29.01.2013 Aufrufe

Lesen mit Lust und Laune - DAAD-magazin

Lesen mit Lust und Laune - DAAD-magazin

Lesen mit Lust und Laune - DAAD-magazin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Nr. 1 april 2011, 31.Jg.<br />

Ägypten<br />

Auf dem Weg zur Demokratie<br />

Wirtschaft<br />

Wohlstand neu bemessen<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

Max-Planck-Gesellschaft feiert Jubiläum<br />

<strong>Lesen</strong> <strong>mit</strong> <strong>Lust</strong> <strong>und</strong> <strong>Laune</strong><br />

Die Deutschen lieben ihre Bücher


© <strong>DAAD</strong><br />

© axeptDESIGN.de<br />

Gestaltung: axeptDESIGN.de | © <strong>DAAD</strong> Oktober 2010<br />

2<br />

iNhalt<br />

Studienaufenthalte <strong>und</strong><br />

Praktika im Ausland<br />

Plakat_Goout_mal_raus.indd 2 07.04.11 15:39<br />

Gefragte Beobachterin:<br />

Ulrike Freitag leitet das Zentrum<br />

Moderner Orient in Berlin<br />

S.40<br />

titel:<br />

Bücher:<br />

Kulturgut in Deutschland<br />

S.12<br />

Ein Begriff:<br />

Hörforschung in Oldenburg<br />

S.20<br />

Mehr Bedeutung:<br />

Lebensqualität statt grenzenloses<br />

Wachstum<br />

S.24<br />

In Bewegung:<br />

Die Ferne lockt Studierende<br />

S.18<br />

© Daniel Jaeger Vendruscolo<br />

© Oldenburg Tourismus u. Marketing GmbH/Verena Brandt<br />

© David Ausserhofer<br />

<strong>DAAD</strong> Letter – Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Dialog Seite 4<br />

Unsere Aufgabe beginnt jetzt<br />

Ägyptische Stipendiaten unterstützen die Demokratie 4<br />

Kleine Schritte zum Wandel<br />

Diskussion über Green Economy 6<br />

<strong>DAAD</strong>-Standpunkt<br />

Umbrüche im Nahen Osten 7<br />

Spektrum Deutschland Seite 8<br />

EinBlick – Deutschland im Bild<br />

Waldspaziergang 8<br />

Nachrichten 10<br />

Titel Seite 12<br />

Heute schon geschmökert?<br />

Deutschland ist immer noch Leseland –<br />

Bücher stehen hoch im Kurs 12<br />

Bibliotheken multimedial<br />

Interview <strong>mit</strong> Ulrich Korwitz, Direktor der Deutschen<br />

Zentralbibliothek für Medizin in Köln <strong>und</strong> Bonn 16<br />

Hochschule Seite 17<br />

Neues vom Campus 17<br />

Internationale Erfahrungen<br />

Ausländer in Deutschland <strong>und</strong> Deutsche im Ausland 18<br />

Ortstermin Seite 20<br />

Oldenburg: Magnet im Nordwesten<br />

Wissenschaft Seite 22<br />

Weltberühmte Denkschmiede<br />

Die Max-Planck-Gesellschaft feiert 100 Jahre<br />

Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

Trends Seite 24<br />

Auf der Suche nach dem besseren Maß<br />

Neue Indikatoren für eine lebenswerte<br />

<strong>und</strong> nachhaltige Zukunft<br />

Europa Seite 26<br />

Aufbruch nach Europa<br />

Georgien auf dem Weg in den<br />

europäischen Hochschulraum<br />

Rätsel Seite 28<br />

Sprachecke Seite 29<br />

<strong>DAAD</strong> Report Seite 30<br />

Kritische Geister<br />

Führungsnachwuchs für Afrika 30<br />

Kleine Pflanze <strong>mit</strong> großer Wirkung<br />

Graslandschaften im Klimawandel 32<br />

Stipendiaten forschen 34<br />

Nachrichten 36<br />

Gestern Stipendiatin – <strong>und</strong> heute ...<br />

Ulrike Freitag 40<br />

Köpfe 41<br />

Impressum 42<br />

Deutsche Chronik Seite 43<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


Seit dem 11. März liest die Welt täglich in<br />

Zeitungen <strong>und</strong> im Internet, was Erdbeben<br />

<strong>und</strong> Tsunami in Japan angerichtet haben,<br />

<strong>und</strong> verfolgt gebannt die Nachrichten über<br />

die Atomkatastrophe. Die <strong>DAAD</strong>-Außenstelle<br />

in Tokio wurde zeitweilig geschlossen, viele<br />

Stipendiaten haben das Land verlassen. „Wir<br />

verfolgen <strong>mit</strong> Trauer <strong>und</strong> Sorge, was in Japan<br />

geschieht“, sagt <strong>DAAD</strong>-Generalsekretärin Dorothea<br />

Rüland. Seit Jahrzehnten fördert der<br />

<strong>DAAD</strong> eine große Zahl an Programmen für<br />

Studierende, Graduierte <strong>und</strong> Wissenschaftler<br />

sowie Hochschulpartnerschaften, die alle im<br />

Zeichen des Austauschs <strong>mit</strong> Japan stehen.<br />

Der <strong>DAAD</strong> unterstützt die Hilfsaktion des Verbandes<br />

Deutsch-Japanischer Gesellschaften:<br />

www.vdjg.de<br />

Am 20. März ging die Leipziger Buchmesse<br />

2011 zu Ende – <strong>mit</strong> einem Besucherrekord.<br />

R<strong>und</strong> 163 000 Bücherfre<strong>und</strong>e kamen<br />

innerhalb von vier Tagen in die Messehallen.<br />

Das waren 6 000 mehr als im Vorjahr. Parallel<br />

zur Messe verwandelt sich Leipzig jedes<br />

Jahr in eine große Vorlesebühne. Ob in der<br />

Zahnarztpraxis, einer Bauwollspinnerei, auf<br />

dem Südfriedhof, im Kinderfrühstückscafé, im<br />

Landgericht oder im Zoo: An über 300 Leseorten<br />

lauschten Besucher in diesem Jahr mehr<br />

als 1500 Autoren, die ihre Werke vorstellten.<br />

Deutschland ist ein Leseland <strong>und</strong> immer noch<br />

greifen die Menschen dabei am liebsten zum<br />

gedruckten Buch. Was hält die Leselust so<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

lebendig? Welchen Ursprung haben die beiden<br />

großen deutschen Buchmessen Leipzig im<br />

Frühjahr <strong>und</strong> Frankfurt am Main im Herbst?<br />

Was bedeutet das E-Book für die Fachliteratur?<br />

(Titelgeschichte Seite 12)<br />

Universitäts-, Stadt- <strong>und</strong> Fachbibliotheken<br />

werden vor allem von Schülern, Studierenden<br />

<strong>und</strong> Menschen <strong>mit</strong> kleinem Budget<br />

frequentiert. Öffentliche Bibliotheken <strong>und</strong><br />

der kostenlose Zugang zu Wissen bedeuten<br />

Lebensqualität. Diese Art von Wohlfühlfaktor<br />

trägt allerdings wenig zum Wirtschaftswachstum<br />

bei. Dafür müssten Bibliotheksnutzer<br />

Bücher kaufen statt leihen. Was sagt also das<br />

Wirtschaftswachstum über den Wohlstand<br />

einer Gesellschaft aus? Nicht genug, meinen<br />

Experten. (Seite 24)<br />

© axeptDESIGN.de<br />

Editorial 3<br />

Von fernen Ländern lesen ist ein erster<br />

Schritt hinaus, ein Urlaub in Gegenden<br />

jenseits gewohnter Grenzen ein zweiter. Bleibende<br />

Erfahrungen vom Eintauchen in eine<br />

andere Sprache <strong>und</strong> eine unbekannte Gesellschaft<br />

stellen sich erst <strong>mit</strong> einem längeren<br />

Auslandsaufenthalt ein. Etwa jeden vierten<br />

deutschen Studierenden zieht es in die Welt,<br />

so mobil wie die Deutschen ist keiner der<br />

Nachbarn. Gleichzeitig sind deutsche Hochschulen<br />

<strong>mit</strong> ihren englischsprachigen Studiengängen<br />

<strong>und</strong> der immer besser werdenden<br />

Betreuung ein beliebtes Ziel von Ausländern.<br />

Welchen Einfluss die kürzeren Bachelor- <strong>und</strong><br />

Masterstudiengänge auf die <strong>Lust</strong> nach einem<br />

Studium jenseits der Grenzen haben, erfahren<br />

Sie unter der Rubrik „Hochschule“. (Seite 18)<br />

Bücher dienen nicht nur der Unterhaltung.<br />

Juristische Werke oder Gesetzessammlungen<br />

enthalten die Gr<strong>und</strong>lagen für<br />

menschliches Zusammenleben. Doch sie<br />

nutzen wenig, wenn es an qualifizierten Juristen<br />

mangelt, die Verstöße gegen diese Gesetze<br />

strafrechtlich verfolgen. Juristischen<br />

Nachwuchs auszubilden <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> die künftige<br />

Führungselite seines Landes, ist das Ziel<br />

von Professor Lovell Fernandez. Er ist einer<br />

der Direktoren am Südafrikanisch-Deutschen<br />

Fachzentrum für Entwicklungsforschung <strong>und</strong><br />

Strafjustiz in Kapstadt, das der <strong>DAAD</strong> seit<br />

2008 fördert. Insgesamt fünf solcher Zentren<br />

gibt es in Afrika. Sie wollen künftig enger inhaltlich<br />

zusammenarbeiten. (Seite 30)<br />

Letter modernisiert sein Aussehen. In dieser<br />

Ausgabe haben wir <strong>mit</strong> den Veränderungen begonnen.<br />

Die Letter-Redaktion freut sich über<br />

Ihre Anregungen, Kommentare <strong>und</strong> Kritik. Sie<br />

erreichen uns per E-Mail unter:<br />

spross@trio-medien.de


4 dialog<br />

„Unsere aufgabe beginnt jetzt“<br />

Ägyptische <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten unterstützen den Weg zur Demokratie in ihrer Heimat<br />

Sie suchen Freiheit, Demokratie <strong>und</strong> Menschenrechte. Seit der 18-Tage-<br />

Revolution auf dem Tahrir-Platz in Kairo scheint die Zeit einer jungen,<br />

sehr gut ausgebildeten <strong>und</strong> akademisch geprägten Generation anzubrechen.<br />

Zu ihr gehören die Medien- <strong>und</strong> Kommunikationswissenschaftlerin<br />

Hanan Badr, die Molekulare Biotechnologin Yasmine Aguib <strong>und</strong><br />

der Zahnmediziner Karim Fawzy. Als die Menschen in Ägypten auf die<br />

Straße gingen, promovierten oder arbeiteten sie als <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

an deutschen Universitäten, ebenso wie Sherry Basta <strong>und</strong> Yasser Kosper,<br />

die zur Zeit im <strong>DAAD</strong>-Programm „Public Policy and Good Governance“<br />

gefördert werden.<br />

Was können Sie derzeit von Deutschland<br />

aus tun?<br />

Hanan Badr: Die Ägypter im Ausland<br />

haben in den Tagen der Internetsperre eine<br />

sehr große Rolle gespielt. Die Intention des<br />

Regimes war es, einen „media black out“<br />

zu konstruieren, aber von hier aus wurde<br />

trotz der Sperre über Twitter <strong>und</strong> Facebook<br />

der Welt <strong>mit</strong>geteilt: Die Revolution ist nicht<br />

gestorben.<br />

Sherry Basta: Wir sind jetzt die Ver<strong>mit</strong>tler.<br />

Die Menschen in Deutschland interessieren<br />

sich sehr dafür, was in der arabischen Welt<br />

passiert. Häufig werde ich auf der Straße angesprochen.<br />

Uns alle verbindet der Wunsch<br />

nach Freiheit <strong>und</strong> es tut gut, davon zu<br />

erzählen: Wir suchen Freiheit, wir suchen<br />

Demokratie, wir suchen Menschenrechte.<br />

Diese Themen werden wir jetzt in unsere<br />

deutschen Universitäten tragen <strong>und</strong> Studierende<br />

zu Veranstaltungen einladen.<br />

Yasmine Aguib: Auf Einladung des <strong>DAAD</strong><br />

haben wir in Berlin ausführlich <strong>mit</strong> deutschen<br />

Parlamentariern gesprochen, die viele<br />

Fragen an uns hatten. Wie schätzen wir die<br />

Lage ein? Wie kann man den Demokratisierungsprozess<br />

unterstützen? Das war für uns<br />

eine große Chance <strong>und</strong> ist ein Modell dafür,<br />

was wir von hier aus leisten können.<br />

Wie sehen Sie die Rolle Ihrer Generation?<br />

Hanan Badr: Die Generation der 30- <strong>und</strong><br />

40-Jährigen hat die Aufgabe, zum Bindeglied<br />

der ägyptischen Gesellschaft zu werden.<br />

Viele Ägypter in diesem Alter haben wie<br />

wir im Ausland studiert, insbesondere Politikwissenschaft.<br />

Sie sind wissenschaftlich<br />

ausgebildet <strong>und</strong> zugleich politisch sehr aktiv.<br />

Es wäre hilfreich, sie im Rahmen von Hochschulkooperationen<br />

zu Konferenzen zu bitten<br />

<strong>und</strong> sie nach ihren Konzepten für den Wandel<br />

in Ägypten zu fragen: Wie stellen sie sich die<br />

Demokratisierung vor?<br />

Yasser Kosper: Es ist wichtig, dass Ägypter<br />

aller Generationen <strong>mit</strong>einander kommunizieren.<br />

Die Revolutionsbewegung ging von jüngeren<br />

Menschen aus. Jugend bedeutet Kraft.<br />

Aber die Jugend in Ägypten hat keine Übung<br />

auf dem Feld der Politik <strong>und</strong> die Probleme<br />

sind komplex. Da ist zum Beispiel die Frage<br />

der Wasserverteilung in der Region. Für Verhandlungen<br />

<strong>mit</strong> den Nachbarländern braucht<br />

man jemanden, der nicht nur Kraft, sondern<br />

auch sehr viel Erfahrung <strong>mit</strong>bringt.<br />

Wie wollen Sie helfen, den Menschen<br />

demokratisches Verhalten nahezubringen?<br />

Sherry Basta: Demokratische Kultur fehlt<br />

uns seit langer Zeit. Ägyptische Kinder lernen,<br />

dass es unhöflich ist, Fragen zu stellen.<br />

Ein Umdenken muss schon in der Schule<br />

anfangen. Dort muss wieder gelehrt werden,<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


kritisch zu denken, nachzufragen <strong>und</strong> zu<br />

analysieren.<br />

Yasser Kosper: Ägyptische Schulkinder<br />

waren <strong>mit</strong> ihren Eltern auf den Demonstrationen.<br />

Sie haben erlebt, wie ihre Eltern „nein“<br />

gesagt haben: Nein, ich akzeptiere das nicht.<br />

Der große Gewinn der Revolution ist es, den<br />

Angst-Staat gebrochen zu haben. Auch das<br />

Militär oder die Muslimbruderschaft oder die<br />

Liberalen haben gesehen, dass es möglich ist,<br />

nein zu sagen. Diese Erfahrung wird jetzt in<br />

die Schulen getragen.<br />

Hanan Badr: In den staatlichen Schulen<br />

sitzen allerdings derzeit bis zu 80 Kinder in<br />

einem Klassenzimmer. Unter diesen Bedingungen<br />

ist es schwierig, Raum für Diskussionen<br />

zu geben. Trotzdem muss der Unterricht<br />

weniger autoritär werden. Dafür brauchen<br />

wir eine Förderung <strong>und</strong> Weiterbildung der<br />

Fachkräfte in den Fakultäten für Erziehungswissenschaften.<br />

Die Lehrerausbildung muss<br />

reformiert werden. Auch hier kann die Zusammenarbeit<br />

<strong>mit</strong> Hochschulen im Ausland<br />

helfen.<br />

Yasmine Aguib: Demokratisieren bedeutet<br />

aufklären <strong>und</strong> informieren, aber auch eine<br />

gewisse Übung in Debatten <strong>und</strong> Diskussionen.<br />

Es wäre klug, bereits vor den Wahlen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

im Herbst kurzfristig dafür zu sorgen, dass<br />

einfache ägyptische Bürger erfahren, welche<br />

Wahlmöglichkeiten ihnen die Freiheit bietet.<br />

Sie sollen auch erfahren, zwischen welchen<br />

Parteien sich Bürger in Frankreich, Deutschland<br />

oder den USA entscheiden können<br />

<strong>und</strong> welche politischen Richtungen es im<br />

Vergleich dazu in Ägypten gibt. Für neutrale<br />

Information kann man sorgen, noch bevor<br />

man das Bildungswesen reformiert – zum<br />

Beispiel, indem ägyptische staatliche Universitäten<br />

<strong>und</strong> die Deutsche Universität in Kairo<br />

regelmäßig öffentliche Informationsabende<br />

organisieren. Hilfreich wäre es, ägyptische<br />

Akademiker <strong>und</strong> Fachexperten dazu einzuladen,<br />

die im Ausland gelebt haben <strong>und</strong> die<br />

Strukturen anderer Länder gut kennen.<br />

Karim Fawzy: Informationsveranstaltungen<br />

an Hochschulen haben den Vorteil, dass<br />

sich die Inhalte schnell verbreiten lassen. Wir<br />

haben einen riesigen Universitätsapparat. Jeder<br />

Lehrende kann Informationen an 500 bis<br />

1000 Studenten weitergeben.<br />

Yasmine Aguib: Aber auch im ägyptischen<br />

Hochschulwesen selbst muss sich etwas<br />

ändern. In den letzten Jahren konnte man<br />

beobachten, dass Wissenschaftler, die eine<br />

wichtige Position anstrebten, Parteiabzeichen<br />

© Jacek Ruta<br />

Wollen von Deutschland aus am<br />

Aufbau demokratischer Strukturen<br />

in ihrem Land <strong>mit</strong>arbeiten:<br />

Yasser Kosper, Karim Fawzy,<br />

Sherry Basta, Hanan Badr,<br />

Yasmine Aguib (von links)<br />

dialog<br />

trugen. Man braucht sicherlich Schnittstellen<br />

von Wissenschaft <strong>und</strong> Politik, aber Parteizugehörigkeit<br />

darf keine Voraussetzung für eine<br />

wissenschaftliche Karriere sein.<br />

Karim Fawzy: Unsere Aufgabe fängt jetzt<br />

erst richtig an. Wenn wir zurückgehen, werden<br />

wir uns die Positionen erkämpfen müssen,<br />

aus denen heraus wir Strukturen ändern<br />

können. Hosni Mubarak hat zwar abgedankt,<br />

aber das Regime kämpft weiter. Es wird noch<br />

viele kleine Revolutionen geben, bis die richtigen<br />

Leute an die richtigen Stellen kommen<br />

<strong>und</strong> das neue Gesicht Ägyptens entsteht.<br />

Wie kann man arme Menschen dazu<br />

bewegen, auf dem Weg demokratischer<br />

Reformen fortzuschreiten?<br />

Sherry Basta: Der erste Schritt ist die<br />

soziale Sicherung. Es gibt viele Studien über<br />

Reformen, die in kurzer Zeit erfolgreich sind.<br />

Man kann zum Beispiel die Brotsubvention<br />

reformieren – eine wichtige Hilfe für Arme.<br />

Yasmine Aguib: Allerdings besteht die<br />

Gefahr, dass die Menschen schnell zufrieden<br />

<strong>und</strong> nicht mehr an Demokratisierung interessiert<br />

sind. Auch deshalb muss die Information<br />

an erster Stelle stehen. Die Menschen in<br />

Ägypten müssen Perspektiven erkennen. Es<br />

geht nicht um billiges Brot für ein Jahr. Es ist<br />

entscheidend zu wissen, wie andere leben,<br />

was für Freiheiten sie genießen, was die eigenen<br />

Rechte sind, da<strong>mit</strong> man niemanden <strong>mit</strong><br />

ein bisschen Essen <strong>und</strong> ein bisschen Geld betrügen<br />

kann. Es ist für uns alle eine Lebensmission,<br />

zu dieser Aufklärung beizutragen.<br />

Sherry Basta: Eine starke Ausgangsposition<br />

ist wichtig, um etwas zu bewirken. Daran<br />

arbeiten wir von hier aus. Bettina Mittelstraß<br />

5


6 dialog<br />

kleine Schritte zum Wandel<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten diskutierten über Green Economy<br />

Sie kommen aus Schwellen- <strong>und</strong> Entwicklungsländern<br />

<strong>und</strong> bilden sich im <strong>DAAD</strong>-<br />

Programm „Entwicklungsländerbezogene<br />

Aufbaustudiengänge“ in Deutschland weiter:<br />

Seit 25 Jahren fördert der <strong>DAAD</strong> erfolgreich<br />

junge Führungskräfte in 40 Masterprogrammen.<br />

Der Geburtstag ist Anlass,<br />

den Millennium-Express aufs Gleis zu setzen<br />

– eine Workshop-Reihe an deutschen<br />

Hochschulen, die auch die UN-Millenniumsziele<br />

wie nachhaltigen Umgang <strong>mit</strong><br />

Ressourcen im Blick hat. Gestartet in Dresden<br />

hat der Millennium-Express inzwischen<br />

in Freiburg Station gemacht: Hier<br />

diskutierten die Stipendiaten die Chancen<br />

von Green Economy, einem ökologisch<br />

ausgerichteten Wirtschaftssystem. Über<br />

ihre Eindrücke berichten Kwame Ababio<br />

aus Ghana <strong>und</strong> Khan Mehedi Hasan aus<br />

Bangladesh.<br />

Khan Mehedi Hasan (28) aus Bangladesch<br />

war Dozent für Wirtschaft<br />

an der Universität von Khulna.<br />

Zurzeit studiert er im Masterstudiengang<br />

International and Development<br />

Economics an der Hochschule für<br />

Technik <strong>und</strong> Wirtschaft Berlin, gefördert<br />

vom <strong>DAAD</strong><br />

Welche Rolle spielt die Diskussion über<br />

Nachhaltigkeit in Ihrer Heimat?<br />

Khan Mehedi Hasan: Der Klimawandel<br />

hat Bangladesch zu einem sehr verw<strong>und</strong>baren<br />

Land gemacht. Überschwemmungen <strong>und</strong><br />

Zyklone treten häufiger auf als früher. Mit<br />

diesen bedrohlichen Veränderungen müssen<br />

wir uns auseinandersetzen, deshalb wird das<br />

Thema Green Economy in meiner Heimat<br />

heiß diskutiert.<br />

Kwame Ababio: In der Theorie ist Nachhaltigkeit<br />

auch in Ghana ein Thema. Es gibt<br />

w<strong>und</strong>erbare Gesetze, die das regeln. Aber wir<br />

scheitern bei der Umsetzung, denn wir haben<br />

ganz andere Probleme: Die Landbevölkerung<br />

kann sich nicht selbst ernähren, sie ist auf<br />

Hilfsorganisationen angewiesen <strong>und</strong> wandert<br />

ab in die Städte, wo die Armut noch größer<br />

ist. Ghana versucht, dem entgegenzuwirken.<br />

Kwame Ababio (32) aus<br />

Ghana arbeitete für eine<br />

Nichtregierungsorganisation.<br />

Jetzt studiert er in Freiburg<br />

im <strong>DAAD</strong>-geförderten<br />

Masterstudiengang Environmental<br />

Governance<br />

© Thomas Kunz<br />

Ich habe beispielsweise in einem Projekt<br />

gearbeitet, das Menschen dabei unterstützt,<br />

Produkte wie Honig oder Pilze selbst anzubauen,<br />

anstatt diese im Wald zu sammeln<br />

<strong>und</strong> dabei die Bäume zu fällen. Aber um ein<br />

solch verändertes Wirtschaften im großen Stil<br />

umsetzen zu können, fehlt das Geld.<br />

Welche Chancen hat die Green Economy<br />

in Entwicklungsländern?<br />

Khan Mehedi Hasan: Für mehr Nachhaltigkeit<br />

brauchen wir hochentwickelte<br />

Technologie – <strong>und</strong> die kostet viel. Selbst in<br />

Deutschland haben viele Menschen nicht<br />

das Geld, um zum Beispiel ein Passivhaus<br />

zu bauen. Wie soll das erst in einem Entwicklungsland<br />

gelingen? Oder nehmen wir<br />

das Thema Nahrung: In einem armen Land<br />

denken Menschen nicht darüber nach, wie<br />

ein Produkt entstanden ist. Sie kaufen stets<br />

das günstigste.<br />

Welche neuen Ideen haben Sie durch die<br />

Freiburger Konferenz erhalten?<br />

Kwame Ababio: Ich habe eins gelernt:<br />

Wandel wird durch die einzelnen Menschen<br />

angestoßen <strong>und</strong> vorangetrieben. Den Regierungen<br />

sind meist durch multinationale,<br />

profitorientierte Organisationen die Hände<br />

geb<strong>und</strong>en. Aber eine kleine Gruppe oder eine<br />

Region, die sich nachhaltig organisiert, kann<br />

etwas bewirken. Auch als Einzelner kann ich<br />

Einfluss nehmen.<br />

Khan Mehedi Hasan: Ich sehe das ähnlich.<br />

Vor meinem Studium in Deutschland<br />

habe ich Wirtschaft an der Universität von<br />

Khulna gelehrt. Auf der Freiburger Konferenz<br />

habe ich mich <strong>mit</strong> anderen Wissenschaftlern<br />

ausgetauscht <strong>und</strong> für mich persönlich folgende<br />

Erkenntnis <strong>mit</strong>genommen: Wir in Bangladesch<br />

sehen, dass die Industrienationen für<br />

einen Großteil der Klimaveränderung in unserem<br />

Land verantwortlich sind <strong>und</strong> warten<br />

darauf, dass diese Staaten Schutzmaßnahmen<br />

ergreifen. Aber die Entwicklungsländer können<br />

auch dann etwas tun, wenn die Industriestaaten<br />

sich weigern zu handeln. Das ist mir<br />

jetzt klar. Wenn sich die Welt nicht auf einen<br />

gemeinsamen Kurs einigen kann, muss noch<br />

lange nicht jeder in einen Tiefschlaf fallen.<br />

Die nächsten Stationen des Millennium-<br />

Express sind Dortm<strong>und</strong> <strong>und</strong> Berlin.<br />

Mehr unter:<br />

www.millennium-express.daad.de<br />

Alexandra Straush (sic)<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


© <strong>DAAD</strong>/Eric A. Lichtenscheidt<br />

daad-Standpunkt<br />

Dorothea Rüland ist<br />

Generalsekretärin des <strong>DAAD</strong><br />

Das tunesische wie das ägyptische Volk<br />

haben die Welt beeindruckt, als sie Anfang<br />

2011 <strong>mit</strong> langem Atem <strong>und</strong> friedlichen<br />

Demonstrationen ihre autoritären Führungen<br />

in die Knie zwangen. Vielleicht ist dies das<br />

Signal für einen historischen Umbruch <strong>und</strong><br />

demokratischen Aufbruch in der ganzen arabischen<br />

Welt. Die politische Transformation<br />

hin zu Demokratie, Rechtsstaat <strong>und</strong> sozialer<br />

Gerechtigkeit ist jedoch ein langer, beschwerlicher<br />

Weg <strong>und</strong> nicht vor Rückschlägen gefeit.<br />

Die internationale akademische Zusammenarbeit<br />

spielt dabei eine wichtige Rolle. Der<br />

<strong>DAAD</strong> ist seit langem in der gesamten Region<br />

vom Maghreb über die Kernländer des arabischen<br />

Ostens bis hin zur Arabischen Halbinsel<br />

engagiert. Partnerschaftlich <strong>und</strong> politisch<br />

unabhängig arbeiten deutsche <strong>und</strong> arabische<br />

Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler<br />

in zahlreichen Hochschulkooperationen zusammen.<br />

Besonders traditionsreich ist der<br />

deutsch-ägyptische Austausch. Über die Jahre<br />

hinweg waren Tausende von Ägyptern für längere<br />

Studien- <strong>und</strong> Forschungsaufenthalte in<br />

Deutschland, wo sie sich nicht nur Fachwissen<br />

aneignen, sondern auch Wissenschaft als kritisch-differenziertes<br />

Denken erleben konnten.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Umbrüche im<br />

