expansion".<br />
87 Die Wirtschaftsplaner for<strong>der</strong>ten, den industriellen Sektor umzustrukturieren<br />
sowie das Bildungs- und Ausbildungswesens effizienter zu gestalten. Die wirtschaftspolitischen<br />
Maßnahmen <strong>der</strong> sechziger Jahre verstärkten Wachstumsprozesse,<br />
die die französische Wirtschaft bereits seit dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t kennzeichneten. Ihre<br />
Auswirkungen ließen sich nach dem Zweiten Weltkrieg beson<strong>der</strong>s an <strong>der</strong> sich rasch<br />
wandelnden Beschäftigungsstruktur ablesen: Die Beschäftigung in <strong>der</strong> Landwirtschaft<br />
ging zurück und stieg in <strong>der</strong> Industrieproduktion und in <strong>der</strong> Dienstleistung<br />
an. 88 Das starke Wirtschaftswachstum führte Ende <strong>der</strong> fünfziger Jahre zu dramatischem<br />
Arbeitskräftemangel. Bereits 1950 waren in Frankreich mehr Frauen erwerbstätig<br />
als in irgendeinem an<strong>der</strong>en Land Europas: 49,5 % <strong>der</strong> Frauen im erwerbsfähi-<br />
ken erfassen die von Frauen geleistete Erwerbsarbeit nur unvollständig, da Frauen, die mithelfende,<br />
Heimarbeit, Gelegenheitsarbeit o<strong>der</strong> Schwarzarbeit leisten, schlecht registriert sind. Außerdem<br />
sind die nationalen Erhebungen in <strong>der</strong> Regel nicht vollständig. Vereinheitlichtes, aber<br />
eben wenig differenziertes Datenmaterial für den Untersuchungszeitraum liefern Studien <strong>der</strong><br />
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die hier, soweit<br />
möglich, herangezogen wurden. Erfasst wurden darin Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich,<br />
die BRD, Italien, Norwegen, Spanien, Schweden, die Schweiz und Großbritannien. Erst<br />
für die Entwicklung nach 1985 steht das standardisierte Datenmaterial von "Eurostat" zur Verfügung.<br />
Zur Problematik: Duchen 1994, 128ff.; Bakker 1988, nach <strong>der</strong> das OECD - Material<br />
hier zitiert wird.<br />
87 So erarbeitete ein Expertengremium, das 1959 durch ein Dekret berufen wurde, ein umfassendes<br />
Gutachten des wirtschaftlichen Status quo. Dieser "Bericht über die Hin<strong>der</strong>nisse für die<br />
wirtschaftliche Expansion" wurde dem Premierminister im Sommer 1960 vorgestellt (eine deutsche<br />
Übersetzung liegt vor als Heft 59 <strong>der</strong> Schriftenreihe des <strong>Institut</strong>s "Finanzen und Steuern",<br />
Bonn 1961).<br />
88 Zur Veranschaulichung dient die folgende Zusammenstellung:<br />
1949 1968 1980<br />
Landwirtschaft 29,6 15,6 8,6<br />
Industrie 33,1 37,4 35,2<br />
Dienstleistungen 37,3 47,0 56,2<br />
Tabelle 1 : Erwerbsquoten nach Sektoren (Frauen und Männer in %) in Frankreich (=Auszug<br />
aus Basisdaten zur Erwerbstätigkeit, in: Christadler/ Uterwedde 1999, 593.)<br />
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