Nahen osten<br />

Stehen wir vor einer demokratischen Zeitenwende?<br />

Von Dorothea Rüland<br />

Mit vier großen kofinanzierten Stipendienprogrammen<br />

für Ägypter <strong>und</strong> Syrer haben wir<br />

seit 2008 den wissenschaftlichen Austausch<br />

<strong>mit</strong> diesen Ländern quantitativ wie qualitativ<br />

deutlich gesteigert. Die Erfahrung funktionierender<br />

demokratischer Strukturen <strong>und</strong> zivilgesellschaftlichen<br />

Engagements im Gastland<br />

geht an den Stipendiaten nicht spurlos vorüber<br />

<strong>und</strong> füllt das <strong>DAAD</strong>-Motto „Wandel durch<br />

Austausch“ <strong>mit</strong> Leben.<br />

Bei unserer Arbeit suchen wir immer wieder<br />

neue Wege. So studieren seit 2007 in <strong>mit</strong>tlerweile<br />

fünf bikulturellen Masterstudiengängen<br />

deutsche <strong>und</strong> arabische Nachwuchskräfte<br />

praxisbezogen <strong>und</strong> interkulturell in Schwerpunktgebieten<br />

der Entwicklungszusammenarbeit<br />

wie Wassermanagement, Erneuerbare<br />

Energien, Wirtschaft, Bildungsmanagement<br />

<strong>und</strong> ökologisches Stadtmanagement. Standorte<br />

in der arabischen Welt sind Amman, Kairo<br />

<strong>und</strong> Damaskus. „Deutsch als Fremdsprache<br />

im deutsch-arabischen Kontext“ ist Thema eines<br />

weiteren deutsch-arabischen Studienganges<br />

<strong>mit</strong> Sitz in Kairo.<br />

Seit 2009 fördert der <strong>DAAD</strong> im Programm<br />

„Public Policy and Good Governance“ den politischen<br />

Führungsnachwuchs in ausgewählten<br />

Partnerregionen im Süden. Immer wieder gelingt<br />

es auch hier jungen arabischen Bewerbern,<br />

die ihre Gesellschaft nach den Prinzipien<br />

guter Regierungsführung neu gestalten<br />

wollen, eines der heiß umkämpften Stipendien<br />

zu bekommen.<br />

dialog<br />

Mit einem eigenen Programmangebot fördert<br />

der <strong>DAAD</strong> den interkulturellen Dialog durch<br />

fachliche Kooperationen zwischen Wissenschaftlern<br />

<strong>und</strong> Studierenden aus Deutschland,<br />

den arabischen Ländern <strong>und</strong> dem Iran. Die<br />

seit 2002 geförderten r<strong>und</strong> 260 Maßnahmen,<br />

darunter 38 mehrjährige Projekte, verändern<br />

den Blick auf die Anderen wie auf die eigene<br />

Kultur <strong>und</strong> strahlen in die Gesellschaft aus.<br />

Dialog kann jedoch nur gedeihen, wenn er<br />

auf Vertrauen <strong>und</strong> Zuverlässigkeit baut. Daher<br />

ist die Einbeziehung unserer arabischen Partner<br />

bei allen Planungen für die Zukunft von<br />

herausragender Bedeutung. Wir wollen nicht<br />

über die Betroffenen sprechen, sondern <strong>mit</strong><br />

ihnen. So lud der <strong>DAAD</strong> ägyptische Stipendiaten<br />

im Februar 2011 zu einem gemeinsamen<br />

Gespräch <strong>mit</strong> B<strong>und</strong>estagsabgeordneten ein,<br />

um über die Einschätzung der Lage in ihrer<br />

Heimat, vor allem aber über Hoffnungen <strong>und</strong><br />

Perspektiven für die Zukunft ihres Landes zu<br />

sprechen (siehe Seite 4–5). Da<strong>mit</strong> haben wir<br />

rasch <strong>und</strong> un<strong>mit</strong>telbar auf die Herausforderungen<br />

des politischen Umbruchs reagiert.<br />

Die Zukunft des Nahen Ostens liegt heute<br />

mehr denn je in den Händen der jüngeren Generation.<br />

Nur Bildung bietet eine Chance auf<br />

eine bessere Zukunft – der <strong>DAAD</strong> steht bereit,<br />

um seinen Beitrag zur demokratischen Umgestaltung<br />

zu leisten.<br />

7


© Inga Nielsen - Fotolia<br />

Ein EinBlick Blick<br />

Waldspaziergang. Frische Luft, Sonnenstrahlen, das<br />

erste zarte Grün zeigt sich nach dem Winter. Die<br />

Deutschen zieht es hinaus in die Wälder. Schon Johann<br />

Wolfgang von Goethe schätzte diese Art der<br />

Erholung. 1813 dichtete er: „Ich ging im Walde so<br />

vor mich hin, <strong>und</strong> nichts zu suchen, das war mein<br />

Sinn …“. Müßiggang ist heute selten geworden: Fitness-<br />

<strong>und</strong> Freiluftbegeisterte joggen, biken oder walken<br />

durch die Wälder.<br />

Geduld <strong>und</strong> Muße aber sind die Säulen nachhaltiger<br />

Forstwirtschaft. Ein Prinzip aus Deutschland:<br />

Schon vor 300 Jahren wies der Sachse Carl von Carlowitz<br />

darauf hin, dass Abholzung <strong>und</strong> Anpflanzung<br />

im Gleichgewicht sein müssten, nur dann gebe es<br />

eine „nachhaltende Nutzung“. Daran scheinen sich<br />

die Förster hierzulande zu halten. Deutschland ist zu<br />

einem Drittel <strong>mit</strong> Wald bedeckt, Tendenz steigend.<br />

Im „Internationalen Jahr der Wälder“, ausgerufen<br />

von den Vereinten Nationen, lohnt sich der Waldspaziergang<br />

auch, um über sich hinaus zu blicken <strong>und</strong><br />

auf das große Ganze zu achten: den Erhalt der Wälder<br />

weltweit. KS<br />

Die deutsche Kampagne zum<br />

„Internationalen Jahr der Wälder“<br />

www.wald2011.de


10<br />

SpEktrUm dEUtSchlaNd<br />

Berlin/Syrien<br />

Götter aus Tell Halaf sind restauriert<br />

Sie schienen unwiederbringlich verloren: Die<br />

monumentalen Götterstatuen aus dem syrischen<br />

Tell Halaf waren eine Attraktion Berlins<br />

– bis sie bei einem Bombenangriff auf<br />

die deutsche Hauptstadt im November 1943<br />

während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurden.<br />

Eine Restauration der 3 000 Jahre alten<br />

Bildwerke galt lange als unmöglich. Doch eine<br />

kleine Gruppe von Archäologen <strong>und</strong> Restauratoren<br />

hat das Gegenteil bewiesen. Seit Ende<br />

Januar können Besucher 40 wiederhergestellte<br />

Skulpturen <strong>und</strong> Reliefplatten im Berliner<br />

Pergamon-Museum bew<strong>und</strong>ern.<br />

„Ein Juwel der Baugeschichte Mesopotamiens<br />

wurde für die Welt wiedergewonnen“,<br />

sagte Beate Salje, Direktorin des Vorderasiatischen<br />

Museums der Staatlichen Museen zu<br />

Berlin, anlässlich der Ausstellungseröffnung.<br />

Vorausgegangen war eine mühevolle Puzzle-<br />

Arbeit, bei der das Team 27 000 steinerne<br />

Bruchstücke untersuchte, zusammensetzte<br />

<strong>und</strong> in Teilen ergänzte. Neun Jahre dauerten<br />

die beispiellosen Restaurierungsarbeiten des<br />

Vorderasiatischen Museums.<br />

27 000-Teile-Puzzle: Götterstatuen aus Syrien sind wieder zusammengefügt<br />

Den Kulturschatz entdeckte 1899 der Diplomat<br />

<strong>und</strong> Privatgelehrte Max von Oppenheim<br />

(1860–1946) <strong>und</strong> brachte ihn später nach<br />

Deutschland. Erst nach dem Ende seiner Diplomatenkarriere<br />

begann er 1911 <strong>mit</strong> den<br />

Ausgrabungen am Tell Halaf, einem Hügel im<br />

Norden des heutigen Syriens. Bis 1929 legte<br />

von Oppenheim spektakuläre Paläste, Gräber<br />

<strong>und</strong> Grüfte frei. Ab 1930 zeigte er seine F<strong>und</strong>e<br />

in Berlin in einem eigenen Museum, einer<br />

ehemaligen Fabrikhalle.<br />

Die Ausstellung „Die geretteten Götter aus<br />

dem Palast vom Tell Halaf“ ist noch bis 14.<br />

August zu sehen. Kritiker bemängeln allerdings<br />

fehlende Hinweise auf die fragwürdige<br />

Rolle von Oppenheims als Diplomat<br />

im Orient <strong>und</strong> seine Haltung während des<br />

Nationalsozialismus.<br />

www.gerettete-goetter.de<br />

MPI Leipzig<br />

Forscher entdecken neuen Urmenschen<br />

Eigentlich schien es eine Routinerecherche<br />

zu werden. Wissenschaftler des Max-Planck-<br />

Instituts für evolutionäre Anthropologie in<br />

© Staatliche Museen zu Berlin<br />

Leipzig untersuchten russische Knochenf<strong>und</strong>e,<br />

um weitere Informationen über das Erbgut<br />

des Neandertalers zu sammeln. Doch ein<br />

40 000 Jahre alter, nicht einmal kirschkerngroßer<br />

Knochensplitter hatte es in sich. Dessen<br />

DNA stammte weder von einem Neandertaler<br />

noch von einem Vorfahren des modernen<br />

Menschen. „Alles deutete darauf hin, dass<br />

wir eine ganz neue Spezies Mensch gef<strong>und</strong>en<br />

haben“, sagte der Leipziger Anthropologe Johannes<br />

Kaufmann nach den ersten Analysen<br />

gegenüber der Deutschen Welle. Ende Dezember<br />

konnten die Forscher <strong>mit</strong> internationaler<br />

Unterstützung den endgültigen Beweis erbringen:<br />

Sie haben tatsächlich einen bislang unbekannten<br />

Urmenschen entdeckt.<br />

Die Wissenschaftler tauften ihn nach seinem<br />

F<strong>und</strong>ort: Denisova-Mensch. Russische<br />

Wissenschaftler hatten die Überreste in der<br />

Denisova-Höhle im südlichen Sibirien ausgegraben.<br />

Neben dem Knochenstück konnte<br />

das Forscherteam dem neuen Urmenschen<br />

auch einen Backenzahn zuordnen. Die DNA-<br />

Analysen ergaben, dass der Denisova-Mensch<br />

zwar die gleichen Vorfahren wie der Neandertaler<br />

hat, aber im Laufe der Evolution einen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


anderen Weg einschlug. Erstaunlicherweise<br />

finden sich Merkmale dieses Urmenschen<br />

heute lediglich bei Einwohnern Papua-Neuguineas.<br />

Die Leipziger Forscher hoffen nun<br />

auf weitere Knochenf<strong>und</strong>e, um mehr über den<br />

Denisova-Menschen herauszufinden.<br />

B<strong>und</strong>eswehr<br />

Nur noch Freiwillige<br />

Die Wehrpflicht, die Einberufung junger Männer<br />

zum Militärdienst, war lange Zeit ein fester<br />

Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Zum 1.<br />

Juli 2011 ist da<strong>mit</strong> vorerst Schluss. Die B<strong>und</strong>esregierung<br />

entschied im Dezember 2010,<br />

die Wehrpflicht auszusetzen <strong>und</strong> stattdessen<br />

einen freiwilligen Wehrdienst für Frauen <strong>und</strong><br />

Männer einzuführen. Das hat Folgen, nicht<br />

nur für die B<strong>und</strong>eswehr.<br />

In den letzten Jahren hatten die Streitkräfte<br />

mangels Bedarf immer weniger Männer zum<br />

Wehrdienst eingezogen. Bei den 1982 Geborenen<br />

waren es zuletzt nur zwölf Prozent der<br />

knapp 450 000 potenziellen Rekruten. Künftig<br />

sollen in der B<strong>und</strong>eswehr zusätzlich zu Zeit-<br />

<strong>und</strong> Berufssoldaten nur noch 15 000 Soldaten<br />

einen freiwilligen Wehrdienst ableisten. Ob<br />

sich allerdings ausreichend Freiwillige finden,<br />

ist noch offen. Das Verteidigungsministerium<br />

erwägt unter anderem, auch in Deutschland<br />

lebende Ausländer zu gewinnen.<br />

Mit der Wehrpflicht fällt auch der zivile Ersatzdienst<br />

weg. Er wurde vor 50 Jahren für<br />

Wehrpflichtige eingeführt, die aus Gewissensgründen<br />

den Militärdienst verweigerten. Zivildienstleistende<br />

arbeiten in Krankenhäusern,<br />

betreuen Kinder, Alte <strong>und</strong> Behinderte. 2010<br />

gab es r<strong>und</strong> 78 000 „Zivis“.<br />

Die sich anbahnende Lücke soll zumindest<br />

teilweise der geplante B<strong>und</strong>esfreiwilligendienst<br />

schließen. 35 000 Menschen möchte<br />

die B<strong>und</strong>esregierung für ein soziales Engagement<br />

gewinnen. Geplante Kosten: 350 Millionen<br />

Euro im Jahr. Um den neuen Dienst attraktiver<br />

zu machen, ist etwa die Anrechnung<br />

der Freiwilligenzeit als Wartesemester für das<br />

Studium im Gespräch.<br />

Da viele Abiturienten nun nicht mehr zum<br />

Militär gehen oder Zivildienst leisten müssen,<br />

rechnen die Hochschulen <strong>mit</strong> Rekordzahlen<br />

bei den Studienanfängern. Hinzu kommt, dass<br />

in vielen B<strong>und</strong>esländern zwei Altersjahrgänge<br />

gleichzeitig Abitur machen. Gr<strong>und</strong> ist die<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

B<strong>und</strong>eskanzlerin Merkel stimmt zu:<br />

Vorerst keine Wehrpflicht mehr in Deutschland<br />

Umstellung der Gymnasialausbildung von 13<br />

auf zwölf Jahre. B<strong>und</strong> <strong>und</strong> Länder stellen daher<br />

in den nächsten vier Jahren bis zu 1,5 Milliarden<br />

Euro zur Verfügung. Da<strong>mit</strong> sollen bis zu<br />

59 000 zusätzliche Studienplätze entstehen.<br />

Studienanfänger<br />

Ansturm auf die Hochschulen<br />

Noch nie haben sich so viele Studienanfänger<br />

an deutschen Hochschulen eingeschrieben:<br />

2010 waren es r<strong>und</strong> 443 000, teilte das Statistische<br />

B<strong>und</strong>esamt <strong>mit</strong>. Auch die Gesamtzahl<br />

der Studierenden stieg erneut: 2,2 Millionen<br />

im Wintersemester 2010/2011 bedeuten einen<br />

neuen Rekord. Fast jeder Zweite eines Altersjahrgangs<br />

nimmt inzwischen ein Studium auf,<br />

auch das ist eine neue Bestmarke. Den größten<br />

Zuwachs bei den Erstsemestern verzeichneten<br />

die Ingenieurwissenschaften <strong>mit</strong> insgesamt<br />

93 200 Anfängerinnen <strong>und</strong> Anfängern. Im<br />

Vergleich zum Vorjahr sind das acht Prozent<br />

mehr.<br />

200. Geburtstag Robert Bunsens<br />

Ins Gedächtnis eingebrannt<br />

Bunsenbrenner, Mechero Bunsen, Palnik Bunsena<br />

oder Bunsen Burner – in vielen Sprachen<br />

hat der deutsche Forscher Robert Wilhelm<br />

Bunsen seine Spur hinterlassen. Der nach ihm<br />

benannte Gasbrenner hat den am 30. März<br />

1811 in Göttingen geborenen Chemiker weltweit<br />

bekannt gemacht. In den USA feiern die<br />

Menschen am 31. März sogar den „National<br />

Bunsen Burner Day“.<br />

Viele kennen das Gerät noch aus der Schulzeit.<br />

Es kommt nach wie vor häufig im Chemieunterricht<br />

zum Einsatz, um Proben oder<br />

Flüssigkeiten zu erhitzen. Allerdings hat Bunsen<br />

den Brenner gar nicht selbst konstruiert.<br />

© 1. Wikipedia, 2. istockphoto.com<br />

SpEktrUm dEUtSchlaNd<br />

Weltweit<br />

ein Begriff:<br />

der Bunsenbrenner<br />

Das Prinzip stammt ursprünglich vom englischen<br />

Experimentalphysiker Michael Faraday.<br />

Der Heidelberger Mechaniker <strong>und</strong> Laborassistent<br />

Bunsens, Peter Desaga, soll den perfektionierten<br />

Gasbrenner um 1854 in Bunsens<br />

Auftrag gebaut <strong>und</strong> nach seinem Auftraggeber<br />

benannt haben.<br />

Robert Bunsen, dessen Geburtstag sich in<br />

diesem Jahr zum zweih<strong>und</strong>ertsten Mal jährt,<br />

zählt zu den bekanntesten deutschen Chemikern<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. Zusammen <strong>mit</strong><br />

Gustav Kirchhoff entwickelte er zum Beispiel<br />

die Spektralanalyse chemischer Elemente. Sie<br />

ermöglichte den beiden Wissenschaftlern unter<br />

anderem die Entdeckung der Alkalimetalle<br />

Cäsium <strong>und</strong> Rubidium. Christian Hohlfeld<br />

11<br />

© Presse- <strong>und</strong> Informationsamt der B<strong>und</strong>esregierung/Andrea Bienert


12 titEl<br />

Auch im digitalen Zeitalter ist das „Schmökern“ im gedruckten<br />

Buch für viele Deutsche eine beliebte Freizeitbeschäftigung.<br />

Das Land, in dem Johannes Gutenberg vor r<strong>und</strong> 550 Jahren den<br />

europäischen Buchdruck erf<strong>und</strong>en hat, schätzt Bücher als Kulturträger.<br />

Alljährlich ist die Frankfurter Buchmesse bedeutende<br />

Drehscheibe des internationalen Buchhandels. Die Stadt Leipzig<br />

richtet jedes Frühjahr das größte europäische Lesefest aus.<br />

Bücherwurm“ nennt man in Deutschland<br />

einen Menschen, der seine Nase am liebsten<br />

in bedruckte Papierseiten steckt. Immer<br />

auf der Suche nach anregendem Lesestoff verweilt<br />

ein Bücherwurm gern vor Regalen <strong>und</strong><br />

greift nach den farbigen Buchrücken. Beschäftigt<br />

<strong>mit</strong> dem Blättern von Seiten, „schmökert“<br />

er sich durch die Lektüre, versinkt dabei in<br />

Sesseln oder Kissen, vergisst die Zeit <strong>und</strong><br />

nimmt Nahrung eher beiläufig auf. Bücher<br />

lesende Menschen sind in Deutschland ein<br />

alltägliches Bild. Sie sitzen in U-Bahnen <strong>und</strong><br />

Bussen, Wartezimmern <strong>und</strong> Parks.<br />

R<strong>und</strong> 400 Millionen gedruckte Bücher kauften<br />

die Deutschen im Jahr 2009 <strong>und</strong> da<strong>mit</strong><br />

zwei Prozent mehr als im Jahr zuvor, analysierte<br />

die Gesellschaft für Konsumforschung<br />

in Nürnberg (GfK). Von dem Geld, das Deutsche<br />

insgesamt für Unterhaltung ausgeben,<br />

fließen seit Jahren r<strong>und</strong> 40 Prozent in den<br />

Kauf von Büchern, berichtet das Marktforschungsunternehmen.<br />

Obwohl etwas über 40<br />

Prozent der Deutschen keine Bücher kaufen<br />

– darunter vor allem Schüler, Studierende <strong>und</strong><br />

24 Prozent Bibliotheksbenutzer –, standen<br />

2005 in jedem vierten deutschen Haushalt<br />

200 bis 500 Bücher zur Verfügung. Neun von<br />

zehn Deutschen haben 2008 mindestens ein<br />

Buch im Jahr gelesen. 50 Prozent aller Leser<br />

„schaffen“ neun bis 18 Bücher <strong>und</strong> mehr im<br />

Jahr. Nur r<strong>und</strong> sieben Prozent aller Deutschen<br />

lesen (<strong>und</strong> kaufen) nie ein Buch.<br />

Inhaltlich steht Unterhaltung im Vordergr<strong>und</strong>.<br />

Haben sich 1999 noch 54 Prozent der<br />

Buchkäufer <strong>mit</strong> Sachinformation versorgt,<br />

waren es 2010 nur noch 38 Prozent. Konkurrent<br />

ist hier das Internet. Zur besonders erfolgreichen<br />

Belletristik gehörten in den letzten<br />

heute schon<br />

Deutschland ist immer noch „Leseland“ –<br />

© picture-alliance/dpa<br />

Jahren auch hierzulande die Weltbestseller:<br />

nach den Harry-Potter-Büchern die Vampirromanzen<br />

von Stephenie Meyer. Sie kurbeln<br />

die Leselust der jüngeren Generationen an.<br />

Vor allem weibliche Teenager gehen regelmäßig<br />

einmal in der Woche in öffentliche Büchereien<br />

<strong>und</strong> versorgen sich <strong>mit</strong> Lesefutter.<br />

Der Roman in Geschenkpapier<br />

In deutschen Bestsellerlisten sind auch<br />

deutschsprachige Romanciers gut vertreten.<br />

Attraktiv sind Titel, die <strong>mit</strong> dem Deutschen<br />

Buchpreis ausgezeichnet wurden, wie etwa<br />

Uwe Tellkamps DDR-Schlüsselroman „Der<br />

Turm“ im Jahr 2008. Die Bandbreite reicht<br />

von ernster Literatur über Unterhaltung bis<br />

zu Autoren, die wie Cornelia Funke für alle<br />

Altersklassen schreiben. Kinder- <strong>und</strong> Jugendbücher<br />

werden von r<strong>und</strong> einem Fünftel aller<br />

Deutschen gekauft – <strong>mit</strong> steigender Tendenz<br />

von Menschen über 50 Jahren, die ihre Enkel<br />

beschenken. Generell überreichen die Deutschen<br />

zu privaten <strong>und</strong> geschäftlichen Anlässen<br />

oft <strong>und</strong> gern Bücher als Geschenk. „Das<br />

Buch wird nicht als Gebrauchsgegenstand aus<br />

Papier betrachtet, sondern als Kulturträger“,<br />

sagt die Erlanger Buchwissenschaftlerin Professor<br />

Ursula Rautenberg.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


geschmökert?<br />

Bücher hoch im Kurs<br />

Als Kulturereignis gilt deshalb auch die internationale<br />

Buch- <strong>und</strong> Medienmesse in Frankfurt<br />

am Main – die „Mutter aller Buchmessen“.<br />

Über 7 500 Aussteller aus mehr als 110 Ländern,<br />

unzählige Autoren <strong>und</strong> mehr Berichterstatter<br />

als bei Fußballweltmeisterschaften treffen<br />

sich dort jedes Jahr im Herbst. Der deutsche<br />

Buchhandel präsentiert hier alljährlich<br />

Weltliteratur <strong>und</strong> verleiht seinen international<br />

renommierten Friedenspreis.<br />

Die Erfolgsgeschichte der zwei großen deutschen<br />

Buchmessen – in Frankfurt am Main<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

<strong>und</strong> Leipzig – reicht bis ins 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zurück. Unweit der Mainmetropole hatte der<br />

Mainzer Goldschmied Johannes Gutenberg<br />

Mitte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts die erste Bibel in<br />

gedruckter Form präsentiert. Sein Meisterschüler<br />

Petrus Schoeffer verfeinerte nicht<br />

nur die Kunst der Drucktechnik. Als einer der<br />

ersten Buchhändler <strong>und</strong> Verleger im Zeitalter<br />

des Buchdrucks organisierte er erfolgreich den<br />

Verkauf eigener <strong>und</strong> fremder Drucke über den<br />

gesamten deutschsprachigen Raum. Schon<br />

bald konzentrierte sich der Handel auf zwei<br />

Zentren. „Frankfurt war das Zentrum des katholischen<br />

Buchhandels <strong>und</strong> der lateinischen<br />

Literatur <strong>mit</strong> einer am päpstlichen Index ausgerichteten<br />

Zensur“, erläutert der Leipziger<br />

titEl<br />

Buchwissenschaftler Professor Siegfried Lokatis.<br />

Leipzig entwickelte sich zur Bücherstadt<br />

der protestantischen Gegenposition.<br />

Die strengen Zensurbestimmungen beförderten<br />

die freie Reichsstadt Frankfurt im 18.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert ins Abseits. Leipzig hingegen entwickelte<br />

sich zur Bücherstadt. Mit fortschreitender<br />

Industrialisierung wurden schließlich<br />

„90 Prozent aller Bücher, die es überhaupt in<br />

Deutschland gab, über Leipzig ausgeliefert“,<br />

sagt Siegfried Lokatis. Von den mehr als 1700<br />

Verlagen, die heute Mitglied im Börsenverein<br />

des Deutschen Buchhandels sind, hatten viele<br />

große Namen ursprünglich ihren ersten Sitz<br />

in Leipzig: Brockhaus, Meyer, Reclam oder<br />

Teubner produzierten dort im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Kochbücher, Sachbücher, Fachbücher, Lehrbücher,<br />

belletristische <strong>und</strong> wissenschaftliche<br />

Literatur. „Auch 90 Prozent aller Notenbücher<br />

der ganzen Welt wurden in Leipzig gestochen.“<br />

Die Produktionsstätten waren groß wie<br />

Fußballfelder, beschäftigten nicht selten über<br />

1000 Mitarbeiter, <strong>und</strong> ganze Güterbahnhöfe<br />

wurden eigens für den Buchhandel gebaut.<br />

Auf einer um 1900 entstandenen Karte von<br />

Leipzig sind r<strong>und</strong> 2 000 Orte eingezeichnet,<br />

die ausschließlich <strong>mit</strong> dem Buchhandel zu tun<br />

hatten. Mit dem Zweiten Weltkrieg endete die<br />

Bedeutung Leipzigs als gesamteuropäisches<br />

Buchhandelszentrum. Nach der deutschen<br />

Wiedervereinigung gab es schließlich wieder<br />

die zwei bis heute erfolgreichen deutschen<br />

Buchmessen.<br />

Die Macht des Buchs<br />

„Das Buch vereint viele positive Zuschreibungen<br />

auf sich: Bildung, dauerhaftes Wissen,<br />

Verlässlichkeit <strong>und</strong> Identifikation“, sagt die<br />

Erlanger Buchwissenschaftlerin (<strong>und</strong> <strong>DAAD</strong>-<br />

Alumna) Ursula Rautenberg. „Der Gr<strong>und</strong> dafür<br />

ist die über zwei Jahrtausende gewachsene<br />

Verankerung des Buchs in der Gesellschaft.“<br />

Die Erfolgsgeschichte des Mediums hat in<br />

Deutschland aber auch <strong>mit</strong> der besonderen<br />

Funktion zu tun, die dem Buch zur Zeit der<br />

Aufklärung in Europa zukam. 500 Lesegesellschaften<br />

<strong>mit</strong> mehr als 25 000 Mitgliedern<br />

13


14 titEl<br />

hatten sich um 1800 auf dem Gebiet des Heiligen<br />

Römischen Reiches gegründet. „Lektüre<br />

förderte ein neues Selbstverständnis der Bürger<br />

als einer Gruppe, die sich gegen den Adel<br />

absetzte“, erklärt die Buchwissenschaftlerin.<br />

Der Bürger war zugleich Leser, <strong>und</strong> das Buch<br />

wurde zu einer Macht, weil „über das Medium<br />

des gedruckten Wortes neue literarische<br />

<strong>und</strong> politische Kommunikationsstrukturen<br />

entstanden.“ Politische Parteien des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

gehen im deutschsprachigen Kulturraum<br />

zum Teil auf Lesegesellschaften zurück.<br />

„Mit der kulturellen Sonderstellung wird auch<br />

die wirtschaftliche Sonderbehandlung des<br />

gedruckten Buches begründet“, betont Rautenberg.<br />

Die Bindung an einen festen Ladenpreis,<br />

der den Preis- <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> Wertverfall von<br />

Büchern verhindern soll, ist in Deutschland<br />

gesetzlich verankert.<br />

Die Aufwertung geht Hand in Hand <strong>mit</strong> einer<br />

verbreiteten Abneigung gegenüber der<br />

Entwertung von Büchern. Ganz gleich, wie<br />

schäbig sie aussehen, ob sie gelesen wurden<br />

oder nicht, <strong>und</strong> selbst wenn sie inhaltlich<br />

durchschnittlich sind – in Deutschland werfen<br />

Leipziger Buchmesse 2011: Der deutsche Erfolgsautor<br />

Wolfgang Hohlbein liest seinen Roman als E-Book<br />

viele Menschen höchst ungern ihre privaten<br />

Bücher in den Abfall. „Das hat<br />

<strong>mit</strong> der nationalsozialistischen Bücherzensur<br />

zu tun <strong>und</strong> besonders <strong>mit</strong> den<br />

symbolischen Bücherverbrennungen<br />

am 10. Mai 1933 in über 200 Universitätsstädten“,<br />

erklärt Rautenberg.<br />

Werke von über 200 Autoren, darunter<br />

vieler jüdischer <strong>und</strong> sozialistischer<br />

Schriftsteller, landeten damals auf dem<br />

Scheiterhaufen.<br />

Leselust <strong>und</strong> Hörvergnügen<br />

Lesefeste im öffentlichen Raum haben im<br />

„Leseland“ Deutschland Konjunktur. Die internationalen<br />

Literaturfestivals in Köln, Hamburg,<br />

Berlin oder München sind alljährlich<br />

ausgebucht. Europas größtes Lesefest bietet<br />

Leipzig: Im März 2011 bot die Stadt parallel<br />

zur Buchmesse beim 20. Festival „Leipzig<br />

liest“ dem begeisterten Publikum über 2 000<br />

Leseveranstaltungen <strong>mit</strong> mehr als 1500 Autoren.<br />

Der Erfolg des Lese-Events in der sächsischen<br />

Großstadt stützt sich auch auf die besondere<br />

Lesetradition zur Zeit der DDR. Die<br />

© Leipziger Messe GmbH/Norman Rembarz<br />

Bücherzensur stachelte die Leselust damals<br />

noch an. „Jedes Buch – wenn es denn erschien<br />

– war für die Leser total interessant“, sagt der<br />

Buchwissenschaftler Siegfried Lokatis. Weltliteratur,<br />

die man lange nicht bekommen konnte,<br />

war häufig bereits am Tag des Erscheinens<br />

vergriffen. West-Literatur, die auf der Leipziger<br />

Buchmesse zum Teil ausgestellt sein durfte,<br />

wurde dort abgeschrieben, auswendig gelernt<br />

oder <strong>mit</strong> stillem Einverständnis der Verleger<br />

gestohlen. „Weil man wusste, dass die Presse<br />

zensiert ist, holte man sich die Welt über das<br />

Buch wieder herein.“<br />

Inszenierte Lesung bietet auch das Hörbuch,<br />

das in Deutschland seit Jahren einen Aufschwung<br />

erlebt. „Das Vorlesen literarischer<br />

Werke in professioneller Rhetorik ist eigentlich<br />

eine Renaissance der antiken Form der<br />

Literaturrezeption“, sagt Ursula Rautenberg.<br />

Das Hörbuch verdrängt das Bücherlesen nicht.<br />

Umfragen bestätigen: Wer Hörmedien nutzt,<br />

greift auch zu anderen Medien. Hörer bleiben<br />

Leser.<br />

Kein Boom für E-Books<br />

Anders als in den USA erlebt das E-Book in<br />

Deutschland <strong>und</strong> den europäischen Nachbarländern<br />

noch keinen vergleichbaren Boom.<br />

Zwar rechnen Verlage bereits <strong>mit</strong> der jüngeren<br />

Generation, für die der Umgang <strong>mit</strong> den<br />

E-Readern eines Tages normal sein wird, aber<br />

noch ist die Nachfrage gering. Am häufigsten<br />

wird das E-Book für die Informationsver<strong>mit</strong>tlung<br />

genutzt. 35 Prozent der deutschen Verlage<br />

führen E-Books <strong>mit</strong> einem Schwerpunkt<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


auf wissenschaftlicher Literatur, Sach- <strong>und</strong><br />

Fachbüchern. Der Umsatz <strong>mit</strong> E-Books machte<br />

2010 nur 0,5 Prozent vom gesamten Umsatz<br />

des deutschen Buchhandels aus. Auch die<br />

jüngste K<strong>und</strong>enbefragung der GfK vom März<br />

2011 belegt: 82 Prozent der Deutschen kaufen<br />

immer noch fast ausschließlich gedruckte Bücher<br />

<strong>und</strong> nur zwei Prozent im Wesentlichen<br />

E-Books. An das sinnliche Leseerlebnis käme<br />

digitales <strong>Lesen</strong> nicht heran, begründen 85 Prozent<br />

aller Befragten. Zudem müsse das E-Book<br />

in Deutschland im Vergleich zu den USA keine<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

© Johannssen/photothek.net<br />

Mit Buch in den Park:<br />

<strong>Lesen</strong> ist ein beliebtes<br />

Freizeitvergnügen<br />

Lücken in der Buchversorgung ausgleichen,<br />

betont Ursula Rautenberg. 4 000 stationäre<br />

Buchhandlungen bilden in Deutschland ein<br />

dichtes Netz zum Stöbern vor Ort. Ein bestelltes<br />

Buch kann innerhalb von zwölf St<strong>und</strong>en<br />

geliefert werden, <strong>und</strong> über 10 000 Bibliotheken<br />

stellen Bücher zur kostenlosen Nutzung<br />

zur Verfügung.<br />

Ungebrochene Attraktivität hat für viele<br />

Deutsche die berufliche <strong>und</strong> wissenschaftliche<br />

Beschäftigung <strong>mit</strong> dem Buch. Das Interesse<br />

am Buchhändlerberuf steigt, <strong>und</strong><br />

© picture-alliance / dpa<br />

titEl<br />

Ausbildungsmöglichkeiten passen sich an<br />

moderne Entwicklungen an. Anders als in den<br />

USA kann man Buchwissenschaft in Deutschland<br />

auch an der Universität studieren. Und<br />

während europaweit das Thema Buch in Fächer<br />

wie Geschichte oder Literaturwissenschaft<br />

integriert ist, hat Deutschland in Leipzig,<br />

Mainz, München <strong>und</strong> Erlangen gleich vier<br />

Institute für Buchwissenschaft. „Leipzig ist für<br />

die historische Forschung weltweit attraktiv,<br />

weil das sächsische Staatsarchiv über 50 riesige<br />

Verlagsarchive hat“, erzählt Siegfried Lokatis.<br />

Das Buch als Kommunikationsmedium,<br />

seine Funktionen in der Gesellschaft <strong>und</strong> seine<br />

Stellung im modernen Mediensystem sind<br />

dagegen Schwerpunkte der buchwissenschaftlichen<br />

Ausbildung in Erlangen. Dort hat auch<br />

die Chinesin Li Rui ihr Studium absolviert <strong>und</strong><br />

für ihre Abschlussarbeit Vergleiche gezogen:<br />

„Die Deutschen lesen viel mehr als die Chinesen“,<br />

sagt Li Rui, aber es gäbe auch Ähnlichkeiten.<br />

Kinderbücher werden auch in China<br />

sehr viel gekauft, gelesen <strong>und</strong> verschenkt –<br />

vor allem von den Großeltern.<br />

Bettina Mittelstraß<br />

Good Old Books<br />

Visitors to Germany see people reading everywhere:<br />

in the <strong>und</strong>ergro<strong>und</strong>, in parks, in waiting<br />

rooms, in trains, people have books in their hands.<br />

E-books are not widespread; German readers<br />

remain sceptical. They like their printed books.<br />

In Germany, books are regarded as an important<br />

vehicle of culture, and hence something to be<br />

preserved. Historically, reading books was an<br />

important part of the European Enlightenment,<br />

and of the rise of the German middle class. At<br />

the same time, books have been an important<br />

item of trade in Germany for over 500 years. In<br />

the 15th century, the golds<strong>mit</strong>h Johannes Gutenberg<br />

of Mainz made Europe’s first printed book.<br />

It was not long before Germany had two major<br />

book fairs: one in Frankfurt am Main and one in<br />

Leipzig. Today the Frankfurt Book Fair is the hub<br />

of the international book trade. And every spring,<br />

Europe’s biggest reading festival takes place in<br />

Leipzig. Germany remains the “Land of Reading,”<br />

and reading printed books remains a favourite<br />

leisure time activity here, even in the digital age.<br />

15


16<br />

titEl<br />

Bibliotheken multimedial<br />

Interview <strong>mit</strong> Ulrich Korwitz<br />

Direktor der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin in Köln <strong>und</strong> Bonn<br />

(ZB MED), Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft<br />

E-Books werden in Deutschland bisher zögerlich genutzt. Der Umbruch<br />

zum digitalen <strong>Lesen</strong> wird vor allem für die Fachliteratur erwartet.<br />

Für wissenschaftliche Bibliotheken bleibt die Entwicklung<br />

daher spannend. Die Deutsche Zentralbibliothek für Medizin ist die<br />

weltweit größte Informationseinrichtung im Fächerkanon Medizin,<br />

Ges<strong>und</strong>heitswesen, Ernährungs-, Umwelt- <strong>und</strong> Agrarwissenschaften.<br />

Welche Inhalte werden an der<br />

ZB MED elektronisch gelesen?<br />

Wir haben millionenfache<br />

Abrufe von elektronischen Zeitschriftenartikeln<br />

im Internet. Die<br />

Verlage machen ihr Geschäft, indem<br />

sie ihre Pakete als Lizenzen<br />

verkaufen. Im Bereich der Medizin<br />

sind heute über 9 000 Zeitschriften<br />

elektronisch verfügbar.<br />

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />

erwirbt seit 2004 für sehr<br />

viel Geld sogenannte Nationallizenzen<br />

für die Archive von einschlägigen<br />

Zeitschriften in allen<br />

Fachbereichen. Die stehen dann<br />

akademischen Einrichtungen in<br />

Deutschland zur Verfügung. Das<br />

ist ein klares Zeichen dafür, dass<br />

Bedarf besteht.<br />

<strong>Lesen</strong> Studierende E-Books?<br />

Die Entwicklung muss man<br />

beobachten. Vielen Studierenden<br />

fehlt im Umgang <strong>mit</strong> dem<br />

E-Book der wörtlich gemeinte<br />

Zugriff auf ein Buch. Sie möchten<br />

gleichzeitig im Index blättern<br />

<strong>und</strong> in den Volltext schauen,<br />

Vergleiche zwischen mehreren<br />

Seiten ziehen oder wichtige Informationen<br />

markieren. Es gibt<br />

da Nachbesserungen bei den<br />

Readern, aber die reichen nicht<br />

aus. Einige Bibliotheken haben<br />

E-Book-Kollektionen gekauft oder<br />

leihen Reader <strong>mit</strong> einer Gr<strong>und</strong>version<br />

von Nachschlagewerken<br />

aus, die dann ständig aktualisiert<br />

wird. Für das Nachschlagen singulärer<br />

Informationen wird das<br />

E-Book genutzt, aber ein ganzes<br />

Lehrbuch der Chirurgie wird eher<br />

noch nicht elektronisch gelesen.<br />

Wie erfolgreich ist die freie<br />

Publikation wissenschaftlicher<br />

Inhalte im Internet?<br />

Zeitschriften im „Open Access“<br />

sind gut etabliert. Wir verlegen<br />

14 Zeitschriften <strong>und</strong> veröffentlichen<br />

etwa 20 Kongressberichte<br />

pro Jahr <strong>mit</strong> je bis zu 1 000 Abstracts<br />

<strong>und</strong> Forschungsberichten.<br />

Da sind wir weit. Fast alle diese<br />

Zeitschriftenartikel existieren<br />

nur digital. Das ist eine klare<br />

Umstellung.<br />

Was bedeutet die elektronische<br />

Publikation für die<br />

Archivierung?<br />

Wir müssen Dateien <strong>mit</strong> Nationallizenzen,<br />

die wir ja für alle<br />

Zeit erworben haben, immer wieder<br />

neu in eine technisch lesbare<br />

Form überführen. Sonst geht das<br />

Material verloren. Zusammen<br />

<strong>mit</strong> der Technischen Informationsbibliothek<br />

Hannover <strong>und</strong><br />

der Deutschen Zentralbibliothek<br />

für Wirtschaftswissenschaften<br />

in Kiel erproben wir derzeit ein<br />

System für die digitale Langzeitarchivierung.<br />

Es gibt noch kein<br />

Standardsystem für die Welt.<br />

Werden Bibliotheken als<br />

Gebäude überflüssig, wenn<br />

sich auch das E-Book<br />

durchsetzt?<br />

Die Studierenden gewöhnen<br />

sich immer stärker an das digitale<br />

<strong>Lesen</strong>, <strong>und</strong> auf Bestände<br />

virtueller Bibliotheken können<br />

sie <strong>mit</strong> entsprechender Lizenz<br />

von überall her zugreifen. Wir<br />

diskutieren dieses Szenario. Aber<br />

wir sehen auch, dass die Bibliothek<br />

eine Funktion als Lernraum<br />

hat. Möglicherweise werden<br />

sich genau da die Angebote von<br />

Bibliotheken erweitern: als ein<br />

Ort, wo Ruhe herrscht, wo die<br />

Studierenden gedruckte <strong>und</strong> elektronische<br />

Bücher, Internet <strong>und</strong><br />

Recherchemöglichkeiten finden<br />

<strong>und</strong> schließlich auch – das ist<br />

vor allem für Mediziner wichtig<br />

– Modelle, Skelette <strong>und</strong> andere<br />

Materialien.<br />

Greifen Sie in Ihrer Freizeit zum<br />

E-Book?<br />

Ich überlege, es auszuprobieren.<br />

Aber ich habe ein schönes<br />

Büchlein gern in der Hand <strong>und</strong><br />

blättere in der Sitzecke, um mich<br />

inspirieren zu lassen. Mal sehen,<br />

ob das E-Book da heranreicht.<br />

Das Gespräch führte<br />

Bettina Mittelstraß<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

© zbmed


Zukunftsvision: Das Modell der Leuphana-<br />

Universität Lüneburg von Daniel Libeskind<br />

Lüneburg<br />

Stararchitekt plant<br />

Uni-Hauptgebäude<br />

Das Jüdische Museum in Berlin<br />

oder das Denver Art Museum<br />

stammen vom ihm. Seine Entwürfe<br />

zum Neubau des World Trade<br />

Center in New York erzielten den<br />

ersten Platz im internationalen<br />

Architektenwettbewerb. Nun wird<br />

der amerikanische Stararchitekt<br />

Daniel Libeskind an der Leuphana-Universität<br />

Lüneburg seine<br />

kreativen Spuren hinterlassen.<br />

Das Hauptgebäude der Hochschule<br />

wird nach seinen Plänen gebaut.<br />

Darin sind Seminarräume,<br />

Hörsäle, ein Forschungszentrum<br />

<strong>und</strong> ein Auditorium Maximum<br />

für 1200 Besucher untergebracht.<br />

Libeskind legte bei der Planung<br />

besonderen Wert auf Energieeffizienz:<br />

Der Neubau wird in der<br />

Gesamtbilanz mehr Energie produzieren<br />

als verbrauchen.<br />

Die niedersächsische Universität<br />

ist dem amerikanischen Architekten<br />

vertraut. Dort entwickelte er<br />

2007 als Gastprofessor <strong>mit</strong> Studierenden<br />

den Entwurf für das neue<br />

Gebäude. Geschätzte Kosten: 58<br />

Millionen Euro. Im Frühjahr 2011<br />

wird der Gr<strong>und</strong>stein gelegt, für<br />

2014 ist der Einzug geplant.<br />

Bochum<br />

R<strong>und</strong> ums Mittelmeer<br />

An der Ruhr-Universität Bochum<br />

wurde Anfang März das Zentrum<br />

für Mittelmeerstudien eröffnet. Es<br />

soll die deutsche Forschung in diesem<br />

Bereich stärken <strong>und</strong> beschäftigt<br />

sich <strong>mit</strong> dem Zeitraum von der<br />

Antike bis zur Gegenwart. Zu den<br />

Schwerpunkten gehören Migration<br />

als regionale Ressource, soziale<br />

sowie politische Netzwerke <strong>und</strong><br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

interkulturelle Kommunikation.<br />

Mit Tagungen, Konferenzen <strong>und</strong><br />

Podiumsdiskussionen soll der<br />

Austausch zwischen den Fachkollegen<br />

vorangetrieben werden.<br />

Zudem bietet das neue Zentrum<br />

Veranstaltungsreihen <strong>und</strong> Foren<br />

zu verschiedenen Themen r<strong>und</strong><br />

ums Mittelmeer an.<br />

Ulm<br />

Neues Helmholtz-Institut<br />

Batterien spielen für die Energieversorgung<br />

<strong>und</strong> die Mobilität<br />

eine immer wichtigere Rolle. So<br />

steht die Batterieforschung im<br />

Zentrum des neuen Helmholtz-<br />

Instituts für Elektrochemische<br />

Energiespeicherung. Anfang des<br />

Jahres begann es <strong>mit</strong> seiner Arbeit<br />

auf dem Campus der Universität<br />

Ulm. Gründer <strong>und</strong> Träger ist<br />

das Karlsruher Institut für Technologie<br />

(KIT). Partner sind das<br />

Deutsche Zentrum für Luft- <strong>und</strong><br />

Raumfahrt <strong>und</strong> das Zentrum für<br />

Sonnenenergie- <strong>und</strong> Wasserstoff-<br />

Forschung Baden-Württemberg.<br />

Sie alle gehören zur Helmholtz-<br />

Gemeinschaft. Sie ist <strong>mit</strong> über<br />

31000 Mitarbeiterinnen <strong>und</strong><br />

Mitarbeitern in 17 Forschungszentren<br />

<strong>und</strong> einem Jahresbudget<br />

von r<strong>und</strong> 3,3 Milliarden Euro die<br />

größte Wissenschaftsorganisation<br />

Deutschlands.<br />

in kürze<br />

Die International Mathematical<br />

Union (IMU), Weltorganisation<br />

der Mathematik, hat seit Anfang<br />

Februar 2011 ihren ständigen Sitz<br />

in Berlin. So<strong>mit</strong> konnte sich die<br />

deutsche Hauptstadt als Standort<br />

gegen Rio de Janeiro <strong>und</strong> Toronto<br />

durchsetzen. Zuvor war die<br />

© Leuphana<br />

Organisation stets am Wohnort<br />

des jeweiligen Generalsekretärs<br />

angesiedelt. Die IMU fördert die<br />

internationale Zusammenarbeit,<br />

veranstaltet Weltkongresse für<br />

die mathematische Fachwelt <strong>und</strong><br />

verleiht unter anderem die Fields-<br />

Medaille, die höchste Auszeichnung<br />

für Mathematiker.<br />

Die Hochschulperle 2010 ging<br />

an die Studentenstiftung der<br />

Technischen Universität Dresden.<br />

Der Stifterverband für die<br />

Deutsche Wissenschaft zeichnet<br />

jeden Monat kleine, innovative<br />

Projekte an Hochschulen aus.<br />

Join the Best<br />

Master of Science<br />

(MSc) in Management<br />

Neues vom campus hochSchUlE<br />

Excellence in Research and Teaching<br />

Integrated Study Abroad / Double Degrees<br />

Specializations across all Fields of Management<br />

Renowned Academics<br />

Our Network:<br />

160 Partner Universities<br />

150 Partner Companies<br />

Alumni Association with more than 2,100 Members<br />

For Details on Information Days,<br />

please visit www.whu.edu/msc<br />

WHU – Otto Beisheim School of Management<br />

Burgplatz 2, 56179 Vallendar, Germany<br />

Tel. +49 261 6509-521/-522<br />

E-mail: master@whu.edu<br />

www.master.whu.edu<br />

Die Hochschulperle 2010 wurde<br />

unter den prämierten Perlen<br />

des ganzen Jahres durch Online-<br />

Abstimmung ausgewählt. Seit der<br />

Gründung 2005 hat die Dresdner<br />

Stiftung zahlreiche Projekte ins<br />

Leben gerufen – stets unter dem<br />

Motto „Studierende fördern Studierende“:<br />

So engagierte sie sich<br />

für längere Öffnungszeiten der<br />

Bibliothek während der Prüfungsphasen.<br />

Außerdem richtete die<br />

Stiftung die Nightline Dresden ein<br />

– ein studentisches Zuhörtelefon<br />

für jegliche Art von Problemen.<br />

Die Technische Universität München<br />

(TUM) gründete im Juni 2010<br />

die TUM Universitätsstiftung <strong>mit</strong><br />

dem Ziel, weltweit zu den besten<br />

Universitäten aufzuschließen. Mit<br />

einem Budget von 16 Millionen<br />

Euro können künftig mehr Projekte<br />

<strong>und</strong> Stipendien für Studierende<br />

oder Dozenten finanziert werden.<br />

Dies gibt der Universität auch die<br />

Möglichkeit, unabhängiger von<br />

staatlichen Geldern zu handeln.<br />

Natalie Zündorf<br />

Highly-ranked among<br />

Masters Programs worldwide<br />

e.g. Financial Times 2010<br />

Excellence in<br />

Management<br />

Education<br />

Msc_<strong>DAAD</strong> Letter_90,5x118.indd 1 03.01.11 10:07<br />

Anzeige<br />

17


18<br />

hochSchUlE<br />

internationale Erfahrungen<br />

Ausländische Studierende schätzen deutsche Hochschulen, Deutsche zieht es nach draußen –<br />

die Bilanz ist ausgeglichen<br />

Weltweit gehört Deutschland zu den beliebtesten<br />

Studienorten. Es ist zugleich<br />

unter den westlichen Industriestaaten das<br />

Land <strong>mit</strong> den mobilsten Studierenden.<br />

Auslandsaufenthalte während des Studiums<br />

haben für junge Deutsche einen hohen<br />

Stellenwert <strong>und</strong> machen Eindruck bei<br />

künftigen Arbeitgebern.<br />

Für Judith Adarkwah stand fest: zwei Semester<br />

im Ausland müssen sein. An ihrer<br />

Heimatuniversität Köln studiert die 21-Jährige<br />

Latein <strong>und</strong> Englisch auf Lehramt. Derzeit ist<br />

die <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin am King’s College in<br />

London. Die selbstbewusst wirkende junge<br />

Frau bringt auf den Punkt, was viele bewegt –<br />

nämlich die Neugier auf Erfahrungen jenseits<br />

der eigenen Campus-Tore: „Als Anglistin finde<br />

ich es unbedingt notwendig, für einen längeren<br />

Zeitraum in einem englischsprachigen<br />

Land gelebt zu haben. Außerdem ist es eine<br />

w<strong>und</strong>erbare Möglichkeit, interessante Erfahrungen<br />

zu sammeln, erwachsen zu werden,<br />

eine andere Gesellschaft <strong>und</strong> andere Lebensweisen<br />

kennen zu lernen, <strong>und</strong> internationale<br />

Kontakte <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaften zu knüpfen.“<br />

Deutsche Unternehmen jedenfalls zeigen<br />

sich zufrieden <strong>mit</strong> der Auslandsmobilität der<br />

Bewerber aus dem eigenen Land. Die Siemens<br />

AG beispielsweise bietet ein internationales<br />

„Graduate Program“ für junge Führungskräfte<br />

an, das auch einen achtmonatigen Auslandsaufenthalt<br />

einschließt. Kerstin Wagner, Leiterin<br />

der internationalen Nachwuchskräfte-<br />

Akquise bei Siemens, lobt: „Für die meisten<br />

ist dies nicht der erste Aufenthalt. Viele der<br />

Kandidaten haben bereits während des Studiums<br />

Erfahrungen im Ausland gesammelt.“<br />

Exakte Daten über die Mobilität deutscher<br />

Studierender sind schwer zu er<strong>mit</strong>teln. Aus<br />

Studien des <strong>DAAD</strong>, der Hochschul-Informations-System<br />

GmbH (HIS), des Deutschen Studentenwerkes<br />

(DSW) <strong>und</strong> aus Absolventenbefragungen<br />

lässt sich der Schluss ziehen, dass<br />

etwa jeder Vierte aller Studierenden (Stand:<br />

Wintersemester 2008/2009) für Studium,<br />

Praktikum, Sprachkurs oder Exkursion im<br />

Ausland war.<br />

Kürzer ins Ausland<br />

Statistiken belegen allerdings auch, dass die<br />

Zahl der Studierenden <strong>mit</strong> Auslandsaufenthalten<br />

seit 2000 sehr viel weniger stark gestiegen<br />

ist als in den 1980er- <strong>und</strong> 1990er-Jahren. Und<br />

wer über die Grenzen schaut, bleibt kürzer,<br />

wie eine aktuelle Studie des <strong>DAAD</strong> <strong>und</strong> der<br />

HIS belegt: Der Anteil der Studierenden, die<br />

sieben bis zwölf Monate an einer ausländischen<br />

Hochschule immatrikuliert sind, ist<br />

zwischen 2003 <strong>und</strong> 2009 um 16 Prozent gesunken;<br />

der Anteil derjenigen, die bis zu sechs<br />

Monate im Ausland studierten, stieg dagegen<br />

im gleichen Zeitraum um 18 Prozent. „Eine Ursache<br />

ist sicherlich die Umstellung auf Bachelor-<br />

<strong>und</strong> Masterstudiengänge“, sagt Claudius<br />

Habbich, Leiter des <strong>DAAD</strong>-Referats „Information<br />

für Deutsche über Studium <strong>und</strong> Forschung<br />

im Ausland“.<br />

Tatsächlich ist die Auslandsquote bei den<br />

Bachelorstudierenden niedriger als in den<br />

alten Diplom- <strong>und</strong> Magisterstudiengängen.<br />

„Weil im Bachelor der Leistungsdruck durch<br />

mehr Lernstoff <strong>und</strong> mehr Prüfungen in kürzerer<br />

Studienzeit gestiegen ist, machen sich die<br />

angehenden Akademiker heute viel stärker<br />

Gedanken darüber, ob ihre Studienleistungen<br />

im Ausland anerkannt werden“, erläutert Habbich.<br />

Diese Anerkennung funktioniere jedoch<br />

nicht immer, durchweg aber in speziellen Partnerprogrammen<br />

<strong>mit</strong> einzelnen ausländischen<br />

Hochschulen. Habbichs Kollegin Simone<br />

Burkhart, Leiterin des <strong>DAAD</strong>-Referats Evaluation<br />

<strong>und</strong> Statistik, bestätigt: „Das Mobilitätsverhalten<br />

ändert sich. Bachelor gehen seltener<br />

während des Studiums, dafür häufiger nach<br />

dem Abschluss ins Ausland.“ Außerdem nehmen<br />

zeitlich kürzere Sprachkurse, Exkursionen<br />

<strong>und</strong> Praktika an Bedeutung zu.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

© <strong>DAAD</strong>


© <strong>DAAD</strong><br />

Studienaufenthalte<br />

im Ausland<br />

verändern die<br />

Persönlichkeit ...<br />

Die Marburger Psychologiestudentin Lena<br />

Rupp, derzeit als <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin an der<br />

Clarks University im US-B<strong>und</strong>esstaat Massachusetts,<br />

sagt: „Ich schätze, nur die Hälfte<br />

der amerikanischen Kurse wird zu Hause anerkannt.<br />

Das ist zwar schade, aber hinderte<br />

mich nicht daran, mich für ein Auslandsstudium<br />

zu bewerben.“ Sie vermutet, dass etwa<br />

zehn bis 15 Prozent ihres Studienjahrgangs<br />

ähnlich denken.<br />

Immer mehr Hochschulen wird bewusst,<br />

wie wichtig es ist, einen Auslandsaufenthalt<br />

im Curriculum einzuplanen. Die Hochschule<br />

Reutlingen beispielsweise hat dafür 2010 vom<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>und</strong> dem Stifterverband für die Deutsche<br />

Wissenschaft das Prädikat „Internationale<br />

Hochschule“ erhalten. In der Fakultät<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

www.go-out .de<br />

. Infos zum Auslandsstudium<br />

. Erfahrungsberichte<br />

. Veranstaltungen, Messen<br />

<strong>und</strong> Infobörsen<br />

. Blog: <strong>DAAD</strong>-Stipendiaten<br />

erzählen<br />

OPEN<br />

YOUR<br />

MIND!<br />

<strong>DAAD</strong>_A4 Anz_Hochschulstart.indd 1 23.09.10 12:32<br />

Business ist ein Auslandssemester Pflicht.<br />

„Wir wollen möglichst alle Absolventen auf den<br />

globalisierten Arbeitsmarkt vorbereiten. Deshalb<br />

ist es Aufgabe der Hochschulleitung, Mobilitätsfenster<br />

zu schaffen“, sagt Baldur Veit,<br />

Leiter des Reutlingen International Office. In<br />

der Fakultät Technik verbringen mindestens<br />

40 Prozent der Studierenden ein Semester im<br />

Ausland – meistens für ihr Praktikum.<br />

Die Reutlinger sehen sich selbst als Trendsetter<br />

– auch was die Attraktivität für ausländische<br />

Studierende anbelangt. „22 Prozent unserer<br />

Studenten kommen aus dem Ausland“,<br />

sagt Veit. Seit 1979 bietet die Hochschule<br />

in der Fakultät Business Doppelabschlüsse<br />

zusammen <strong>mit</strong> Partnerhochschulen in<br />

neun anderen Ländern an. Dass am Standort<br />

Studieren weltweit: www.go-out.de<br />

Sozialerhebung des DSW: www.sozialerhebung.de/pdfs/Soz19_Internationalisierung_Internet.pdf<br />

<strong>DAAD</strong>/HIS-Studie „Internationale Mobilität im Studium“: www.go-out.de/de/14799<br />

erbach-com / Foto: © Eric Isselée, fotolia.com<br />

Studienaufenthalte<br />

<strong>und</strong> Praktika im Ausland!<br />

Gestaltung: | Druck: ditges print+more | Auflage: 2.000 | Dezember 2010 | © <strong>DAAD</strong><br />

<strong>Lust</strong> auf Neues: <strong>DAAD</strong> wirbt im Ausland<br />

<strong>und</strong> in Deutschland für Mobilität<br />

hochSchUlE 19<br />

Reutlingen viele Lehrveranstaltungen auf<br />

Englisch abgehalten werden, senkt die Sprachbarrieren.<br />

Auch wegen solcher Bemühungen<br />

platziert der British Council Deutschland auf<br />

der Spitzenposition: In der aktuellen Erhebung<br />

des Councils zur Internationalisierung<br />

der Hochschulen steht Deutschland noch vor<br />

Australien, Großbritannien <strong>und</strong> China.<br />

Partnerprogramme gern gesehen<br />

Viele der großen Universitäten wie etwa die<br />

Freie Universität Berlin bemühen sich ebenfalls<br />

<strong>mit</strong> Partnerprogrammen um junge Ausländer.<br />

Der US-Student Howard Fisher ist<br />

einer von ihnen. „Vieles von dem, was Deutsche<br />

denken <strong>und</strong> äußern, trifft auch mein<br />

Lebensgefühl“, begründet der heute 23-jährige<br />

Germanistikstudent aus Boston seinen<br />

Entschluss, für ein Jahr nach Berlin zu gehen.<br />

Der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat kam <strong>mit</strong> dem Programm<br />

„Berlin Consortium for German Studies“. Um<br />

daran teilnehmen zu können, hatte er sich eigens<br />

in Boston exmatrikuliert <strong>und</strong> vorübergehend<br />

an der New Yorker Columbia University<br />

eingeschrieben – weil sie der Freien Universität<br />

partnerschaftlich verb<strong>und</strong>en ist.<br />

Nur wenige US-Studierende nehmen solche<br />

Mühen auf sich. Während Deutschland eine<br />

recht ausgeglichene Bilanz von „In-Comings“<br />

<strong>und</strong> „Out-Goings“ vorweisen kann, ist für<br />

Amerikaner ein Auslandssemester vor allem<br />

aus finanziellen Gründen eher unüblich.<br />

Howard Fisher ist einer von knapp 9 000 US-<br />

Studierenden, die im Studienjahr 2008/2009<br />

(Quelle: Open Doors, Institute of International<br />

Education) nach Deutschland kamen. Weit<br />

vorn liegen junge Chinesen <strong>mit</strong> gut 22 000<br />

(Stand: Wintersemester 2009/2010). Knapp<br />

dahinter: Inder, Koreaner <strong>und</strong> Osteuropäer. Im<br />

Wintersemester 2009/2010 kamen 181 249 sogenannte<br />

Bildungsausländer (Studierende, die<br />

ihre Hochschulreife im Ausland erworben haben)<br />

nach Deutschland. Nach einer Phase der<br />

Stagnation zeigt diese Kurve seit 2009 wieder<br />

nach oben – Tendenz steigend: Laut einer Erhebung<br />

des DSW <strong>mit</strong> der HIS will knapp die<br />

Hälfte der jungen Ausländer, die (noch) nicht<br />

im Ausland war, am liebsten in Deutschland<br />

studieren. Mareike Knoke


© Uni Oldenburg<br />

20<br />

ortStErmiN<br />

Oldenburg<br />

magnet im Nordwesten<br />

Der blaue Himmel, die schnell dahinziehenden<br />

Wolken <strong>und</strong> der kräftige Wind<br />

lassen es schon erahnen: Das Meer ist nicht<br />

weit. Zwar liegt Oldenburg nicht direkt an<br />

der Nordsee, doch diese hat großen Einfluss<br />

auf das städtische Leben, auf Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Wissenschaft.<br />

162 000 Einwohner zählt Oldenburg – <strong>und</strong> es<br />

werden mehr. Die Zeitschrift „Capital“ spricht<br />

von einem neuen Magneten im Nordwesten,<br />

im Städteranking 2009 der Zeitschrift „WirtschaftsWoche“<br />

kürten die befragten Unternehmer<br />

Oldenburg zur „wirtschaftsfre<strong>und</strong>lichsten<br />

Stadt“. Das Technologie- <strong>und</strong> Gründerzentrum<br />

– inzwischen das größte in Niedersachsen –<br />

wurde mehrfach <strong>mit</strong> internationalen Preisen<br />

ausgezeichnet. Trotz der beachtlichen Entwicklung<br />

ist Oldenburg ein überschaubarer<br />

Ort im Grünen: Beliebtestes Fortbewegungs<strong>mit</strong>tel<br />

ist – <strong>und</strong> zwar nicht nur bei den insgesamt<br />

etwa 20 000 Studierenden – das Fahrrad.<br />

Stadt der Wissenschaft<br />

2009 überzeugte Oldenburg im b<strong>und</strong>esweiten<br />

jährlichen Wettbewerb „Stadt der Wissenschaft“<br />

<strong>und</strong> durfte sich <strong>mit</strong> diesem Titel<br />

Modern, lebenswert <strong>und</strong> offen – Oldenburg gehört<br />

zu den wenigen Großstädten in Deutschland, deren<br />

Einwohnerzahl wächst. Die ehemalige Residenzstadt<br />

blickt auf über 900 Jahre Geschichte zurück; als „Übermorgenstadt“<br />

stellt sie sich den Herausforderungen<br />

der Zukunft.<br />

© Stadt Oldenburg<br />

schmücken. Die „Übermorgenstadt“ will auch<br />

künftig <strong>mit</strong> ihren Forschungseinrichtungen<br />

„Antworten auf die brennenden Fragen der<br />

Zukunft“ geben – beispielsweise im „Schlauen<br />

Haus“, das im Frühjahr 2012 seine Türen<br />

für Bürger <strong>und</strong> Wissenschaftler öffnet. Dort<br />

werden Oldenburgs wissenschaftliche Kernkompetenzen<br />

zu den Themen Energie <strong>und</strong><br />

Klimaschutz sowie zu künftigen Wohn- <strong>und</strong><br />

Lebensformen präsentiert. Und das alles auf<br />

unterhaltsame Weise. So entsteht <strong>mit</strong>ten in<br />

der Innenstadt ein Ort, an dem Besucher Forschung<br />

hautnah erleben können.<br />

1973 gegründet, gehört Oldenburgs Universität<br />

zu den jungen Hochschulen der B<strong>und</strong>esrepublik.<br />

Namensgeber ist der Friedensnobelpreisträger<br />

Carl von Ossietzky, einer der profiliertesten<br />

Publizisten der Weimarer Republik.<br />

Der Pazifist starb 1938 an den Folgen seiner<br />

Haft in einem Konzentrationslager nahe bei<br />

Oldenburg. Seit der Gründung trägt die Universität<br />

kontinuierlich dazu bei, der Nordwestregion<br />

wirtschaftliche <strong>und</strong> kulturelle Impulse<br />

zu geben. Enge Kooperationen <strong>mit</strong> Wirtschaft,<br />

Verbänden, staatlichen Institutionen <strong>und</strong> kulturellen<br />

Einrichtungen sind heute selbstverständlich.<br />

So hat das B<strong>und</strong>esinstitut für Kultur<br />

<strong>und</strong> Geschichte der Deutschen im östlichen<br />

Europa (BKGE) seinen Sitz in Oldenburg. Es<br />

berät <strong>und</strong> unterstützt die B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Amer Sports Too Uni Oldenburg


ei der Erforschung, Darstellung <strong>und</strong> Weiterentwicklung<br />

von Kultur <strong>und</strong> Geschichte der<br />

Deutschen im östlichen Europa. Als Institut an<br />

die Universität angegliedert ist das BKGE auch<br />

in die universitäre Lehre eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Meeresforschung im Verb<strong>und</strong><br />

Mit dem interdisziplinären Institut für Chemie<br />

<strong>und</strong> Biologie des Meeres verfügt die<br />

Universität Oldenburg über Niedersachsens<br />

einziges universitäres Meeres- <strong>und</strong> Küstenforschungszentrum.<br />

Dort arbeiten seit 2008<br />

zwei Max-Planck-Nachwuchsgruppen für Marine<br />

Geochemie, die die Meeresforschung in<br />

Bremen <strong>und</strong> Bremerhaven sowie in Oldenburg<br />

<strong>und</strong> Wilhelmshaven noch besser <strong>mit</strong>einander<br />

verbinden. Interdisziplinarität charakterisiert<br />

die gesamte Forschung an der Universität: In<br />

der Neurosensorik, Energie-, Halbleiter- <strong>und</strong><br />

Materialforschung sowie in der Wirtschaftsinformatik<br />

<strong>und</strong> der Umweltforschung arbeiten<br />

Wissenschaftler verschiedener Disziplinen<br />

eng zusammen.<br />

Auch die Jade Hochschule <strong>mit</strong> ihren drei<br />

Standorten in Wilhelmshaven, Elsfleth <strong>und</strong> Oldenburg<br />

versteht sich als moderne Hochschule<br />

<strong>mit</strong> einem maritimen Schwerpunkt. Sie bietet<br />

r<strong>und</strong> 35 Studiengänge in sechs Fachbereichen.<br />

Alle drei Studienorte haben eine lange Lehrtradition.<br />

So geht die nautische Ausbildung in<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

© dpa/Ingo Wagner<br />

Kleinstadt in Küstennähe:<br />

Meereswissenschaftler sind an der jungen<br />

Universität in Oldenburg ebenso zu Hause<br />

wie Hörforscher<br />

Elsfleth bis auf das Jahr 1832 zurück. Inzwischen<br />

befindet sich dort die größte nautische<br />

Ausbildungsstätte in Deutschland.<br />

In der Hörforschung Weltspitze<br />

Klangvoller ist Oldenburgs Name vor allem<br />

durch die Hörforscher geworden: In etwa 80<br />

Prozent aller weltweit vertriebenen Hörgeräte<br />

steckt ein Stück Oldenburger Know-how. Seit<br />

Jahren zählt der Fachbereich der Universität<br />

Oldenburg zu den international führenden<br />

Forschungseinrichtungen. Eine ganze Reihe<br />

erfolgreich arbeitender Strukturen wurde<br />

geschaffen, darunter das Oldenburger Kompetenzzentrum<br />

„HörTech“ <strong>und</strong> das „Hörzentrum“.<br />

Seit 2008 verstärkt die Fraunhofer- Projektgruppe<br />

für Hör-, Sprach- <strong>und</strong> Audiotechnologie<br />

aus Ilmenau in Thüringen die Wissenschaftler<br />

in Niedersachsen. Ein gemeinsames<br />

Dach finden alle Hörforscher im „Haus des<br />

Hörens“. Dort steht der b<strong>und</strong>esweit einzige<br />

Kommunikationsakustik-Simulator seiner<br />

Art: Ob Kölner Dom, Klassenraum oder Bahnhofshalle<br />

– jeder beliebige Klangraum kann<br />

akustisch simuliert werden.<br />

Die „Hörsensible Universität“ konnte auch<br />

beim Stifterverband für die deutsche Wissenschaft<br />

punkten. Sie wird <strong>mit</strong> sieben weiteren<br />

Hochschulen in einem Benchmarking-Club<br />

gefördert. In dem Programm „Ungleich besser!<br />

Verschiedenheit als Chance“ geht es unter<br />

anderem darum, eine leise Lernumgebung<br />

zum Vorteil für Studierende <strong>mit</strong> <strong>und</strong> ohne<br />

Hörbeeinträchtigung zu bieten. In Oldenburg<br />

berät bereits eine Clearingstelle Studierende,<br />

die Probleme <strong>mit</strong> dem Hörverstehen haben.<br />

Künftig soll die Beratung ausländischer Studierender<br />

verstärkt werden.<br />

Wissenschaftliche Spitzenleistungen <strong>und</strong><br />

herausragende Lehre – beides zu vereinbaren<br />

<strong>und</strong> auszubauen, darin sieht die Universität<br />

ihren Auftrag für die kommenden Jahre. International<br />

sichtbare <strong>und</strong> interdisziplinäre<br />

Forschung sowie gezielte Nachwuchsförderung<br />

bilden die Basis. Über 80 Studiengänge<br />

bietet die Universität an. Ab 2012 gehört möglicherweise<br />

auch Medizin zum Studienangebot:<br />

Geplant ist eine European Medical School<br />

der Partnerstädte Oldenburg <strong>und</strong> Groningen<br />

(Niederlande). Der Deutsche Wissenschaftsrat<br />

als wichtigstes wissenschaftspolitisches<br />

Beratungsgremium von B<strong>und</strong>esregierung <strong>und</strong><br />

B<strong>und</strong>esländern hat bereits grünes Licht gegeben.<br />

Zunächst müssen das Studienangebot<br />

Adressen online:<br />

Carl von Ossietzky Universität Oldenburg<br />

www.uni-oldenburg.de<br />

Stadt der Wissenschaft<br />

www.uebermorgenstadt.de<br />

Jade Hochschule<br />

www.jade-hs.de<br />

Hörzentrum Oldenburg<br />

www.hoerzentrum-oldenburg.de<br />

B<strong>und</strong>esinstitut für Kultur <strong>und</strong> Geschichte der<br />

Deutschen im östlichen Europa<br />

www.bkge.de<br />

Fraunhofer Institut für Windenergie <strong>und</strong><br />

Meerestechnik<br />

www.iwes.fraunhofer.de<br />

Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie<br />

www.mpi-bremen.de<br />

Stadt Oldenburg<br />

www.stadt-oldenburg.de<br />

Zentrum für Windenergieforschung<br />

www.forwind.de<br />

ausgearbeitet <strong>und</strong> die Finanzierung geklärt<br />

werden. Die vier Oldenburger Kliniken, die<br />

Universität Oldenburg <strong>und</strong> die Universität<br />

Groningen arbeiten dabei eng zusammen.<br />

Die steife Brise der Nordsee hat einen weiteren<br />

Forschungsbereich stark beflügelt: die<br />

Windkraft. „ForWind“ ist das Zentrum für<br />

Windenergieforschung der Universitäten Oldenburg,<br />

Bremen <strong>und</strong> Hannover <strong>und</strong> bildet<br />

einen b<strong>und</strong>esweit einmaligen Forschungsverb<strong>und</strong>.<br />

Die enge Zusammenarbeit <strong>mit</strong> dem<br />

Fraunhofer-Institut für Windenergie <strong>und</strong><br />

Energiesystemtechnik IWES schafft ein Forschungsnetzwerk<br />

von internationalem Gewicht,<br />

das alle Bereiche der Windenergieforschung<br />

abdecken kann. Katja Lüers<br />

Oldenburg<br />

ortStErmiN<br />

Oldenburg boasts 162,000 inhabitants, and<br />

is still growing. The <strong>magazin</strong>e Capital calls it a<br />

new magnet in Germany’s northwest. The city’s<br />

young university, fo<strong>und</strong>ed in 1973, also exerts<br />

an attractive force. It offers over 80 courses of<br />

study, and may add one in medicine in 2012. A<br />

European Medical School is being planned in<br />

Oldenburg and its Dutch sister city Groningen.<br />

Research in hearing is an outstanding speciality:<br />

Some 80 percent of all the hearing aids sold<br />

worldwide use technology developed in Oldenburg.<br />

The city’s auditory researchers share a common<br />

address, the “House of Hearing” (www.<br />

hoerzentrum-oldenburg.de). A communication<br />

acoustics simulator that is unique in Germany is<br />

able to simulate any acoustic environment, from a<br />

classroom to a railway station or Cologne Cathedral.<br />

Another scientific attraction, the Centre for<br />

Wind Power Research, jointly operated by the<br />

universities of Oldenburg, Bremen and Hannover,<br />

is a unique scientific consortium in Germany.<br />

21


22 WiSSENSchaft<br />

1948 zählen vier Nobelpreisträger zu den Gründern (von rechts): Adolf Windaus (Chemie 1928),<br />

Richard Kuhn (Chemie 1938), Max von Laue (Physik 1914), Otto Hahn (Chemie 1944)<br />

In 80 Instituten betreibt die Max-Planck-<br />

Gesellschaft heute Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

von internationaler Bedeutung. Die Wurzeln<br />

reichen bis ins Jahr 1911 zurück.<br />

Ich will einen Roboter dazu bringen, sich in<br />

der Welt so gut zurechtzufinden wie ein zweijähriges<br />

Kind.“ Das Ziel von Michael J. Black<br />

klingt bescheiden. Doch für den Informatiker<br />

ist es das ganz <strong>und</strong> gar nicht: Kleinkinder sind<br />

bereits Virtuosen, wenn sie greifen. Sie beherrschen<br />

dabei zahlreiche Varianten, bewegen<br />

die unterschiedlichsten Formen sicher in<br />

ihren Händen – <strong>und</strong> sie können abstrahieren.<br />

Zweijährige erkennen R<strong>und</strong>es als r<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />

Eckiges als eckig, ganz gleich, wie die R<strong>und</strong>ung<br />

beschaffen ist oder wie viele Ecken ein<br />

Gegenstand hat. „Wir Menschen analysieren<br />

unsere Umwelt in Sek<strong>und</strong>enbruchteilen“, sagt<br />

Black. „Uns reichen der Glanz einer Oberfläche<br />

<strong>und</strong> ihre Schattierungen, um zu erkennen,<br />

ob sie rutschig oder griffig ist.“ Computern<br />

dagegen fehlt das Vermögen, aus wenigen Informationen<br />

auf gr<strong>und</strong>legende Eigenschaften<br />

zu schließen. Genau das möchte der Wissenschaftler<br />

ihnen beibringen.<br />

Weltberühmte<br />

denkschmiede<br />

Die Max-Planck-Gesellschaft feiert 100 Jahre Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

Michael J. Black ist einer der weltweit führenden<br />

Experten für maschinelles Sehen. Deshalb<br />

wurde er Anfang 2011 als Professor an<br />

das damalige Max-Planck-Institut (MPI) für<br />

Metallforschung berufen: An den Standorten<br />

Stuttgart <strong>und</strong> Tübingen etabliert die Max-<br />

Planck-Gesellschaft den neuen Forschungsschwerpunkt<br />

„Intelligente Systeme“, der sich<br />

im Grenzbereich zwischen Informatik, Biologie<br />

<strong>und</strong> Materialwissenschaften bewegt. Mit<br />

dieser Neuausrichtung erhielt das Institut<br />

jetzt einen neuen Namen. Und während Black<br />

kürzlich zu einem der Gründungsdirektoren<br />

des „MPI für Intelligente Systeme“ wurde, ist<br />

das 1934 in Stuttgart gegründete Institut für<br />

Metallforschung Geschichte.<br />

Dynamische Strukturen<br />

Für die Max-Planck-Gesellschaft sind solche<br />

Entscheidungen nicht ungewöhnlich. „Die<br />

Ausrichtung eines Instituts ist nie dauerhaft<br />

festgelegt“, erklärt Peter Gruss, der Präsident<br />

der Organisation. „Sie ist abhängig<br />

von den aktuellen Herausforderungen.“ Der<br />

„Verein zur Förderung der Wissenschaften“<br />

widmet regelmäßig Institute um, wenn ein<br />

Tor für Spitzenforscher: Eingang<br />

zum Hauptsitz in München<br />

Forschungsgebiet sich wandelt. Dazu gehört<br />

auch, dass Abteilungen oder ganze Einrichtungen<br />

schließen, wenn sich auf einem Feld<br />

kein geeigneter Spitzenforscher mehr finden<br />

lässt.<br />

Die hohe Flexibilität stellt sicher, dass die<br />

Max-Planck-Wissenschaftler stets zu den<br />

brennendsten Themen forschen, von der Seuchenbekämpfung<br />

über die Klima-Entwicklung<br />

bis zur Finanzmarktkrise. Immer wieder entstehen<br />

auch völlig neue Institute, wie das MPI<br />

für die Physik des Lichts, das 2009 aus der auf<br />

fünf Jahre befristeten Max-Planck-Forschungsgruppe<br />

für Optik, Information <strong>und</strong> Photonik<br />

hervorgegangen ist.<br />

Die Gruppe hatte der Erlanger Physikprofessor<br />

Gerd Leuchs 2004 beantragt, um auf<br />

höchstem Niveau seine Arbeit zur Quanteninformation<br />

auszubauen. Leuchs <strong>und</strong> seine<br />

Mitarbeiter entwickeln in diesem Bereich<br />

beispielsweise Techniken, um Daten <strong>mit</strong>hilfe<br />

von Laserstrahlen abhörsicher zu übertragen.<br />

Zum Auslaufen der Förderung evaluierte<br />

eine Expertenkommission die Ergebnisse<br />

der Arbeitsgruppe, bewertete sie als herausragend<br />

– <strong>und</strong> zum 1. Januar 2009 wurde<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


das Max-Planck-Institut gegründet, das im<br />

Endausbau vier Abteilungen <strong>und</strong> etwa 300<br />

Mitarbeiter umfasst.<br />

Neuanfang nach dem Krieg<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich hängt die Ausrichtung der Institute<br />

von den Spezialgebieten ihrer Direktoren<br />

ab. Berufen werden nur herausragende<br />

Wissenschaftler, denen die Max-Planck-<br />

Gesellschaft dann viele Freiheiten gewährt.<br />

„Das betrifft beispielsweise die Wahl der<br />

Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter, des Themas<br />

oder der Methoden“, so Präsident Gruss.<br />

Ein Prinzip, das funktioniert: Bis heute gingen<br />

14 Nobelpreise an Max-Planck-Forscher.<br />

Übernommen hat die Max-Planck-Gesellschaft<br />

die Idee von ihrer Vorgängerorganisation, der<br />

Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.<br />

Mit dem auf Spitzenforscher fokussierten<br />

Konzept hatte es die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft<br />

innerhalb weniger Jahre auf 15 Nobelpreise<br />

gebracht. Trotz ihres wissenschaftlichen<br />

Erfolgs wurde sie jedoch zum Ende des<br />

Zweiten Weltkriegs aufgelöst. Während der<br />

Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland<br />

hatten einige der Forscher <strong>mit</strong> dem Regime<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

kooperiert, ethische Grenzen weit überschritten<br />

<strong>und</strong> Verbrechen durch ihre Arbeit zum<br />

Teil erst ermöglicht. Doch der letzte Präsident<br />

der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, der deutsche<br />

Physiker <strong>und</strong> Nobelpreisträger Max Planck,<br />

galt als unbelastet <strong>und</strong> konnte eine Art Auffanggesellschaft<br />

etablieren. Unter dem Namen<br />

Max-Planck-Gesellschaft <strong>und</strong> finanziert aus<br />

öffentlichen Mitteln fügte die bewusste Neugründung<br />

1948 den Verein schließlich formal<br />

in die demokratische Struktur der B<strong>und</strong>esrepublik<br />

Deutschland ein.<br />

Laserrad im Fokus: Am neuen MPI für die Physik des Lichts<br />

werden kompakte optische Datenspeicher erforscht<br />

Das Prinzip, Gr<strong>und</strong>lagenforschung außerhalb<br />

der Universitäten zu organisieren, behielt die<br />

Max-Planck-Gesellschaft bei: „Von Anfang an<br />

war die Aufgabe der Kaiser-Wilhelm-Institute,<br />

auf diese Weise neue Forschungsfelder zu erschließen“,<br />

sagt Peter Gruss. „Voraussetzung<br />

war die Freiheit, sich nicht an den klassischen<br />

Disziplinen <strong>und</strong> Lehrverpflichtungen orientieren<br />

zu müssen.“ Bereits die erste Neugründung<br />

in Berlin-Dahlem betraf ein Gebiet, das<br />

an den deutschen Universitäten keinen Platz<br />

gef<strong>und</strong>en hatte. „Der Chemiker Otto Hahn<br />

hatte sich auf die noch junge Radiochemie<br />

spezialisiert“, erzählt Gruss. Als der spätere<br />

Nobelpreisträger an der Universität keinen<br />

Lehrstuhl erhielt, machte ihn die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft<br />

zum Direktor des Instituts<br />

für Chemie.<br />

Optimale Forschungsbedingungen<br />

Heute unterhält die Max-Planck-Gesellschaft<br />

weltweit 80 Institute, in denen fast 5 000 Wissenschaftler<br />

<strong>und</strong> mehr als 7 000 Nachwuchsforscher<br />

aus dem In- <strong>und</strong> Ausland arbeiten.<br />

Einer von ihnen ist der Kanadier Douglas<br />

Staple: Der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat ist seit 2008<br />

© 1. MPG, 2. MPG-W. Filser, 3. MPI f.d. Physik d. Lichts-P. Banzer<br />

WiSSENSchaft<br />

in Deutschland, um zu promovieren. Sein<br />

Arbeitsplatz ist das Max-Planck-Institut für<br />

Physik komplexer Systeme in Dresden. „Die<br />

Max-Planck-Gesellschaft hat weltweit eine<br />

ausgezeichnete Reputation. Deshalb fiel die<br />

Wahl leicht.“ Spezialgebiet des 25-Jährigen ist<br />

die Biophysik, die Methoden aus der Physik in<br />

der Biologie anwendet. „Wir arbeiten <strong>mit</strong> dem<br />

Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie<br />

<strong>und</strong> Genetik zusammen“, berichtet Staple.<br />

„Dadurch habe ich optimale Bedingungen für<br />

meine Forschung.“<br />

Insgesamt spielen Kooperationen eine wichtige<br />

Rolle in der Max-Planck-Gesellschaft. Ein<br />

Großteil der Forscher übernimmt Aufgaben<br />

in der Lehre oder engagiert sich gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> Universitäten in Projekten <strong>und</strong> Exzellenz-<br />

Clustern. Weitere Partner sind die Fraunhofer-<br />

Institute, deren überwiegend anwendungsorientierte<br />

Arbeit von der Gr<strong>und</strong>lagenforschung<br />

der Max-Planck-Gesellschaft profitiert. Verschiedene<br />

Disziplinen forschen auch innerhalb<br />

der einzelnen Max-Planck-Institute traditionell<br />

zusammen – wie bald am designierten<br />

MPI für Intelligente Systeme, <strong>mit</strong> dem die<br />

Max-Planck-Gesellschaft erstmals maschinelles<br />

Lernen, Bilderkennung, Robotik <strong>und</strong> biologische<br />

Systeme unter einem Dach vereint.<br />

Bettina Röckl<br />

100 Years of<br />

Top-Flight Research<br />

The Max Planck Society (MPG) is one of the best<br />

non-university research establishments in the<br />

world. The MPG currently has 80 member institutes,<br />

where scientists carry out top-flight f<strong>und</strong>amental<br />

research. Their flexible structure allows the<br />

institutes to address current challenges, such as<br />

climate change, epidemics and financial market<br />

crises. In 2011 the MPG is celebrating the 100th<br />

year of its successful design, which began in 1911<br />

with the fo<strong>und</strong>ing of the Kaiser Wilhelm Society<br />

for the Advancement of Science. The Society’s<br />

history has been varied: its top researchers have<br />

won 29 Nobel prizes, but have also included<br />

scientists who participated in crimes of the Nazi<br />

regime. For that reason, the Society was reorganized<br />

after democratic principles in 1948, and<br />

renamed after its former president Max Planck.<br />

23


24 trENdS<br />

auf der Suche nach<br />

dem besseren maß<br />

Neue Indikatoren für eine lebenswerte <strong>und</strong> nachhaltige Zukunft<br />

Das Wohl einer Gesellschaft stellt sich<br />

nicht allein in wirtschaftlichen Wachstumsraten<br />

dar. Auch Umweltschäden <strong>und</strong><br />

andere negative Folgen lassen das Bruttoinlandsprodukt<br />

(BIP) steigen, <strong>und</strong> über<br />

Glück <strong>und</strong> Zufriedenheit sagt der Index<br />

letztlich nichts aus. Wie viele andere europäische<br />

Länder sucht Deutschland nach<br />

neuen Messmethoden.<br />

Ein Autounfall kann wirtschaftlich betrachtet<br />

ein Glücksfall sein. Der Fahrer muss<br />

ärztlich versorgt werden. Das steigert den Umsatz<br />

im Ges<strong>und</strong>heitssektor. Der Stau, der sich<br />

bildet, erhöht den Benzinverbrauch. Der Fahrer<br />

kauft später ein neues Auto <strong>und</strong> nutzt da<strong>mit</strong><br />

der Autoindustrie. Dass der Mensch durch<br />

den Unfall vielleicht ein lebenslanges Trauma<br />

hat, der Schrott seines Wagens den Müllberg<br />

erhöht <strong>und</strong> die Abgase im Stau die Umwelt<br />

belasten, ist wenig erfreulich. Die negativen<br />

Effekte schlagen sich in der ökonomischen,<br />

über den Markt ausgetauschten Wirtschaftsleistung<br />

– dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) –<br />

nicht nieder.<br />

„Wohlfahrt“ ist der Fachbegriff der Volkswirtschaftler<br />

für individuelles Wohlergehen<br />

<strong>und</strong> gesellschaftlichen Fortschritt. Die Erfahrung<br />

vieler Jahrh<strong>und</strong>erte technologischen<br />

Fortschritts ist, dass es Menschen <strong>mit</strong> steigendem<br />

Wohlstand besser geht. Die Methode,<br />

die Wirtschaftsleistung in einer einzigen Zahl<br />

– dem BIP – zu erfassen, entstand 1929 während<br />

der Weltwirtschaftskrise. Als Wohlfahrtsindikator<br />

war das BIP nicht konzipiert, wurde<br />

aber schnell dazu gemacht <strong>und</strong> da<strong>mit</strong> regte<br />

sich bald die Kritik. Der Club of Rome, die 1968<br />

gegründete Vereinigung von Persönlichkeiten<br />

aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft <strong>und</strong> Politik<br />

aus allen Regionen unserer Erde, verwies<br />

schon 1972 auf die Grenzen des Wachstums.<br />

Enquete-Kommission im B<strong>und</strong>estag<br />

Auch in Deutschland verliert die Vorstellung,<br />

dass <strong>mit</strong> steigendem Pro-Kopf-Einkommen<br />

immer mehr Wohlfahrt erreicht wird, zunehmend<br />

an Überzeugungskraft. Das Diktat permanenten<br />

Wachstums wird in öffentlichen<br />

Vorlesungsreihen kritisch hinterfragt <strong>und</strong> in<br />

den Medien diskutiert. Denn die in Statistiken<br />

festgehaltene Wirtschaftsleistung nehmen viele<br />

Menschen im Alltag nicht mehr wahr. Der<br />

Anstieg des Bruttosozialprodukts heißt nicht<br />

automatisch, dass materieller Wohlstand <strong>und</strong><br />

die Lebensqualität aller Menschen gleichermaßen<br />

wachsen. „Man kann in einem hohen<br />

Bruttosozialprodukt eine Gesellschaft verstecken,<br />

in der es einige sehr reiche <strong>und</strong> viele<br />

arme Menschen gibt“, erklärt der Sozialwissenschaftler<br />

Professor Meinhard Miegel. Auch<br />

wenn gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen<br />

sind, wenn Arbeitslosigkeit hoch oder<br />

Bildung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit niedrig sind, kann<br />

der BIP-Index immer noch hoch sein. „Aber<br />

die Gesellschaft ist dann in einer angespannten<br />

<strong>und</strong> gespaltenen Lage – eine entfriedete<br />

Gesellschaft.“<br />

Meinhard Miegel ist Mitglied einer im Januar<br />

2011 vom deutschen B<strong>und</strong>estag eingesetzten<br />

Arbeitsgruppe, die dabei helfen soll, die Entwicklung<br />

der deutschen Gesellschaft besser<br />

© axeptDESIGN.de<br />

zu beschreiben. Wie gut geht es den Deutschen<br />

wirklich? Die Enquete-Kommission „Wachstum,<br />

Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu<br />

nachhaltigem Wirtschaften <strong>und</strong> gesellschaftlichem<br />

Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“<br />

sucht nach weiteren, aussagekräftigen<br />

Messgrößen, die den BIP-Index ergänzen<br />

könnten. Orientierung bietet dabei auch der<br />

„Human Development Index“ (HDI), den die<br />

Vereinten Nationen jedes Jahr veröffentlichen.<br />

„Um sagen zu können: In dieser Gesellschaft<br />

sind die sozialen Spannungen gering <strong>und</strong> in<br />

ihr fühlen sich Menschen wohl, braucht man<br />

mehr Indikatoren als nur einen, der Wachstum<br />

misst“, betont der Sozialwissenschaftler.<br />

Unter dem Eindruck der Finanzkrise hatte<br />

in Europa bereits 2008 der französische Präsident<br />

Nicolas Sarkozy die Aussagekraft des<br />

BIP für Wohlstand <strong>und</strong> Lebensqualität in Frage<br />

gestellt. Die Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph<br />

E. Stiglitz <strong>und</strong> Amartya Sen leiteten die<br />

eingesetzte Kommission, die 2009 erste Empfehlungen<br />

vorlegte, um Wohlbefinden besser<br />

zu bestimmen. Auch in anderen europäischen<br />

Ländern wie Großbritannien oder Schweden<br />

starteten Initiativen.<br />

Für Deutschland er<strong>mit</strong>telten der Heidelberger<br />

Wirtschaftswissenschaftler Professor<br />

Hans Diefenbacher <strong>und</strong> der Berliner Nachhaltigkeitsforscher<br />

Roland Zieschank <strong>mit</strong><br />

Unterstützung des B<strong>und</strong>esumweltamtes den<br />

„Nationalen Wohlfahrtsindex“ (NWI). In diese<br />

Berechungen <strong>mit</strong> 21 Variablen fließen nicht<br />

nur Dienstleistungen <strong>und</strong> Güter <strong>mit</strong> ein. Die<br />

privaten Konsumausgaben werden <strong>mit</strong> der<br />

Einkommensverteilung gewichtet, um Verteilungsprobleme<br />

abzubilden. Positiv dazu<br />

gerechnet werden außerdem Hausarbeit <strong>und</strong><br />

ehrenamtliche Tätigkeit. „Solche Leistungen<br />

schaffen Wohlfahrt, werden aber nicht über<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


den Markt ver<strong>mit</strong>telt“, sagt Hans Diefenbacher<br />

von der Forschungsstätte der Evangelischen<br />

Studiengemeinschaft Heidelberg. Schließlich<br />

wird dagegen gerechnet, was der Wohlfahrt<br />

schadet: Ökologische Schäden, CO2-Ausstoß,<br />

Ressourcenverbrauch, aber auch Kosten für<br />

Verkehrsunfälle, Kriminalität <strong>und</strong> von Alkohol<br />

<strong>und</strong> Drogen verursachte Krankheiten. Das Ergebnis:<br />

Der Nationale Wohlfahrtsindex steigt<br />

in Deutschland, wenn überhaupt, wesentlich<br />

flacher an als das BIP. Seit dem Jahr 2000 werden<br />

in einer Reihe von Jahren sogar Rückgänge<br />

verzeichnet.<br />

Geld allein macht nicht glücklich<br />

Die Suche nach neuen Berechnungsmethoden<br />

ist längst nicht abgeschlossen. Einen<br />

„Fortschrittsindex“ legte 2010 das Zentrum<br />

für gesellschaftlichen Fortschritt in Frankfurt<br />

am Main vor, um gesellschaftliche, ökonomische<br />

<strong>und</strong> ökologische Entwicklungen<br />

abzubilden. Der Index sieht Deutschland auf<br />

einem moderaten Kurs nach vorne. Die Stiftung<br />

„Denkwerk Zukunft“, der Meinhard<br />

Miegel vorsteht, legte ein Memorandum für<br />

ein umfassendes Wohlstandsverständnis vor:<br />

Im „Wohlstandsquartett“ werden auch gesellschaftliche<br />

<strong>und</strong> ökologische Indikatoren berücksichtigt.<br />

Der Deutsche Studienpreis 2010<br />

zeichnete eine Dissertation zu einem neuen<br />

Wohlfahrtsmaß aus; er ging an Martin Binder<br />

vom Max-Planck-Institut für Ökonomik<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

in Jena. „Für gesellschaftlichen Fortschritt ist<br />

auch die Suche nach dem Glück relevant“, sagt<br />

der Evolutionsökonom, der für seine Methode<br />

zur Messung von Wohlfahrt auch empirische<br />

Erkenntnisse aus der Glücksforschung, der<br />

Psychologie, Biologie <strong>und</strong> Neurowissenschaft<br />

heranzog. „Man weiß inzwischen, dass ein<br />

Einkommen über einer bestimmten Schwelle<br />

nicht mehr so wichtig ist für das Glück der<br />

Individuen“, sagt Martin Binder. Von Bedeutung<br />

sind soziale Kontakte, Familie, Selbstbestimmung<br />

im Berufsleben oder ehrenamtliche<br />

Arbeit. „All das ist glückstiftend für Menschen<br />

<strong>und</strong> tritt neben das reine Einkommensmaß.“<br />

Um eine völlige Abkehr vom BIP-Index<br />

geht es in den unterschiedlichen Vorschlägen<br />

nicht. Die Gleichung „steigendes BIP = steigendes<br />

Wohlergehen“ kann für eine Gesellschaft<br />

stimmen, in der die Wirtschaft wenig entwickelt<br />

ist. „Es gibt Gegenden auf der Welt, wo<br />

wir traditionelles Wirtschaftswachstum brauchen,<br />

also mehr Gr<strong>und</strong>bedarfsgüter, Infrastruktur,<br />

Krankenhäuser oder Schulen“, sagt<br />

Hans Diefenbacher. Die Wahrscheinlichkeit,<br />

dass sich in armen Ländern eine steigende<br />

Sozialproduktgröße <strong>und</strong> ein steigendes Pro-<br />

Kopf-Einkommen auch auf das Wohlergehen<br />

der Gesellschaft auswirken, ist hoch. „Diese<br />

Verbindung lässt sich aber nicht aufrechterhalten,<br />

je reicher ein Land bereits ist <strong>und</strong> je<br />

umweltschädlicher es wirtschaftet.“<br />

Bettina Mittelstraß


26 EUropa<br />

aufbruch<br />

nach Europa<br />

Georgien auf dem Weg in den europäischen Hochschulraum<br />

Georgien ist noch kein offizieller<br />

Beitrittskandidat der Europäischen<br />

Union. Seit 2005<br />

gehört die ehemalige Sowjetrepublik<br />

aber zu den Ländern,<br />

die im Namen des Bologna-<br />

Prozesses einen gemeinsamen<br />

europäischen Hochschulraum<br />

aufbauen. In den vergangenen<br />

Monaten haben deutsche <strong>und</strong><br />

französische Professoren <strong>und</strong><br />

Verwaltungsprofis ihre georgischen<br />

Kollegen dabei unterstützt,<br />

das Hochschulsystem<br />

dafür fit zu machen.<br />

In Deutschland arbeiten Hochschulen<br />

bereits seit zehn Jahren<br />

an der Umstellung der Studiengänge<br />

auf das Bachelor- <strong>und</strong><br />

Mastersystem – Georgien hat<br />

sein gesamtes Hochschulsystem<br />

innerhalb von zwei Jahren reformiert.<br />

Kein W<strong>und</strong>er, dass nach<br />

einer solchen „Turbo-Reform“<br />

einiges ungeklärt blieb: Entsprechen<br />

die gesetzlichen Bedingungen<br />

in Georgien überhaupt den<br />

Bologna-Vorgaben? Wie können<br />

Bildungsministerium, Akkreditierungsagentur<br />

<strong>und</strong> Hochschulen<br />

kooperieren <strong>und</strong> gleichzeitig unabhängig<br />

bleiben?<br />

Universität von Tbilissi<br />

Werden georgische Studienabschlüsse<br />

in anderen Mitgliedsländern<br />

anerkannt? Und wie kann<br />

Georgien optimal von internationalen<br />

Hochschulkooperationen<br />

profitieren? Solche Fragen nahmen<br />

deutsche <strong>und</strong> französische<br />

Professoren <strong>und</strong> Verwaltungsprofis<br />

gemeinsam <strong>mit</strong> den georgischen<br />

Kollegen unter die Lupe.<br />

Die EU sandte die Berater ins<br />

Land, der <strong>DAAD</strong> <strong>und</strong> das Centre<br />

international d’études pédagogiques<br />

(CIEP) organisierten die<br />

Expertenmissionen.<br />

Von Deutschland geprägt<br />

„Für den <strong>DAAD</strong> war das Projekt<br />

eine gute Gelegenheit, <strong>mit</strong>hilfe<br />

seines großen internationalen<br />

Expertennetzwerks die ohnehin<br />

engen Beziehungen zu Georgien<br />

© Wikipedia<br />

zu stärken“, sagt Cay Etzold vom<br />

<strong>DAAD</strong>, der in Tbilissi die Expertenmissionen<br />

koordinierte. Seit<br />

Beginn des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts ist<br />

das wissenschaftliche Denken<br />

stark von deutschen <strong>und</strong> europäischen<br />

Wissenschaftlern geprägt,<br />

sie unterstützten 1918 die erste<br />

Hochschulgründung. „Heute gibt<br />

es zahlreiche Kooperationen zwischen<br />

georgischen <strong>und</strong> deutschen<br />

Hochschulen. Deutschland ist bei<br />

georgischen Studierenden das beliebteste<br />

Studienland“, erklärt Cay<br />

Etzold.<br />

Die Qualitätssicherung an den<br />

georgischen Hochschulen war ein<br />

wichtiges Ziel des EU-Projekts.<br />

„Es gab Zeiten, da konnte jeder<br />

eine Universität in Georgien eröffnen.<br />

Ende der 1990er Jahre existierten<br />

in dem kleinen Land über<br />

Steckbrief<br />

Was wurde gefördert?<br />

Mit dem Twinning-Instrument fördert die EU den Auf- <strong>und</strong><br />

Ausbau öffentlicher Strukturen in ihren Beitritts- <strong>und</strong><br />

Nachbarländern. In diesem Projekt ging es darum,<br />

Georgien stärker in den Europäischen Hochschulraum zu<br />

integrieren.<br />

Wer war zuständig?<br />

Das Projekt wurde vom georgischen Bildungs- <strong>und</strong><br />

Wissenschaftsministerium <strong>und</strong> dem B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung in Kooperation <strong>mit</strong> dem<br />

<strong>DAAD</strong> <strong>und</strong> dem französischen Centre international<br />

d’études pédagogiques (CIEP) durchgeführt. Für das<br />

Finanzmanagement war die Deutsche Gesellschaft für<br />

Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zuständig.<br />

Wie lange lief das Projekt?<br />

Beginn war im Juni 2009. Das Projekt endete nach 21<br />

Monaten im März 2011.<br />

Wie viel Geld war im Spiel?<br />

Die EU stellte 1,1 Millionen Euro bereit.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

© Tamar Kobuladze


Reformen angestoßen:<br />

Nodar Surguladze, stellvertretender<br />

Minister für Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft<br />

(rechts) <strong>und</strong> Cay Etzold<br />

(<strong>DAAD</strong>)<br />

260 Hochschulen“, berichtet Julia<br />

Schwarzenberger, die das Projekt<br />

vom <strong>DAAD</strong> in Bonn aus betreut.<br />

Erst durch den Bologna-Prozess<br />

sei eine Prüfung für die Gründung<br />

von Hochschulen geschaffen<br />

worden.<br />

Zurzeit entwickeln Bildungsministerium,Akkreditierungsinstitut<br />

<strong>und</strong> Hochschulen gemeinsam<br />

Methoden <strong>und</strong> Kriterien, um<br />

Hochschulen <strong>und</strong> Studiengänge<br />

zu evaluieren. Ein Mitarbeiter einer<br />

deutschen Akkreditierungsagentur<br />

informierte <strong>und</strong> beriet<br />

seine Kollegen bei der georgischen<br />

Akkreditierungsagentur<br />

<strong>und</strong> die Mitarbeiter, die an den<br />

Hochschulen für Qualitätssicherung<br />

zuständig sind. Gemeinsam<br />

spielten sie durch, wie die Uni<br />

sich selbst darstellen möchte,<br />

welche Inhalte in den Studiengängen<br />

behandelt werden sollen <strong>und</strong><br />

wie viele Kreditpunkte es dafür<br />

gibt. So wurden die gesetzlichen<br />

Gr<strong>und</strong>lagen angepasst, Indikatoren<br />

zur Qualitätssicherung aufgestellt,<br />

ein nationaler Qualifikationsrahmen<br />

entwickelt, Anstöße<br />

für neue Hochschulpartnerschaften<br />

geschaffen, Kooperationen <strong>mit</strong><br />

Wirtschaftsverbänden angeregt<br />

<strong>und</strong> vieles mehr.<br />

Cay Etzold <strong>und</strong> Julia Schwarzenberger<br />

ziehen ein positives Fazit:<br />

Insgesamt 123 Kurzzeiteinsätze<br />

<strong>mit</strong> fast 40 Experten aus sechs europäischen<br />

Ländern lautet die Bilanz<br />

der vergangenen 21 Monate.<br />

Nun soll das erfolgreiche Projekt<br />

in benachbarte Länder wie Armenien<br />

oder Aserbaidschan getragen<br />

werden. Jana Degener<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Die Welt entdecken:<br />

Stipendien machen es möglich<br />

Nachrichten<br />

ERASMUS<br />

Neue Rekordzahlen<br />

Das ERASMUS-Programm der<br />

Europäischen Union bleibt auf<br />

Erfolgskurs: R<strong>und</strong> 29 000 Studierende<br />

aus Deutschland haben im<br />

Hochschuljahr 2009/2010 eine<br />

Förderung erhalten: über 24 000<br />

für ein drei- bis zwölfmonatiges<br />

Auslandsstudium, fast 5 000 für<br />

ein Praktikum. Da<strong>mit</strong> erreichte<br />

ERASMUS einen neuen Höchststand<br />

in Deutschland.<br />

Inzwischen nehmen 31 Staaten<br />

an ERASMUS teil. Neben den<br />

27 EU-Ländern sind das Island,<br />

Liechtenstein, Norwegen <strong>und</strong> die<br />

Türkei sowie künftig Kroatien<br />

<strong>und</strong> die Schweiz. Die gefragtesten<br />

Ziele der deutschen Studierenden:<br />

Spanien (20 Prozent), Frankreich<br />

(18 Prozent) <strong>und</strong> Großbritannien<br />

(12 Prozent). Die Praktikanten zog<br />

es in dieselben Länder, wenn auch<br />

in anderer Reihenfolge: Großbritannien<br />

rangiert als Zielland<br />

ganz oben, gefolgt von Spanien<br />

<strong>und</strong> Frankreich. Auch deutsche<br />

Dozenten macht ERASMUS mobil:<br />

2 805 unterrichten an einer ausländischen<br />

Hochschule.<br />

Mobilitätsstipendien<br />

Gerda Henkel Stiftung gibt<br />

Millionen<br />

Historiker, Archäologen, Kunsthistoriker<br />

<strong>und</strong> Islam-Wissenschaftler<br />

<strong>mit</strong> internationalen Forschungsvorhaben<br />

haben einen neuen<br />

Gönner: Die 1976 gegründete Gerda<br />

Henkel Stiftung <strong>und</strong> die Europäische<br />

Union stellen gemeinsam<br />

7,5 Millionen Euro für 100 Forschungsstipendien<br />

bereit, wobei<br />

die Stiftung 60 Prozent, die EU 40<br />

Prozent finanzieren. Die künftigen<br />

Stipendiaten sollen den größten<br />

Teil der zweijährigen Laufzeit<br />

© istockphoto.com<br />

an einer Institution ihrer Wahl im<br />

Ausland verbringen. Die Themen<br />

sind frei wählbar. Bewerben können<br />

sich erfahrene Forscher <strong>und</strong><br />

Nachwuchswissenschaftler ohne<br />

Altersbeschränkungen.<br />

Bewerbungsschluss: 30. Juni 2011<br />

www.gerda-henkel-stiftung.de<br />

Bologna-Prozess/Ingenieure<br />

Universitäten unterstützen<br />

Bachelor<br />

Die ingenieurwissenschaftlichen<br />

Fakultäten aller deutscher Universitäten<br />

(4ING) haben sich gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> der Vereinigung der<br />

Arbeitgeber <strong>und</strong> der deutschen<br />

EUropa<br />

Industrie hinter die neuen Abschlüsse<br />

Bachelor <strong>und</strong> Master für<br />

Ingenieure gestellt. Im Gegensatz<br />

zu den neun führenden Technischen<br />

Universitäten TU9, die den<br />

Titel „Diplom-Ingenieur“ retten<br />

wollen (Letter berichtete), sprechen<br />

sich die Universitätsvertreter<br />

für die gestuften Studiengänge<br />

aus. Diese entstanden im Zuge der<br />

Bologna-Reform.<br />

Studierende sollen sich im Lauf<br />

des Studiums umorientieren können<br />

<strong>und</strong> nach dem Bachelor „zu<br />

einem eher anwendungs- oder einem<br />

forschungsorientierten Mas -<br />

ter in der gleichen oder einer anderen<br />

Disziplin“ wechseln können.<br />

Dabei müsse der Zugang zum<br />

Masterstudium von der Leistung<br />

abhängen. Starre Quoten lehnen<br />

4ING, Arbeitgeber <strong>und</strong> Industrie<br />

in ihrem im März 2011 veröffentlichten<br />

gemeinsamen Eckepunktepapier<br />

ab. KS<br />

Anzeige<br />

27


28 rätSEl<br />

rätSEl<br />

WEr War’S<br />

Professor Grübler fragt<br />

Geboren ist er zur Zeit des deutschen Kaiserreichs als neuntes Kind einer jüdischen Familie. Gestorben ist er als<br />

Bürger der DDR.<br />

Seine Eltern müssen sich oft gefragt haben: Was soll aus dem Jungen bloß mal werden? Denn als junger Erwachsener<br />

zieht er selbstkritisch eine erste Lebensbilanz: „Ich war von der Schule fortgelaufen <strong>und</strong> hatte als Kaufmann<br />

versagt. Ich war Student geworden <strong>und</strong> hatte kein Examen zuwege gebracht. Ich hatte mich als Dichter versucht<br />

<strong>und</strong> war gescheitert.“ Endlich gelingt ihm doch noch der ersehnte Aufstieg auf der wissenschaftlichen Karriereleiter:<br />

Promotion <strong>mit</strong> 31 Jahren, im Jahr darauf bereits die Habilitation <strong>mit</strong> einer Arbeit über den französischen Philosophen<br />

Montesquieu. Danach: Professor für Romanistik.<br />

Wegen seiner jüdischen Herkunft verliert er in der Hitler-Ära seine Professur, lebt völlig zurückgezogen in Dresden.<br />

Der Deportation in ein KZ entgeht er dank der Tapferkeit seiner nicht-jüdischen Ehefrau Eva, einer Pianistin. Sie hält<br />

treu zu ihm <strong>und</strong> weigert sich immer wieder, in die von den Nazi-Behörden geforderte Scheidung einzuwilligen.<br />

1947 veröffentlicht er ein Buch, in dem er darlegt, wie die Nazis die deutsche Sprache durch systematische Wort-<br />

Hervorhebungen <strong>und</strong> Umdeutungen in den Dienst ihrer Propaganda gestellt haben. Seine große Bekanntheit verdankt<br />

der Professor aber einem Werk, das<br />

erst 36 Jahre nach seinem Tod in einem<br />

In der deutschen Sprache gibt es eine Fülle von Verben, um Geräusche zu beschreiben.<br />

Einige Beispiele: Der Regen prasselt. Die Tür quietscht. Der Motor dröhnt. Hier sollen<br />

weitere Verben gef<strong>und</strong>en werden, die <strong>mit</strong> Geräusch <strong>und</strong> Klang zu tun haben <strong>und</strong> die in<br />

den jeweiligen Zusammenhang passen. Die gekennzeichneten Buchstabenfelder ergeben<br />

hintereinander gelesen das Lösungswort. Umlaute kommen nicht vor. Die Lösung<br />

stammt ebenfalls aus der Welt des Hörens – <strong>und</strong> ist identisch <strong>mit</strong> dem Romantitel eines<br />

bekannten deutschen Schriftstellers.<br />

Ein wachsamer H<strong>und</strong>: Er bei Gefahr<br />

Im Theater: Das zufriedene Publikum in die Hände<br />

Beim Wasserkochen: Schließlich der Dampfkessel<br />

Herbstspaziergang: Das Laub im Wind<br />

Ein Alarm-Signal: Plötzlich die Sirene<br />

Weitgehende Ruhe: Im Zimmer nur die Wanduhr<br />

In der Grünanlage: Unter den Schuhsohlen der Kies<br />

Im Wald: Der Specht gegen die Baumrinde<br />

Musikalischer Anfänger: Er auf dem Klavier<br />

Typisch für eine Ziege: Sie<br />

Auf dem Schulhof: Das Glöckchen<br />

<strong>und</strong> ruft zum Unterricht<br />

<strong>und</strong> verlangt Futter<br />

Wegen der Pünktlichkeit: Morgens der Wecker<br />

Lösungswort<br />

Schreiben Sie das Lösungswort an t<br />

Unter den richtigen Lösungen werden zehn Hauptgewinne <strong>und</strong> fünf Trostpreise vergeben. Bei<br />

diesem Rätsel nehmen an der Auslosung nur Einsendungen von Leserinnen <strong>und</strong> Lesern teil, deren<br />

Muttersprache nicht Deutsch ist. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Bitte die vollständige Adresse<br />

des Absenders angeben!<br />

DIE GEWINNER KÖNNEN ZWISCHEN FOLGENDEN PREISEN WÄHLEN:<br />

1. Duden – Die deutsche Rechtschreibung. Dudenverlag<br />

2. Duden – Zitate <strong>und</strong> Aussprüche. Herkunft <strong>und</strong> aktueller Gebrauch. Dudenverlag<br />

3. Grimms Märchen. Vollständige Ausgabe. Mit Illustrationen<br />

von Otto Ubbelohde. Köln: Anaconda Verlag<br />

4. Lied – gut! Die schönsten deutschen Volkslieder.<br />

Calmus Ensemble Leipzig. Edition chrismon<br />

Bitte geben Sie <strong>mit</strong> der Lösung auch den von Ihnen gewünschten Preis an.<br />

Berliner Verlag herauskommt: Es sind seine<br />

Tagebuch-Aufzeichnungen aus der Nazi-Zeit,<br />

die er sorgsam versteckt hatte.<br />

Beklemmend anschaulich hat er darin notiert,<br />

was er als Jude während der zwölf<br />

Schreckensjahre erlebt <strong>und</strong> durchlitten hat:<br />

die alltägliche Diskriminierung, seine Angstträume,<br />

den Umgang <strong>mit</strong> der ständigen<br />

Ungewissheit. Zahllose private Gespräche<br />

von Nazis <strong>und</strong> Antinazis über das Regime,<br />

Gerüchte, Witze, scheinbar belanglose Beobachtungen<br />

auf der Straße, Schlussfolgerungen<br />

aus seiner Zeitungslektüre – all dies<br />

hat er fast Tag für Tag akribisch festgehalten<br />

<strong>und</strong> reflektiert. Da<strong>mit</strong> hinterlässt er für die<br />

Nachgeborenen ein Buch, das bewegend<br />

<strong>und</strong> authentisch wie kaum ein anderes das<br />

Leben <strong>und</strong> Überleben eines Verfolgten unter<br />

Hitler nachzeichnet.<br />

Professor Grübler fragt: Wer war’s?<br />

Unter den richtigen Lösungen werden<br />

fünf Gewinner ausgelost. Der Rechtsweg<br />

ist ausgeschlossen. Bitte wählen Sie unter<br />

den links unten genannten Preisen.<br />

Senden Sie die Lösung an t<br />

!<br />

Redaktion <strong>DAAD</strong> Letter<br />

Trio MedienService GbR<br />

Chausseestraße 103<br />

10115 Berlin, Germany<br />

Fax: +49 30/85 07 54 52<br />

E-Mail: raetsel@trio-medien.de<br />

Einsendeschluss ist der 4. Juli 2011<br />

Die Lösung <strong>und</strong> die Gewinner<br />

der vorigen Letter-Rätsel<br />

finden Sie auf Seite 42<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

SprachWErkStatt<br />

Schlagen Sie nach!<br />

Für die deutsche Rechtschreibung<br />

gibt es ein ein Standardwerk<br />

zum Nachschlagen: Nachschlagen: den<br />

Duden. Was es <strong>mit</strong> <strong>mit</strong> diesem<br />

Buch auf sich hat <strong>und</strong> auf<br />

wen es zurückgeht, lesen Sie<br />

im folgenden Text. Dort sind<br />

an 30 Stellen Rechtschreibfehler<br />

versteckt, die zu finden<br />

sind. Im Zweifelsfall schlagen<br />

Sie doch einfach im Duden<br />

nach! Das geht auch unter<br />

www.duden.de.<br />

Vielleicht Vielleicht haben Sie ihn schon öfter zur Hand genommen: den Duden, das grosse StanStandardwerk der deutschen Rechtschreibung. In seiner aktuelen Ausgabe, der 25. Auflage<br />

von 2009, sind r<strong>und</strong> 135 000 Stichwörter enthalten. Drei Jahre zuvor war nach langem<br />

hin <strong>und</strong> her <strong>und</strong> gründlicher Überarbeitung die jüngste deutsche Rechtschreibreform<br />

entgültig <strong>und</strong> verbindlich in kraft getreten.<br />

Der Mann, der dem Werk seinen Nahmen gab, war Konrad Alexander Friedrich Duden<br />

(1829 – 1911), dessen Todestag sich am 1. August dieses Jahres zum h<strong>und</strong>ertstenmal<br />

jährt. Gebohren wurde er als Sohn eines Gutsbesitzers bei Wesel. Nach dem Abitur studierte<br />

er in Bonn Filologie, Germanistik <strong>und</strong> Geschichte. Im Revolutionsjahr 1848 brach<br />

er sein Studium ab <strong>und</strong> nahm in Frankfurt am Main eine Stelle als Hausleerer an. Sein<br />

Staatsexamen holte er 1854 nach <strong>und</strong> promovierte anschliessend an der Universität Marburg.<br />

Kurz darauf ging er als Hauslehrer nach Italien, wo er Adeline Jakob kennenlernte,<br />

die später (1861) seine Ehefrau <strong>und</strong> Mutter der sechs gemeinsamen Kinder wurde.<br />

1859 nach Deutschland zurück gekehrt, unterichtete Konrad Duden zunächst zehn Jahre<br />

an einem Soester Gymnasium. Danach wurde er Director eines Gymnasiums in Schleiz<br />

<strong>und</strong> begann schon bald, Rechtschreibregeln für seine Schule zu erarbeiten. Das besondere<br />

an diesen Regeln: Sie richteten sich erstmals am Prinzip der Fonetik aus – gemäss<br />

dem Motto: Schreibe, wie Du sprichst.<br />

Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 bewirkte, daß nun für ganz Deutschland<br />

allgemein gültige Rechtschreibregeln eingeführt werden sollten. Zwar wurden die Reformbestrebungen<br />

1876 durch das Veto des Reichskanzlers Otto von Bismarck zunächst<br />

zunichte gemacht. Doch Duden, der im selben Jahr Direktor des Königlichen Gymnasiums<br />

in Bad Hersfeld wurde, liess sich nicht beirren <strong>und</strong> veröfentlichte 1880 sein „Vollständiges<br />

Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“. Der heute so genannte<br />

„Uhrduden“ enthielt 27 000 Stichwörter <strong>und</strong> bildete die Gr<strong>und</strong>lage für eine einheitliche<br />

Rechtschreibung im deutschen. Es dauerte aller Dings noch weitere zwölf Jahre, bis der<br />

deutsche B<strong>und</strong>esrat beschloß, Dudens Regeln als verbindlich für das gesammte deutsche<br />

Reich einzuführen – ein Beschluss, den auch Österreich-Ungarn <strong>und</strong> die Schweiz<br />

übernamen.<br />

Erst <strong>mit</strong> 76 Jahren ging Konrad Duden in den Ruhestand. Doch auch dann wollte er nicht<br />

kürzer treten, sondern arbeitete weiter <strong>mit</strong> in der Dudenredaktion, die er noch bis zur<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende fast allein geführt hatte. Am 1. August 1911 ferstarb er in Sonnenberg<br />

bei Wiesbaden <strong>und</strong> wurde im Familiengrab in Bad Hersfeld beigesetzt.<br />

Christine Hardt<br />

LÖSUNG: große; aktuellen; Hin <strong>und</strong> Her; endgültig; Kraft; Namen; h<strong>und</strong>ertsten Mal; geboren; Philologie;<br />

Hauslehrer; anschließend; zurückgekehrt; unterrichtete; Direktor; Besondere; gemäß; du; dass;<br />

zunichtegemacht; ließ; veröffentlichte; Urduden; Deutschen; allerdings; beschloss; gesamte; Deutsche;<br />

übernahmen; kürzertreten; verstarb.<br />

© Duden<br />

aUfgESpiESSt<br />

Rätselhafte Floskeln<br />

SprachEckE<br />

Wer heutzutage zwischen Flensburg <strong>und</strong> Garmisch<br />

unterwegs ist <strong>und</strong> sich dabei notgedrungen<br />

in Hotels, Gaststätten <strong>und</strong> Geschäften<br />

herumtreibt, wird von der einst vielbeklagten<br />

„Servicewüste Deutschland“ nicht mehr allzu<br />

viel spüren. Vor allem sprachlich nicht. Bis zum<br />

Abwinken wird dem Reisenden ein fre<strong>und</strong>liches<br />

„Kein Problem!“ oder „Sehr gern!“ entgegenschallen<br />

– selbst bei Bitten oder Fragen, die<br />

solche Antworten ein wenig seltsam, vielleicht<br />

sogar übertrieben erscheinen lassen: „Ich hätte<br />

gerne noch ein Bier!“ – „Kein Problem!“. Merkwürdig,<br />

nicht wahr? Und manchmal ein bisschen<br />

nervig. Gerade im weltweit bekannten Kernland<br />

des Gerstensafts sollte es eigentlich nirgendwo<br />

ein Problem sein, einen simplen Zapfhahn<br />

ein Stück weit herumzudrehen <strong>und</strong> das frische<br />

Bier dem Gast dann <strong>mit</strong> einem schlichten „Bitte<br />

sehr!“ zu servieren.<br />

„Sehr gern!“ übrigens hat bereits vielfach das<br />

alte „Bitte!“ ersetzt – jemand hält einem die Tür<br />

auf, man sagt: „Danke!“ <strong>und</strong> bekommt zur Antwort:<br />

„Sehr gern!“. Oder nur: „Gern!“. Ob die oft<br />

wie angelernt wirkenden Sprach-Fertigteilchen<br />

womöglich nur bedeuten: „Lass mich in Ruhe!“?<br />

Man sollte solche Verbal-Versatzstücke natürlich<br />

nicht nur <strong>mit</strong> Argwohn betrachten <strong>und</strong> darf<br />

durchaus annehmen, dass sie oft guten Willen<br />

transportieren. Auch wenn sie selten einmal<br />

wirklich angemessen sind – <strong>und</strong> die Angemessenheit<br />

der Rede gilt doch seit jeher als ein wichtiges<br />

Element konstruktiver Rhetorik.<br />

Floskeln zu gebrauchen, die alle ständig im M<strong>und</strong>e<br />

führen, ist das Gegenteil von originell <strong>und</strong><br />

da<strong>mit</strong> auch von persönlich. Aber es sind eben<br />

Floskeln, mehr nicht. „Wie geht’s?“ ist ja auch<br />

keine Frage nach dem persönlichen Wohlergehen,<br />

sondern eine unverbindliche Gesprächseinleitung.<br />

Doch anders als beispielsweise in den<br />

USA werden solche sprachlichen Versatzstücke<br />

in Deutschland nicht unbedingt als hilfreich angesehen.<br />

Es kann ein sensibles Gemüt durchaus<br />

stören, wenn es vor sieben Uhr morgens <strong>mit</strong> der<br />

Floskel „Schönen Tag noch!“ aus der Bäckerei<br />

entlassen wird. Der Tag hat doch noch nicht einmal<br />

richtig angefangen! Da lobt man sich denn<br />

doch ganz altmodische Verabschiedungen wie<br />

„Einen guten Morgen!“ oder einfach: „Auf Wiedersehen!“<br />

findet<br />

29


© <strong>DAAD</strong><br />

30<br />

daad report<br />

kritische geister<br />

Führungsnachwuchs auf entwicklungspolitisch relevanten Gebieten<br />

Seit 2008 fördert der <strong>DAAD</strong> fünf deutsch-afrikanische Fachzentren<br />

zur Ausbildung von Führungseliten. Bei einem Treffen<br />

am Fachzentrum für Entwicklungsforschung <strong>und</strong> Strafjustiz<br />

in Kapstadt vereinbarten die Leiter aller Zentren eine stärkere<br />

inhaltliche Vernetzung untereinander.<br />

Lovell Fernandez ist ein ruhiger, besonnener<br />

Mann – doch das Thema Wirtschaftskriminalität<br />

bringt ihn auf. „Korruption <strong>und</strong> Geldwäsche<br />

hemmen die wirtschaftliche Entwicklung<br />

<strong>und</strong> paralysieren viele afrikanische Staaten“,<br />

echauffiert sich der Professor für Strafjustiz<br />

der südafrikanischen University of the Western<br />

Cape (UWC) in Kapstadt. Niemand wisse<br />

genau, wie viel Geld weltweit gewaschen werde.<br />

„Sicher ist, dass Wirtschaftskriminalität<br />

erheblichen Schaden anrichtet, insbesondere<br />

in Entwicklungsländern.“<br />

Entscheidend für die Bekämpfung dieser<br />

Verbrechen seien gut qualifizierte Juristen,<br />

darauf geschult, die sich häufig in internationalen<br />

Verflechtungen abspielenden Machenschaften<br />

strafrechtlich zu verfolgen. „An solchen<br />

Experten mangelt es in Südafrika, wie<br />

auch in vielen anderen Staaten.“ Fernandez<br />

arbeitet daran, diesen Mangel zu beheben: Er<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


Wir sind Afrika:<br />

Vertreter aller fünf Zentren<br />

vernetzen sich<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Wegweisend:<br />

Die künftige Führungselite bildet<br />

sich an den deutsch-afrikanischen<br />

Fachzentren weiter<br />

ist Direktor der Abteilung für Strafjustiz des<br />

<strong>DAAD</strong>-geförderten Südafrikanisch-Deutschen<br />

Fachzentrums für Entwicklungsforschung<br />

<strong>und</strong> Strafjustiz. Hier werden unter anderem<br />

Juristen für die Bekämpfung solcher Verbrechen<br />

ausgebildet.<br />

Seit 2008 fördert der <strong>DAAD</strong> fünf Fachzentren<br />

zur Ausbildung von Führungseliten in<br />

Subsahara-Afrika. Ende Januar trafen sich an<br />

der UWC in Kapstadt Leiter, Mitarbeiter <strong>und</strong><br />

Studierende aller Fachzentren. Sie diskutierten<br />

vor allem, wie sich die Zentren inhaltlich<br />

stärker vernetzen lassen. Die Ergebnisse:<br />

Für 2012 ist ein Workshop der Doktoranden<br />

aller Fachzentren in Namibia vorgesehen,<br />

außer dem soll es eine Alumni-Sommerschule<br />

geben. Und dort, wo es die thematische Ausrichtung<br />

zulässt, werden die einelnen Zentren<br />

enger kooperieren.<br />

Juristen arbeiten zusammen<br />

Das Zentrum für Strafjustiz wird <strong>mit</strong> dem<br />

Tansanisch-Deutschen Fachzentrum für Menschenrechte<br />

<strong>und</strong> internationales Recht in Dar<br />

es Salaam zusammenarbeiten. Die Themengebiete<br />

ergänzen sich: In Dar es Salaam umfasst<br />

das Curriculum Verfassungsrecht, Menschenrechte<br />

<strong>und</strong> Rechtsvergleich <strong>mit</strong> starkem Bezug<br />

zur ostafrikanischen Gemeinschaft. Am<br />

Zentrum für Strafjustiz in Kapstadt geht es<br />

im einjährigen Masterkurs um internationale<br />

Strafjustiz, Strafverfolgung beim Übergang<br />

von einer Staatsform in eine andere, Bekämpfung<br />

von Korruption, Geldwäsche <strong>und</strong> organisierter<br />

Kriminalität.<br />

Pro Jahrgang können sich drei Studierende<br />

für ein weiterführendes PhD-Programm qualifizieren.<br />

Eine von ihnen ist Juliet Okoth aus<br />

Kenia. Die 31-jährige Juristin schloss den Masterkurs<br />

2009 ab <strong>und</strong> geht nun in ihrem PhD-<br />

Studium der Frage nach, warum Konspiration<br />

– also die Verabredung zum Begehen von Verbrechen<br />

– im internationalen Strafrecht nicht<br />

als Straftatbestand behandelt wird <strong>und</strong> ob<br />

dadurch eine Lücke im Rechtssystem besteht.<br />

Was sie in ihrem Studium antreibt? „Prägend<br />

waren vor allem die Gewalteskalationen in ihrer<br />

Heimat nach den Präsidentschaftswahlen<br />

2007“, sagt Juliet Okoth. Nach dem Konflikt<br />

kam die Frage auf, wie man <strong>mit</strong> den Straftätern<br />

verfahren solle. „Da habe ich festgestellt,<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

dass es in Kenia an Juristen für diese Themengebiete<br />

fehlt, <strong>und</strong> mich beim Fachzentrum der<br />

UWC beworben.“<br />

Neben Juristen bereiten sich an dem Doppelzentrum<br />

in Kapstadt auch Sozialwissenschaftler,<br />

Politikwissenschaftler <strong>und</strong> Ökonomen auf<br />

leitende Positionen in der Entwicklungszusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> der Regierungsverwaltung<br />

vor. Drei verschiedene Masterstudiengänge<br />

bietet die Abteilung für Entwicklungsforschung<br />

an, ebenso wie ein weiterführendes<br />

PhD-Programm. „In Projekten der Entwicklungszusammenarbeit<br />

besetzen bislang meist<br />

ausländische Experten die Schlüsselpositionen“,<br />

sagt Britta Niklas, Koordinatorin des<br />

Masterprogramms am deutschen Partnerinstitut,<br />

dem Institut für Entwicklungsforschung<br />

Critical Minds<br />

daad<br />

The five German–African Centres of Excellence<br />

train Africa’s future leaders in fields relevant to<br />

development policy. One example: corruption and<br />

money-la<strong>und</strong>ering are hampering the continent’s<br />

economic development. Well-qualified lawyers<br />

are essential to combat these crimes, and they<br />

are being trained at the South African–German<br />

Centre for Development Research and Criminal<br />

Justice in Capetown. At a meeting in Capetown,<br />

the directors of all five Centres of Excellence<br />

resolved to intensify their academic networking.<br />

A workshop for the doctoral candidates of all the<br />

centres is being planned for 2012 in Namibia.<br />

A summer school programme for alumni is also<br />

projected. The Capetown centre in particular will<br />

cooperate with the Tanzanian–German Centre for<br />

Postgraduate Studies in Law in Dar es Salaam.<br />

31


32 daad<br />

<strong>und</strong> Entwicklungspolitik der Ruhr-Universität<br />

Bochum. Dabei sei es für den Erfolg <strong>und</strong> die<br />

Nachhaltigkeit solcher Projekte wichtig, leitende<br />

Positionen <strong>mit</strong> afrikanischem Personal<br />

zu besetzen. Diese Führungselite findet am<br />

Zentrum der UWC eine Ausbildungsstätte.<br />

Wissen anwenden <strong>und</strong> weitergeben<br />

Einer der Studenten im Masterprogramm<br />

für Entwicklungsforschung ist Zoheb Khan.<br />

Nach seinem Bachelorabschluss in Politikwissenschaften<br />

<strong>und</strong> Ökonomie arbeitete er<br />

ein Jahr lang als Sozialarbeiter bei einer<br />

© Jürgen Schulzki<br />

Professor für Strafjustiz Lovell Fernandez:<br />

„Wirtschaftskriminalität richtet erheblichen<br />

Schaden an“<br />

Nichtregierungsorganisation, die sich für eine<br />

bessere Schulbildung in südafrikanischen<br />

Townships einsetzt. „Das hat mich motiviert,<br />

mich eingehender <strong>mit</strong> Entwicklungspolitik zu<br />

befassen“, sagt Khan. Der 24-jährige Südafrikaner<br />

schreibt parallel an zwei Masterarbeiten.<br />

Thema in beiden ist das „Black Economic<br />

Empowerment“-Programm der südafrikanischen<br />

Regierung, das die wirtschaftliche Teilhabe<br />

benachteiligter Bevölkerungsgruppen in<br />

Südafrika erhöhen soll. In der einen Arbeit<br />

untersucht er, wie südafrikanische Unternehmen<br />

<strong>mit</strong> dem Programm umgehen, <strong>und</strong> in der<br />

anderen, wie es sich auf die öffentliche Infrastruktur<br />

auswirkt. „Das Ziel des Programms<br />

ist gut <strong>und</strong> wichtig, aber die Umsetzung wird<br />

kontrovers betrachtet“, sagt Khan. Sie eröffne<br />

beispielsweise neue Möglichkeiten für Korruption.<br />

Sein Thema sei hochsensibel. Wer die<br />

Umsetzung des Programms kritisiere, setze<br />

sich dem Verdacht aus, das Ziel – die verstärkte<br />

wirtschaftliche Teilhabe der schwarzen <strong>und</strong><br />

farbigen Bevölkerung – zu missbilligen.<br />

Kritische Geister wie Zoheb Khan hat das<br />

Fachzentrum am UWC bereits mehrfach hervorgebracht:<br />

Die Abteilung für Strafjustiz hat<br />

30, die Abteilung für Entwicklungsforschung<br />

111 Absolventen. Die große Mehrheit stammt<br />

aus afrikanischen Staaten. „Viele Studierende<br />

melden sich zurück <strong>und</strong> erzählen, sie seien<br />

stolz, das Gelernte für ihr Land anzuwenden“,<br />

sagt Britta Niklas.<br />

Auch Khan möchte sich gerne den Problemen<br />

seiner Heimat widmen, doch er fühlt<br />

sich noch hin- <strong>und</strong> hergerissen: „Es wäre auch<br />

schön, im internationalen Kontext zu arbeiten<br />

<strong>und</strong> andere Länder kennen zu lernen.“ Juliet<br />

Okoth ist sich dagegen sicher, dass sie zurück<br />

nach Kenia gehen wird. Sie würde gerne als<br />

Staatsanwältin für internationales Strafrecht<br />

arbeiten oder an einer kenianischen Universität<br />

lehren. „Wir brauchen mehr qualifizierte<br />

Juristen, um die Probleme unseres Landes anzugehen“,<br />

findet Okoth. Und dabei möchte sie<br />

helfen – indem sie ihr am Fachzentrum erworbenes<br />

Wissen an möglichst viele Studierende<br />

weitergibt. Dietrich von Richthofen<br />

Afrikanisch-Deutsche Fachzentren<br />

Ghanaisch-Deutsches Fachzentrum für Entwicklungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsforschung<br />

Partner: University of Ghana – Universität Bonn (ZEF) <strong>und</strong> Universität Heidelberg<br />

Kongolesisch-Deutsches Fachzentrum für Mikrofinanz<br />

Partner: Université Protestante au Congo – Frankfurt School of Finance and<br />

Management<br />

Tansanisch-Deutsches Fachzentrum für Rechtswissenschaft<br />

Partner: University of Tanzania – Universität Bayreuth<br />

Namibisch-Deutsches Fachzentrum für Logistik<br />

Partner: Polytechnic of Namibia – Fachhochschule Flensburg<br />

Südafrikanisch-Deutsches Fachzentrum für Entwicklungsforschung <strong>und</strong> Strafjustiz<br />

Partner: University of the Western Cape – Ruhr-Universität Bochum <strong>und</strong> Humboldt-<br />

Universität Berlin<br />

www.african-excellence.de<br />

Die Zentren werden über fünf Jahre aus Mitteln der „Aktion Afrika“ des Auswärtigen<br />

Amtes gefördert. Alle Zentren basieren auf bestehenden Beziehungen zu Instituten<br />

deutscher Hochschulen <strong>und</strong> kooperieren auf Augenhöhe <strong>mit</strong> den deutschen Partnern.<br />

kleine<br />

Mit dem Programm „Internationale Netzwerke<br />

Klimawandel“ fördert der <strong>DAAD</strong><br />

Kooperationen in der Aus- <strong>und</strong> Fortbildung,<br />

um globale Strategien gegen den<br />

Klimawandel zu erarbeiten. Eines von vier<br />

Klimanetzen ist „GrassNet“. Die Wissenschaftler<br />

interessiert, wie sich die klimatischen<br />

Veränderungen auf Graslandschaften<br />

auswirken.<br />

Stürme, Hochwasser, Dürren – der Klimawandel<br />

wird zunehmend spürbar. Auch<br />

dort, wo man ihn am wenigsten erwartet, zum<br />

Beispiel in den riesigen Graslandschaften, die<br />

ein Viertel der Erdlandfläche bedecken. Wie<br />

sie auf den Klimawandel reagieren, untersucht<br />

„GrassNet“, eine internationale Hochschulkooperation,<br />

die sich über vier Kontinente<br />

erstreckt. Beteiligt sind die Universitäten<br />

Hohenheim <strong>und</strong> Kassel-Witzenhausen, das Instituto<br />

Nacional de Tecnologia Agropecuaria in<br />

Argentinien, das Kenya Agricultural Research<br />

Institute <strong>und</strong> die Egerton University in Kenia<br />

sowie die Northeast Normal University in China.<br />

Durch Austausch von Studierenden <strong>und</strong><br />

Wissenschaftlern soll das Wissen über Grasländer<br />

gemehrt <strong>und</strong> deren Verletzlichkeit im<br />

Klimawandel untersucht werden.<br />

„Was hat Gras <strong>mit</strong> klimatischen Veränderungen<br />

zu tun?“, fragen sich viele Laien. Folkard<br />

Asch, Pflanzenphysiologe <strong>und</strong> Agrarökologe<br />

an der Universität Hohenheim <strong>und</strong> Koordinator<br />

von GrassNet, erläutert den Zusammenhang:<br />

„Grasland ist verletzlich <strong>und</strong> wichtig<br />

für die Biodiversität.“ Wenn sich das Klima<br />

ändert, kann die Artenvielfalt der Grasländer<br />

verarmen, weil Wasser <strong>und</strong> Bodentiefe beispielsweise<br />

den Aufwuchs von Bäumen nicht<br />

zulassen. Da viele andere Pflanzenarten von<br />

diesem Lebensraum abhängig sind, können<br />

ganze Ökosysteme veröden.<br />

Der Wandel der Artenzusammensetzung hat<br />

auch wirtschaftliche Folgen. Wenn Grasland<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


pflanze <strong>mit</strong> großer Wirkung<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Fünf Hochschulpartner<br />

untersuchen<br />

die Verletzlichkeit von<br />

Graslandschaften<br />

verarmt, sinkt die Qualität des Futters für<br />

Wiederkäuer, die Milch <strong>und</strong> Fleisch liefern.<br />

In manchen Regionen droht hier ein Teufelskreis,<br />

etwa in China: Dort vernichten Bauern<br />

riesige Grasländer, um Mais für die Schweinezucht<br />

anzubauen. Oder im Norden Argentiniens:<br />

Durch die Klimaerwärmung kann dort<br />

neuerdings Reis angebaut werden, auch dadurch<br />

gehen Graslandflächen verloren.<br />

Ein Teufelskreis<br />

Grasländer auf verschiedenen Kontinenten<br />

haben vieles gemeinsam, es gibt aber auch<br />

regionale Unterschiede. Welche das sind, soll<br />

GrassNet klären. Die dort vertretenen Regionen<br />

<strong>mit</strong> ihren politischen Hintergründen<br />

könnten unterschiedlicher nicht sein: In China<br />

bestimmt die Regierung, wie Land genutzt<br />

wird, in Argentinien dagegen entscheiden das<br />

die Großgr<strong>und</strong>besitzer. Am flexibelsten <strong>und</strong><br />

am stärksten zu Kompromissen bereit sind die<br />

Verantwortlichen in Kenia, weil das Land dort<br />

von Nomaden genutzt wird. Das Klimanetz<br />

kümmert sich deshalb nicht nur um ökologische<br />

Aspekte, wichtig ist ebenso die sozialökologische<br />

Expertise, die von der Universität<br />

Kassel beigesteuert wird.<br />

Geplant ist, dass die Institute an den Partneruniversitäten<br />

in China, Kenia <strong>und</strong> Argentinien<br />

über die fünfjährige Projektlaufzeit<br />

insgesamt zwölf Masterstudenten nach Hohenheim<br />

beziehungsweise Witzenhausen<br />

schicken. Außerdem veranstalten die Partner<br />

fünf Summerschools, von denen die ersten<br />

beiden in Hohenheim stattfanden, die nächsten<br />

beiden in Witzenhausen. Dazu kommen<br />

so genannte Sandwich-PhDs, also Promotionen,<br />

bei denen der Doktorvater an einer der<br />

© Okapia/imagebroker/Florian Kopp<br />

Graslandschaft: Lebensgr<strong>und</strong>lage<br />

für andere Pflanzen <strong>und</strong> Tiere<br />

daad<br />

ausländischen Partnerunis sitzt, der Doktorand<br />

aber Teile seiner Arbeit in Deutschland<br />

absolviert. Deutsche Studierende waren bisher<br />

noch nicht bei den ausländischen Partnern,<br />

doch auch hier sind einige Entsendungen von<br />

Postdocs anvisiert.<br />

Breite Förderpalette<br />

„Mit den Klimanetzen hat der <strong>DAAD</strong> die ganze<br />

Bandbreite der Förderinstrumente ausgeschöpft,<br />

um den Beteiligten möglichst viele<br />

Freiheiten zu lassen“, sagt Joachim Schneider,<br />

beim <strong>DAAD</strong> Leiter des Referats Fach- <strong>und</strong> Sonderprogramme.<br />

„Gerade das macht es für uns<br />

so reizvoll“, lobt Folkard Asch. Verschiedene<br />

wissenschaftliche Interessen <strong>und</strong> Zeitskalen<br />

– von der Masterarbeit über die Promotion<br />

bis zu nachhaltiger, längerer Forschungsarbeit<br />

von jungen Wissenschaftlern – ließen<br />

sich so abdecken. Die eigentliche Forschung<br />

finanziert der <strong>DAAD</strong> allerdings nicht, diese<br />

Mittel müssen GrassNet <strong>und</strong> die drei anderen<br />

bewilligten Klimanetze zusätzlich einwerben.<br />

GrassNet hat seit dem Start 2009 vom B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> Entwicklung den Zuschlag für vier<br />

weitere Projekte erhalten. Folkard Asch hofft<br />

auf eine Weiterförderung, wenn das Klimanetz<br />

2013 ausläuft, „weil wir möglichst viele junge<br />

Menschen auf die Klimaprobleme aufmerksam<br />

machen möchten“. Michael Müller<br />

Mehr Informationen: www.grassnet.info.<br />

33


34 daad<br />

Stipendiaten forschen<br />

Biotechnologie<br />

Die Natur als Heil<strong>mit</strong>tel<br />

Kopfschmerzen: Ein unangenehmes Gefühl<br />

<strong>und</strong> ein pochender Schmerz können oft unerträglich<br />

sein. Eine Tablette hilft schnell, doch<br />

nicht immer sind chemische Medikamente nötig.<br />

Der Extrakt der Weidenrinde wurde schon<br />

im antiken Griechenland gegen Schmerzen<br />

aller Art verwendet. „Die Natur bietet so viele<br />

verschiedene pflanzliche Medikamente,<br />

deren Wirkungsweise aufgr<strong>und</strong> der vielen<br />

Inhaltsstoffe noch nicht gut untersucht sind“,<br />

erklärt Anna Koptina, <strong>DAAD</strong>-Stipendiatin aus<br />

Russland.<br />

An der Universität Bonn vergleicht sie die<br />

Effekte von pflanzlichen <strong>und</strong> synthetischen<br />

Medikamenten, um Gemeinsamkeiten <strong>und</strong><br />

Unterschiede in ihrer Wirkungsweise zu ergründen.<br />

Anna Koptina möchte nach ihrem<br />

Studium in der pflanzlichen Arznei<strong>mit</strong>tel-Forschung<br />

arbeiten. Dort will sie die Basis bei der<br />

Anwendung von pflanzlichen Medikamenten<br />

erweitern. „Vor allem die wissenschaftlichen<br />

Erklärungen für die verschiedenen Effekte des<br />

Weidenrinden-Extraktes interessieren mich“,<br />

sagt die 27-jährige Stipendiatin.<br />

Als Höhepunkt ihres Deutschlandaufenthaltes<br />

wird sie im Juni 2011 <strong>mit</strong> anderen jungen<br />

Forschern nach Lindau fahren <strong>und</strong> dort beim<br />

„61st Meeting of Nobel Laureates“ knapp 20<br />

Nobelpreisträger aus dem Bereich Physik <strong>und</strong><br />

Medizin treffen. „Ich freue mich sehr über die<br />

Chance, so renommierten Wissenschaftlern<br />

zu begegnen“, sagt Anna Koptina.<br />

Natalie Zündorf<br />

© tinpalace/www.sxc.hu<br />

Kinderpsychologie<br />

Einfluss der Kulturen<br />

Eine Hexe auf dem Computer-Bildschirm<br />

guckt immer wieder aus einem anderen Fenster.<br />

Sobald sie erscheint, drücken fünf- bis<br />

zwölfjährige Kinder aus Syrien <strong>und</strong> Deutschland<br />

so schnell wie möglich eine Taste. „Mit<br />

dieser Untersuchung konnten wir die Aufmerksamkeit<br />

der jungen Probanden testen“,<br />

erklärt Jamal Sobeh. Der <strong>DAAD</strong>-Stipendiat<br />

verwendete solche Verfahren, um Daten für<br />

seine Doktorarbeit zu sammeln. Das Thema:<br />

„Aufmerksamkeitsfunktionen <strong>und</strong> ihre<br />

Aufmerksam?<br />

Deutsche <strong>und</strong> syrische<br />

Kinder am PC im Vergleich<br />

© Jamal Sobeh<br />

Entwicklung bei Vorschul- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulkindern:<br />

eine kulturvergleichende Studie bei<br />

Kindern aus Damaskus (Syrien) <strong>und</strong> Aachen<br />

(Deutschland)“. Von der Rheinisch-Westfälischen<br />

Technischen Hochschule Aachen aus<br />

fuhr er mehrmals nach Damaskus, um Kinder<br />

an staatlichen Schulen zu testen. Da<strong>mit</strong> betrat<br />

er Neuland, denn in arabischen Ländern gab<br />

es bisher keine Studien zu diesem Thema.<br />

Die arabischen Kinder schnitten durchschnittlich<br />

schlechter ab – sie zeigten langsamere<br />

Reaktionen <strong>und</strong> mehr Fehler – als<br />

ihre deutschen Altersgenossen. Jamal Sobeh<br />

ist der Meinung, dass es an den Kulturunterschieden<br />

liegen könnte: „In der arabischen<br />

Kultur spielt Zeit im Sinne von ‚so schnell wie<br />

möglich’ keine so große Rolle wie in Deutschland.<br />

Zudem ist die westlich-individualistische<br />

Kultur um einiges leistungsorientierter als die<br />

arabisch-kollektivistische.“<br />

„Deutschland ist meine dritte Heimat“,<br />

sagt der in Syrien lebende palästinensische<br />

Flüchtling. Dennoch wird er zurück nach Syrien<br />

gehen, denn dort werden gut qualifizierte<br />

Psychologen dringend benötigt. Dies merkt<br />

er immer wieder bei seinen Besuchen in Damaskus.<br />

Er arbeitet bei den Ordensschwestern<br />

„Gute Hirten“ <strong>mit</strong> traumatisierten Kindern<br />

<strong>und</strong> bietet psychologische Hilfe an. Gute Erfahrungen<br />

hat er <strong>mit</strong> einem Workshop für Mütter<br />

zu hyperaktiven Kindern gemacht. „Die Frauen<br />

waren sehr motiviert <strong>und</strong> wollten alles über<br />

dieses Thema wissen. Mit einer solch guten<br />

Resonanz habe ich nicht gerechnet“, sagt Jamal<br />

Sobeh. Natalie Zündorf<br />

Visuelle Anthropologie<br />

Mit der Kamera ins Innere schauen<br />

„Das Äußere zu filmen bedeutet, sich dem<br />

Inneren zu nähern“ – das ist für Karin Dürr<br />

mehr als der Titel ihrer Masterarbeit. Es ist<br />

das Credo ihrer Forschung <strong>und</strong> ihrer Filme.<br />

Gemeinsam <strong>mit</strong> Carolin Röckelein hat sie für<br />

ihre Masterarbeit an der Freien Universität<br />

Berlin einen Film über burmesische Flüchtlinge<br />

in Thailand gedreht. Im Fachbereich Visual<br />

and Media Anthropology bewegen sich Karin<br />

Dürr <strong>und</strong> Carolin Röckelein an der Grenze<br />

zwischen Filmkunst <strong>und</strong> ethnografischer Forschung.<br />

Vier Wochen lang haben die beiden<br />

Berliner Stipendiatinnen im Frühjahr 2010<br />

eine Gruppe von Jugendlichen an ihrem ungewöhnlichen<br />

Wohnort porträtiert.<br />

Die 16-jährige Zu Zin Moe <strong>und</strong> ihre Fre<strong>und</strong>e<br />

leben auf einer Müllhalde an der Grenze zwischen<br />

Thailand <strong>und</strong> Burma. Als burmesische<br />

Flüchtlinge haben sie keinerlei rechtlichen<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


Autonom: Burmesische Flüchtlinge<br />

leben auf einer Müllkippe in Thailand<br />

Schutz, sie sind vogelfrei. Anders als in den für<br />

sie vorgesehenen Camps können die Jugendlichen<br />

<strong>und</strong> ihre Familien auf der Müllkippe ein<br />

selbstbestimmtes Leben führen: Sie verdienen<br />

Geld, indem sie recycelbare Reste sammeln,<br />

die im maschinellen Prozess der Mülltrennung<br />

übrig geblieben sind. In<strong>mit</strong>ten der Müllkippe<br />

haben die Erwachsenen ein kleines Kino aus<br />

einem alten Fernseher <strong>und</strong> einem DVD-Player<br />

eingerichtet, es kostet umgerechnet nur ein<br />

paar Cent Eintritt. Wenn sich ihr harter Arbeitstag<br />

dem Ende zuneigt, hocken die Bewohner<br />

der Müllhalde in der Sicherheit der Nacht<br />

zusammen auf dem staubigen Boden, der ihr<br />

Zuhause ist, <strong>und</strong> singen Karaoke. „Was willst<br />

du später werden?“, fragt Zu Zin Moe einen<br />

Fre<strong>und</strong>. „Ich möchte Filmstar werden. Aber es<br />

ist unmöglich, es ist ein ganz weit entfernter<br />

Traum.“ Zu Zin Moe übernimmt die Rolle der<br />

Journalistin, manchmal filmt sie sogar selbst.<br />

So sprengt der Film „Finders Keepers. Dreamless<br />

Sleepers“ die starre Dreiecksbeziehung<br />

zwischen Zuschauer, Dokumentarfilmer <strong>und</strong><br />

Akteuren vor der Kamera. „Uns geht es darum,<br />

was während des Filmens <strong>mit</strong> denjenigen<br />

passiert, die vor <strong>und</strong> hinter der Kamera<br />

stehen“, erklärt Karin Dürr. „Gerade dadurch<br />

entsteht auch ein stärkerer Eindruck beim Zuschauer.“<br />

Die Regisseurinnen sind überzeugt:<br />

Wer filmt, erlebt das Vertraute neu. Auch <strong>und</strong><br />

gerade sich selbst.<br />

www.gipfelfilm.de Julia Walter<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Mechatronik<br />

Abenteuer Osteuropa<br />

Drei Semester lang hatte Mechatronikstudent<br />

Matthias Uhlemann an der Technischen Universität<br />

Dresden Russisch gepaukt, bevor er<br />

Sven Rost, dem ersten <strong>DAAD</strong>-Lektor seines<br />

Fachgebietes, im Oktober 2009 in die Ukraine<br />

folgte. Während eines Praktikums an der<br />

Nationalen Technischen Universität Donezk<br />

entschied sich Matthias Uhlemann dafür,<br />

die Diplomarbeit dort anzuschließen. Seine<br />

Forschung hätte er überall durchführen können<br />

– für seinen Entwurf eines hyperred<strong>und</strong>anten<br />

Roboterarmes brauchte er nur einen<br />

Laptop. Doch die Abenteuerlust zog ihn nach<br />

Osteuropa.<br />

Ein hyperred<strong>und</strong>anter Roboter hat so viele<br />

Möglichkeiten sich zu bewegen, dass er auch<br />

Hindernisse umgehen kann. An solchen<br />

Robotern fehlt es zum Beispiel<br />

der Automobilindustrie. Dort werden<br />

deshalb noch r<strong>und</strong> 70 Prozent der Produktionsschritte<br />

von Menschenhand<br />

ausgeführt. „Ein Hindernis für den<br />

Einsatz hyperred<strong>und</strong>anter Roboter in<br />

der Industrie war bisher beispielsweise<br />

ihr schlechtes Nutzlast-Eigenmasse-Verhältnis“,<br />

erklärt Matthias Uhlemann.<br />

Während klassische Industrie-Roboter<br />

weniger als ein Zehntel<br />

ihres Eigengewichtes heben können,<br />

stemmt seine eigene Konstruktion im<br />

Idealfall das Zehnfache ihrer Masse.<br />

Unentbehrlich:<br />

Roboter <strong>mit</strong><br />

Gelenkarm in der Industrie<br />

© Berthold Hermle AG/wikipedia<br />

daad<br />

Für die Energieübertragung wählte der <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiat ein hydraulisches Verfahren, durch<br />

das hohe Kräfte erzeugt werden können.<br />

„Die Forschung im Bereich der Hydraulik hat<br />

in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht“,<br />

sagt der Ingenieur. „Entgegen verbreiteter<br />

Vorurteile ist die Hydraulik heutzutage<br />

zum Beispiel eine saubere Technologie.“ Das<br />

Besondere an Matthias Uhlemanns Roboterarm<br />

ist aber seine Fachwerkstruktur, <strong>mit</strong> der<br />

der Mechatroniker an Entwürfe aus den achtziger<br />

Jahren anknüpft. Durch sie lässt sich der<br />

Roboterarm zusammenfalten.<br />

Die Diplomarbeit hat Matthias Uhlemann<br />

Ende 2010 abgeschlossen, seine Leidenschaft<br />

für Osteuropa ist geblieben: „Auch auf Jobsuche<br />

orientiere ich mich ostwärts“, sagt der<br />

25-Jährige, der <strong>mit</strong>tlerweile fließend Russisch<br />

spricht. Julia Walter<br />

© Karin Dürr, www.gipfelfilm.de<br />

35


36<br />

daad<br />

Nachrichten<br />

New York<br />

Forschungsfenster nach<br />

Deutschland<br />

Seit seiner Eröffnung am 19. Februar<br />

2010 hat das Deutsche Wissenschafts-<br />

<strong>und</strong> Innovationshaus<br />

(German Center for Research and<br />

Innovation – GCRI) im Deutschen<br />

Haus in New York zu zahlreichen<br />

Workshops <strong>und</strong> Podiumsdiskussionen<br />

eingeladen. Aktuelle Forschungsprojekte<br />

aus Deutschland<br />

standen dabei im Mittelpunkt: unter<br />

anderem zur Hirnforschung,<br />

Nachhaltigkeit oder Nanotechnologie.<br />

Sebastian Fohrbeck, einer<br />

der Direktoren <strong>und</strong> Leiter der<br />

<strong>DAAD</strong>-Außenstelle in New York,<br />

sieht viel Potenzial für eine Intensivierung<br />

der transatlantischen<br />

Zusammenarbeit: „In den USA<br />

besteht großes Interesse an Technologien<br />

für erneuerbare Energien,<br />

<strong>und</strong> in Großstädten wie New<br />

York ist man neugierig auf innovative<br />

stadtplanerische Ansätze.“<br />

Das Wissenschaftshaus fungiert<br />

zudem als eine Art Agentur, die<br />

alle Angebote deutscher Wissenschaftsinstitutionen<br />

bündelt. So<br />

bahnt eine neue Internetplattform<br />

Wissenschaftlern, Studierenden<br />

oder Unternehmern aus Nordamerika<br />

einen Weg durch den Dschungel<br />

der deutschen Forschungs-<br />

<strong>und</strong> Hochschullandschaft.<br />

www.germaninnovation.org<br />

© Michael Jordan<br />

Germanistenkongress<br />

Chancen ergreifen<br />

Deutsche Spitzenforschung: Nobelpreisträger Bert Sakmann sprach im German Center<br />

for Research and Innovation über „Mapping the Brain“<br />

Engagiert <strong>und</strong> kämpferisch traten<br />

Germanisten aus Frankreich, den<br />

Benelux-Staaten <strong>und</strong> Deutschland<br />

in Weimar für die mehrsprachige<br />

Kommunikation <strong>und</strong> ihren Erhalt<br />

in Europa ein. Die Fixierung von<br />

Englisch als erste Fremdsprache<br />

an westeuropäischen Schulen er -<br />

schwert die Arbeit an vielen Instituten<br />

für deutsche Sprache.<br />

Der Nachwuchs an Studierenden<br />

bricht weg, obwohl Mehrsprachigkeit<br />

eine Schlüsselkompetenz auf<br />

innereuropäischen Arbeitsmärkten<br />

darstellt.<br />

„Wir haben noch eine Chance,<br />

aber es eilt“, sagt Anthonya Visser,<br />

Professorin für Germanistik<br />

an der Universität Leiden (Niederlande).<br />

Der Zusammenschluss<br />

zu Zentren für die Germanistik ist<br />

eine Möglichkeit. Neue Konzepte<br />

für die Deutschlehrerausbildung<br />

eine andere.<br />

Die <strong>DAAD</strong>-Tagung im Februar in<br />

Goethes Heimatstadt gab den Anstoß<br />

dafür, dass die Germanisten-<br />

<strong>und</strong> Deutschlehrerverbände Belgiens,<br />

Luxemburgs <strong>und</strong> der Niederlande<br />

nun einen Dachverband<br />

gründen wollen, um gemeinsam<br />

sichtbarer <strong>und</strong> stärker zu werden.<br />

bcm<br />

Von Büchern umgeben: Germanisten im Kubus der<br />

Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek, Weimar<br />

© Michael Jordan<br />

Masterstudiengang<br />

Die ökologische Stadt<br />

Wie könnte sie aussehen, die Stadt<br />

<strong>mit</strong> guter Öko-Bilanz? Deutsche<br />

<strong>und</strong> arabische Stadtmanager der<br />

Zukunft haben jetzt die Möglichkeit,<br />

einen Master im Fachgebiet<br />

„Ökologisches Stadtmanagement/<br />

Energieeffizientes Bauen“ zu absolvieren.<br />

„Die schlechte Energiebilanz<br />

der Gebäude in ägyptischen<br />

Städten ist hier die große Herausforderung“,<br />

erläutert Michael<br />

Harms, <strong>DAAD</strong>-Außenstellenleiter<br />

in Kairo. In den Nächten kühlen<br />

die schlecht isolierten Häuser aus,<br />

bei 40 Grad im Sommer laufen<br />

permanent Klimaanlagen gegen<br />

die Hitze an – „wirtschaftlich <strong>und</strong><br />

ökologisch ein Problem“, sagt<br />

Harms. Der neue Masterstudiengang<br />

ver<strong>mit</strong>telt technisches <strong>und</strong><br />

politisches Wissen – wie man beispielsweise<br />

Anreize zum Energiesparen<br />

schafft – <strong>und</strong> richtet sich<br />

da<strong>mit</strong> an zukünftige Entscheider<br />

in Unternehmen oder Politik. Die<br />

Einrichtung des Studiengangs,<br />

der Anfang Dezember in Kairo<br />

feierlich eröffnet wurde, ist ein gemeinsames<br />

Ausbildungsangebot<br />

der Ain Shams Universität Kairo<br />

<strong>und</strong> der Universität Stuttgart. Sie<br />

markiert einen weiteren Meilenstein<br />

in der Hochschulzusammenarbeit<br />

zwischen Deutschland <strong>und</strong><br />

Ägypten. bcm<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


<strong>DAAD</strong>-Portal<br />

Passende Stelle für<br />

Doktoranden<br />

Wer in Deutschland promovieren<br />

möchte, dem hilft ab sofort ein<br />

Klick: Die <strong>DAAD</strong>-Ver<strong>mit</strong>tlungsplattform<br />

PhDGermany ist online.<br />

Freie, bezahlte Stellen können<br />

internationale Doktoranden auf<br />

Englisch oder Deutsch suchen<br />

<strong>und</strong> einsehen. Für Studierende<br />

<strong>mit</strong> Stipendien finden sich auch<br />

unbezahlte Betreuungsangebote.<br />

Der Ablauf ist einfach: Kriterien<br />

eingeben, die passende Stelle finden<br />

<strong>und</strong> sich über den Button „Online-Bewerbung“<br />

direkt über das<br />

<strong>DAAD</strong>-Portal bei der deutschen<br />

Hochschule oder Forschungseinrichtung<br />

bewerben. Das erleichtert<br />

vor allem das formale Verfahren<br />

für ausländische Bewerber. „Die<br />

Seite assistiert beim Verfassen<br />

eines Motivationsschreibens <strong>und</strong><br />

führt Schritt für Schritt durch die<br />

Struktur einer Bewerbung“, sagt<br />

Karin Heistermann vom <strong>DAAD</strong>.<br />

Davon profitieren auch deutsche<br />

Hochschulen. Sie bekommen fertige<br />

<strong>und</strong> strukturierte Unterlagen.<br />

Ein zusätzlicher Vorteil: Der Service<br />

ist für Hochschulen <strong>und</strong> Bewerber<br />

kostenfrei. bcm<br />

www.phdgermany.de<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Chinesisch-Deutsche Hochschule besiegelt:<br />

<strong>DAAD</strong>-Beauftragter Christian Bode <strong>und</strong><br />

Tongji-Präsident Pei Gang (rechts)<br />

La Caixa-Stipendien<br />

Chance für Spaniens<br />

Akademiker<br />

Junge Akademiker haben es in<br />

Spanien nicht leicht: Geeignete<br />

Stellen sind derzeit knapp. Für exzellente<br />

Nachwuchsforscher gibt<br />

es seit 1982 die Stipendien der<br />

Stiftung „La Caixa“ – gegründet<br />

von der gleichnamigen Bank. Sie<br />

ermöglichen den Studierenden<br />

ein zweijähriges Postgraduiertenstudium<br />

im Ausland. Seit 1993 kooperiert<br />

der <strong>DAAD</strong> <strong>mit</strong> „La Caixa“<br />

<strong>und</strong> finanziert 20 Stipendien aus<br />

einem gemeinsamen Topf.<br />

Zog es in der Vergangenheit vor<br />

allem Geisteswissenschaftler <strong>und</strong><br />

Musiker nach Deutschland, so<br />

gibt es nun immer mehr Bewerber<br />

aus ingenieurwissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> technischen Fächern.<br />

Anfang März überreichte der spanische<br />

König Juan Carlos I. die<br />

Urk<strong>und</strong>en der Stipendien an 117<br />

spanische Studierende. Insgesamt<br />

20 von ihnen studieren <strong>mit</strong> Unterstützung<br />

des <strong>DAAD</strong> an deutschen<br />

Hochschulen. CW<br />

Glückwunsch: Spaniens König<br />

überreicht die Stipendienurk<strong>und</strong>e<br />

für ein Studium in Deutschland<br />

© F<strong>und</strong>ación “la Caixa”/Máximo García<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

Schanghai<br />

Brücke nach China<br />

Ein Studienjahr in Schanghai? Ein<br />

deutsch-chinesischer Doppelabschluss?<br />

In der deutschen Wirtschaft<br />

sind China-Erfahrungen<br />

ge fragt, doch für Studierende ist<br />

es nicht einfach, einen Aufenthalt<br />

in dem Land zu organisieren.<br />

Eine Brücke nach China bildet<br />

die neue Chinesisch-Deutsche<br />

Hochschule (CDH) an der Tongji-<br />

Universität. Die am 23. März<br />

2011 gegründete Einrichtung verbindet<br />

das Chinesisch-Deutsche<br />

Hochschulkolleg, die Chinesisch-<br />

Deutsche Hochschule für Angewandte<br />

Wissenschaften <strong>und</strong> das<br />

Chinesisch-Deutsche Institut für<br />

Berufsbildung <strong>mit</strong>einander. Die<br />

Zusammenführung ermöglicht<br />

mehr Sichtbarkeit, bessere Infrastruktur<br />

<strong>und</strong> den Ausbau des<br />

Studienangebots für die weitere<br />

Internationalisierung der Hochschullandschaft.<br />

„Das Ziel ist hier<br />

vor allem, mehr deutsche Studierende<br />

an die Tongji-Universität<br />

zu bekommen“, sagt der <strong>DAAD</strong>-<br />

Beauftragte Christian Bode. Komplettiert<br />

wird die CDH durch den<br />

Chinesisch-Deutschen Campus,<br />

eine Serviceeinrichtung für alle<br />

deutschlandbezogenen Institutionen<br />

<strong>und</strong> Kooperationsprojekte an<br />

der Tongji-Universität. bcm<br />

GUS-Agraruniversitäten<br />

Reise <strong>mit</strong> Netzwerkeffekt<br />

daad 37<br />

Bolashak bedeutet auf Kasachisch<br />

Zukunft – <strong>und</strong> ist auch der Name<br />

des staatlichen Stipendienprogramms,<br />

<strong>mit</strong> dem die Regierung<br />

des zentralasiatischen Landes<br />

jährlich r<strong>und</strong> 3 000 Studierende<br />

zum Studium ins Ausland schickt.<br />

„Kasachstan braucht internationalen<br />

Anschluss, nur so können wir<br />

in Zukunft bestehen“, sagt Olessya<br />

Berezhnaya vom Auslandsbüro<br />

der Nationalen Agraruniversität<br />

in Almaty. Jeder Student, der ins<br />

Ausland gehe, sei ein kleiner Stein<br />

in der Brücke zwischen Kasachstan<br />

<strong>und</strong> dem Rest der Welt.<br />

Die Agrarwissenschaftlerin besuchte<br />

Ende November gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> 19 Kollegen von agrarwissenschaftlich<br />

ausgerichteten<br />

Hochschulen aus elf GUS-Staaten<br />

die Agrarfakultäten mehrerer<br />

deutscher Hochschulen. Der<br />

<strong>DAAD</strong> hatte die Reise organisiert.<br />

Zwar gibt es Kooperationen zwischen<br />

deutschen <strong>und</strong> GUS-Agraruniversitäten,<br />

doch es besteht ein<br />

großes Interesse, den fachlichen<br />

Austausch <strong>mit</strong> Deutschland zu intensivieren.<br />

Neben der Information<br />

über das Ausbildungsmanagement<br />

der deutschen Hochschulen<br />

diente die Reise auch dem Knüpfen<br />

neuer Kontakte zwischen den<br />

GUS-Staaten. DvR


38<br />

daad<br />

Republik Tatarstan<br />

Stipendienprogramm<br />

erweitert<br />

Die Republik Tatarstan verlängert<br />

das seit 2008 bestehende Stipendienprogramm<br />

für Masterstudierende<br />

um fünf Jahre bis 2016.<br />

Dies vereinbarten der tatarische<br />

Bildungs- <strong>und</strong> Wissenschaftsminister,<br />

Professor Albert Gilmutdinov,<br />

<strong>und</strong> der <strong>DAAD</strong>. Tatarstan <strong>und</strong><br />

Deutschland finanzieren das Programm<br />

zu gleichen Teilen. Die Republik<br />

gilt als eine der reichsten<br />

der Russischen Föderation – Erdöl-<br />

<strong>und</strong> Erdgasvorkommen tragen<br />

zum Reichtum bei.<br />

„Unsere jungen Leute kommen<br />

<strong>mit</strong> neuen Ideen, neuen kulturellen<br />

Einsichten zurück, was für die<br />

Modernisierung unseres Landes<br />

von großer Bedeutung ist“, sagt<br />

Albert Gilmutdinov. Die Kooperation<br />

<strong>mit</strong> Deutschland verlaufe<br />

besonders erfreulich. „Abgesehen<br />

von den guten Universitäten liegt<br />

das auch an der äußerst sorgfältigen<br />

Auswahl der Bewerber durch<br />

den <strong>DAAD</strong>.“<br />

Zukünftig vergibt das r<strong>und</strong> 3,7<br />

Millionen Einwohner zählende<br />

Tatarstan jedes Jahr 30 statt bisher<br />

20 Stipendien für Studierende.<br />

Außerdem existiert nun ein<br />

weiteres, vollständig von den Tataren<br />

finanziertes Programm, das<br />

© Michael Jordan<br />

Doktoranden, Postdocs <strong>und</strong> Wissenschaftlern<br />

einen Forschungsaufenthalt<br />

in Deutschland ermöglicht.<br />

CW<br />

Deutsch-Indische Kooperation<br />

Nachhaltige Gründung<br />

Gesucht werden Lösungsvorschläge<br />

für drängende Umweltprobleme<br />

Asiens. Im Dezember eröffnete<br />

in der südindischen Stadt Chennai<br />

das neue Deutsch-Indische Zentrum<br />

für Nachhaltigkeitsforschung<br />

(Indo-German Center for Sustainability,<br />

IGCS) am Indian Institute<br />

of Technology (IIT) Madras. Spitzenforscher<br />

beider Länder treten<br />

an, um innovative Strategien vor<br />

allem in den Bereichen Energie,<br />

Gute Nachrichten: Tatarischer Bildungsminister Albert Gilmutdinov,<br />

Thomas Prahl (<strong>DAAD</strong>) <strong>und</strong> <strong>DAAD</strong>-Vizepräsident Max Huber (von links)<br />

vereinbaren Ausbau des gemeinsamen Stipendienprogramms<br />

Landnutzung, Abfall- <strong>und</strong> Wassermanagement<br />

zu entwickeln. „Das<br />

sind die Rahmenbedingungen für<br />

unser zukünftiges Leben auf der<br />

Erde“, sagt Zentrumskoordinator<br />

Rafig Azzam. „Es ist unser Anliegen,<br />

die Ressourcen für kommende<br />

Generationen zu erhalten.“<br />

Der <strong>DAAD</strong> finanziert am IGCS<br />

vier Gastdozenturen für die Fachgebiete<br />

Energietechnik, Hy drogeo<br />

graphie, Abfallwirtschaft <strong>und</strong><br />

Was ser management. Hinzu kommen<br />

Stipendien für Forscher sowie<br />

Doktoranden in Indien <strong>und</strong><br />

Deutschland. Das Geld stammt aus<br />

Mitteln der Initiative „A New Passage<br />

to India“, für die das B<strong>und</strong>esministerium<br />

für Bildung <strong>und</strong> Forschung<br />

3,1 Millionen Euro jährlich<br />

Abfall- <strong>und</strong> Wassermanagement:<br />

Forschungsthema am neuen Indo-German Center for Sustainability, Chennai/Indien<br />

© gordondix/istockphoto.com<br />

bis 2012 zur Verfügung gestellt<br />

hat. Der akademische Austausch<br />

zwischen Deutschland <strong>und</strong> Indien<br />

hat eine lange Tradition. Das international<br />

renommierte IIT Madras<br />

wurde 1959 <strong>mit</strong> deutscher Unterstützung<br />

eröffnet, deutsche Professoren<br />

haben dort immer wieder<br />

unterrichtet, <strong>und</strong> das <strong>DAAD</strong>-Büro<br />

in Neu Delhi ist eine der ältesten<br />

Außenstellen des <strong>DAAD</strong>. lom<br />

Ort im Land der Ideen<br />

<strong>DAAD</strong>-Fre<strong>und</strong>eskreis<br />

ausgezeichnet<br />

2011 ist der <strong>DAAD</strong>-Fre<strong>und</strong>eskreis<br />

einer von „365 Orten im Land<br />

der Ideen“. In dem Alumniverein<br />

haben sich ehemalige deutsche<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendiaten zusammengeschlossen.<br />

Sie sind in r<strong>und</strong><br />

40 Städten in ganz Deutschland<br />

vertreten, wo sie Freizeitaktivitäten<br />

für ausländische <strong>DAAD</strong>-<br />

Stipendiaten organisieren, sie<br />

<strong>mit</strong> der deutschen Kultur vertraut<br />

machen <strong>und</strong> ihnen so das Einleben<br />

in Deutschland erleichtern.<br />

Da<strong>mit</strong> leistet der Fre<strong>und</strong>eskreis<br />

nicht nur einen Beitrag zur Völkerverständigung,<br />

sondern stärkt<br />

auch den Wissenschaftsstandort<br />

Deutschland. In diesem Jahr feiert<br />

der Verein, der r<strong>und</strong> 1300 Mitglieder<br />

hat, sein dreißigjähriges<br />

Bestehen. Die Auszeichnung als<br />

„Ausgewählter Ort 2011“ wird anlässlich<br />

der Jubiläumsfeier am 25.<br />

September in Berlin übergeben.<br />

„Deutschland – Land der Ideen“<br />

ist eine Initiative von B<strong>und</strong>esregierung<br />

<strong>und</strong> deutscher Wirtschaft.<br />

Unter der Schirmherrschaft des<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


B<strong>und</strong>espräsidenten werden seit<br />

2006 jährlich 365 Projekte <strong>und</strong><br />

Ideen ausgezeichnet, die ein positives<br />

Deutschlandbild ver<strong>mit</strong>teln.<br />

<strong>DAAD</strong>-IC Bogotá<br />

Zentrale Anlaufstelle<br />

Mehr als 1000 Gäste feierten Mitte<br />

Februar den Einzug des <strong>DAAD</strong>-<br />

Informationszentrums Bogotá in<br />

neue Räume. Gemeinsam <strong>mit</strong> dem<br />

Goethe-Institut hat der <strong>DAAD</strong> nun<br />

wieder eine zentrale Anlaufstelle<br />

für kolumbianische Studierende,<br />

aber auch für Wissenschaftler <strong>und</strong><br />

Hochschulen, die Interesse an einem<br />

Austausch <strong>mit</strong> Deutschland<br />

haben. Kolumbien hat sich in den<br />

vergangenen Jahren zu einem der<br />

wichtigsten Partner der deutschen<br />

Wissenschaftskooperation in Lateinamerika<br />

entwickelt. Nach Brasilien<br />

<strong>und</strong> Mexiko sind Studierende<br />

aus Kolumbien die drittstärkste<br />

Gruppe in Deutschland<br />

Kontakt: Sven Werkmeister, Leiter<br />

des <strong>DAAD</strong>-Informationszentrums<br />

Bogotá<br />

Email: info@daad.co<br />

Heiskell Award für RISE<br />

Beispielhaftes Format<br />

Sie kommen aus Nordamerika<br />

oder Großbritannien, studieren<br />

Natur- oder Ingenieurwissenschaften<br />

<strong>und</strong> absolvieren ein<br />

Praktikum bei Doktoranden an<br />

deutschen Universitäten oder Forschungseinrichtungen.<br />

Jährlich<br />

fördert der <strong>DAAD</strong> r<strong>und</strong> 300 junge<br />

Bachelorstudierende in seinem<br />

RISE-Programm (RISE steht für<br />

„Research Internships in Science<br />

and Engineering“). Das Besondere:<br />

Die Doktoranden betreuen<br />

ihre Praktikanten nach dem Mentorenprinzip<br />

auch außerhalb der<br />

Forschungsarbeit. Der Andrang<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

Wir haben geöffnet: <strong>DAAD</strong>-Informationszentrum<br />

<strong>und</strong> Goethe-Institut in Bogotá<br />

ist groß: Die Zahl der Bewerbungen<br />

hat sich seit dem Start 2005<br />

mehr als vervierfacht – von r<strong>und</strong><br />

300 auf fast 1300, <strong>mit</strong> steigender<br />

Tendenz. Die Erfolgsgeschichte<br />

des RISE-Programms spiegelt sich<br />

nun in einer internationalen Anerkennung<br />

wider: Anfang 2011<br />

erhielt RISE den Heiskell Award<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

Vorbildlich:<br />

RISE-Praktikant<br />

in deutschem<br />

Labor<br />

des Institute of International Education<br />

(IIE). Das renommierte New<br />

Yorker Institut prämiert <strong>mit</strong> den<br />

Awards Initiativen zur Internationalisierung<br />

der Hochschulen im<br />

In- <strong>und</strong> Ausland. Das IIE würdigte<br />

das RISE-Programm als beispielhaftes<br />

Format. CW<br />

© <strong>DAAD</strong><br />

tErmiNE<br />

daad 39<br />

2. Mai bis 3. Juni 2011<br />

NAFSA in Kanada<br />

Die NAFSA 2011 Annual Conference<br />

& Expo (Association of<br />

International Educators) gilt als<br />

bedeutendste Konferenz für internationale<br />

Hochschulbildung, Austausch<br />

<strong>und</strong> Mobilität, <strong>mit</strong> jährlich<br />

8 000 Teilnehmern aus der ganzen<br />

Welt. Im „Study in Germany<br />

– Land of Ideas“-Pavillon präsentiert<br />

sich der <strong>DAAD</strong> gemeinsam<br />

<strong>mit</strong> deutschen Hochschulen <strong>und</strong><br />

Länderinitiativen in Vancouver.<br />

9. bis 16. September 2011<br />

EAIE in Dänemark<br />

Die EAIE (European Association<br />

for International Education) ist die<br />

größte Netzwerkmesse dieser Art<br />

in Europa. In Kopenhagen treffen<br />

sich im September Universitäten,<br />

Länderkonsortien <strong>und</strong> Mittlerorganisationen<br />

aus aller Welt, um<br />

die aktuellen Entwicklungen im<br />

Bereich internationaler Bildung<br />

zu beleuchten. Zum Rahmenprogramm<br />

der 23. EAIE gehört der<br />

„German Participants’ Evening“,<br />

bei dem Themen r<strong>und</strong> um den<br />

skandinavischen Bildungsmarkt<br />

im Mittelpunkt stehen.<br />

www.eaie.org/copenhagen<br />

23./24. September 2011<br />

Deutsche Hochschulmesse<br />

in der Ukraine<br />

Deutsche Hochschulen präsentieren<br />

sich <strong>mit</strong> ihren internationalen<br />

Programmen auf der Deutschen<br />

Hochschulmesse in Kiew. Englisch-<br />

oder auch zweisprachige<br />

Bachelor- <strong>und</strong> Masterangebote<br />

für die Ingenieurwissenschaften,<br />

Geistes- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />

sowie Wirtschaftswissenschaften<br />

<strong>und</strong> Management stehen dabei im<br />

Fokus.<br />

Die eigenständige deutsche Hochschulmesse<br />

wird zum vierten Mal<br />

von GATE-Germany organisiert.


40 daad<br />

© David Ausserhofer<br />

Die dramatischen Umwälzungen in Tunesien,<br />

Ägypten <strong>und</strong> einigen angrenzenden<br />

Ländern bewegen viele Menschen in Deutschland.<br />

Die besondere Anteilnahme, <strong>mit</strong> der die<br />

Berliner Historikerin Ulrike Freitag die Ereignisse<br />

im Nahen Osten beobachtet, hat nicht<br />

zuletzt berufliche Gründe: Sie leitet seit neun<br />

Jahren das Zentrum Moderner Orient (ZM0),<br />

das einzige deutsche Forschungsinstitut, das<br />

sich interdisziplinär <strong>und</strong> historisch-vergleichend<br />

<strong>mit</strong> dem Nahen Osten, Afrika sowie<br />

Süd- <strong>und</strong> Südost-Asien befasst. An dem 1996<br />

gegründeten Zentrum forscht Ulrike Freitag<br />

<strong>mit</strong> 30 Wissenschaftlern zur Geschichte,<br />

Gesellschaft <strong>und</strong> Kultur islamisch geprägter<br />

Länder <strong>und</strong> deren Beziehungen zur nicht-islamischen<br />

Welt.<br />

Gestern Stipendiatin – <strong>und</strong> heute...<br />

Ulrike freitag<br />

Direktorin des Zentrums Moderner Orient, Berlin<br />

In Tunesien schnupperte die 20-jährige Arabisch-Studentin<br />

als Touristin zum ersten Mal<br />

die Luft des Vorderen Orients. Das Land <strong>mit</strong><br />

seiner islamisch geprägten Kultur erschien<br />

ihr „gar nicht so fremd“. Erinnerungen an ihre<br />

Kindheit kamen hoch. Im Alter zwischen fünf<br />

<strong>und</strong> acht lebte sie dreieinhalb Jahre in Afghanistan,<br />

wo ihr Vater als Professor für Botanik<br />

an der Universität Kabul unterrichtete.<br />

Schon in der Schule hatte Ulrike Freitag eine<br />

Vorliebe für das Fach Geschichte, das sie dann<br />

auch studierte. Eher zufällig fiel die Wahl auf<br />

Arabisch als Nebenfach. Die Liebe zur arabischen<br />

Sprache <strong>und</strong> Kultur habe sie ihrem<br />

palästinensischen Lehrer an der Universität<br />

Bonn zu verdanken – <strong>und</strong> zahlreichen Aufenthalten<br />

in den arabischen Ländern, erzählt die<br />

Nahosthistorikerin.<br />

Sprachkurse führten sie nach Tunis <strong>und</strong> Kairo,<br />

<strong>und</strong> <strong>mit</strong> einem <strong>DAAD</strong>-Stipendium kam sie<br />

1984/85 erstmals nach Syrien. In Damaskus,<br />

das so etwas wie die zweite Heimat für sie<br />

wurde, forschte sie – wiederum vom <strong>DAAD</strong> gefördert<br />

– 1987 <strong>und</strong> 1990 für ihre Dissertation<br />

über die syrische Geschichtsschreibung <strong>und</strong><br />

promovierte 1991 an der Universität Freiburg.<br />

Nach einer kurzen Tätigkeit an der Fernuniversität<br />

Hagen folgte sie ihrem Mann, der<br />

damals <strong>DAAD</strong>-Lektor in London war, für zehn<br />

Jahre an die Themse. Hier unterrichtete sie<br />

an der School of Oriental and African Studies<br />

der Universität London. Sie forschte über die<br />

jemenitische Migration im Bereich des Indischen<br />

Ozeans, reiste dafür nicht nur in den<br />

Jemen, sondern auch nach Singapur <strong>und</strong> Java<br />

<strong>und</strong> habilitierte sich zu dem Thema. In dieser<br />

Zeit wurde sie auch Mutter von zwei Kindern.<br />

Familiäre Überlegungen spielten durchaus<br />

eine Rolle, als sich Ulrike Freitag 2002 für<br />

das ZMO in Berlin entschied. „Mein Mann bekam<br />

gleichzeitig eine Stelle an der Humboldt-<br />

Universität, <strong>und</strong> in Berlin sind die Kinder gut<br />

versorgt.“ Kompromisse zwischen Familie <strong>und</strong><br />

Arbeit sind dennoch an der Tagesordnung für<br />

die vielbeschäftigte Wissenschaftlerin. Sie ist<br />

an mehreren großen Forschungsprojekten des<br />

ZMO beteiligt, zu ihren Schwerpunkten gehört<br />

die Stadtgeschichte in arabischen Ländern.<br />

Gleichzeitig unterrichtet sie als Professorin<br />

am Islamwissenschaftlichen Institut der Freien<br />

Universität Berlin.<br />

Mit ihren Studenten ging sie 2008 <strong>und</strong> 2009<br />

auf Exkursionen nach Saudi-Arabien, wo<br />

sozialwissenschaftliche Forschung erst seit<br />

kurzem möglich ist. Hier beobachteten die<br />

jungen Deutschen den behutsamen gesellschaftlichen<br />

Wandel in dem Land – wie etwa<br />

neue Freiheiten für Frauen oder die Liberalisierung<br />

in der Kulturszene. Als sie ihre Ergebnisse<br />

2010 in Buchform brachten, fanden sie<br />

da<strong>mit</strong> viel Aufmerksamkeit in den deutschen<br />

Medien (Saudi-Arabien. Ein Königreich im<br />

Wandel. Hrsg. von Ulrike Freitag. Ferdinand<br />

Schöningh Verlag 2010).<br />

Für die Medien sind die Experten vom<br />

ZMO speziell in diesen Monaten gefragte Gesprächspartner.<br />

Auf die zahlreichen Anfragen<br />

von R<strong>und</strong>funk <strong>und</strong> Fernsehen geben sie fachk<strong>und</strong>ig<br />

Auskunft <strong>und</strong> laden Journalisten zum<br />

Pressegespräch, um die Öffentlichkeit <strong>mit</strong><br />

Hintergr<strong>und</strong>informationen zur Nahost-Region<br />

zu versorgen. „Wir haben etwas zu bieten, was<br />

über die Tagespolitik hinausgeht“, sagt Ulrike<br />

Freitag.<br />

Das gilt auch für die Zusammenarbeit <strong>mit</strong><br />

Kollegen aus den muslimisch geprägten Ländern.<br />

Mitarbeiter <strong>und</strong> Fellows aus aller Welt<br />

arbeiten am ZMO, <strong>und</strong> die Kontakte in die<br />

arabischen Länder sind zahlreich. Das<br />

Konzept, nicht „über“ die Region, sondern<br />

„<strong>mit</strong>“ ihr zu forschen, ist tägliche<br />

Praxis.<br />

Davon profitieren alle Seiten, findet<br />

Ulrike Freitag. Ende Februar<br />

packte sie wieder einmal die Koffer<br />

für einen mehrwöchigen Aufenthalt<br />

in der saudi-arabischen Stadt Dschidda.<br />

Dort ist sie an der Effat University,<br />

einer Frauenuniversität, an einem Dialog<br />

über Forschungsentwicklung beteiligt.<br />

Dabei geht es um die Gründung<br />

eines Lehrstuhls für „Heritage Studies“.<br />

Die Altstadt von Dschidda <strong>und</strong> deren<br />

Erhaltung beschäftigen Ulrike Freitag<br />

schon länger. Nun beteiligt sie sich an<br />

einer großen Ausstellung zu Saudi-Arabien,<br />

die im Herbst in Berlin gezeigt<br />

wird, <strong>und</strong> bereitet gemeinsam <strong>mit</strong><br />

deutschen <strong>und</strong> saudischen Kollegen<br />

begleitend dazu eine Tagung<br />

zum architektonischen Erbe<br />

in Saudi-Arabien vor.<br />

www.zmo.de<br />

Leonie Loreck<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11


köpfe<br />

Beim Internationalen Filmfestival<br />

in Berlin, der 61. Berlinale<br />

im Februar dieses Jahres,<br />

war der <strong>DAAD</strong> gleich mehrfach<br />

beteiligt. Zwei seiner Gäste im<br />

Berliner Künstlerprogramm<br />

(BKP) erhielten Spitzenpreise,<br />

darüber hinaus vergab der<br />

<strong>DAAD</strong> einen Kurzfilmpreis.<br />

Der Film „Nader <strong>und</strong> Simin,<br />

eine Trennung“ des iranischen<br />

Drehbuchautors <strong>und</strong> Regisseurs<br />

Asghar Farhadi wurde<br />

<strong>mit</strong> der höchsten Auszeichnung<br />

bedacht, dem Goldenen Bären.<br />

Darüber hinaus erhielt der Film<br />

zwei Silberne Bären für die besten<br />

Darstellerinnen, darunter die<br />

12-jährige Tochter des Regisseurs,<br />

Sarina Farhadi.<br />

Der Film erzählt von einem Ehepaar,<br />

das sich trennt. Die Konflikte,<br />

die sich daraus ergeben, werfen<br />

ein Licht auf das iranische Alltagsleben<br />

<strong>und</strong> eine Gesellschaft,<br />

in der die Frauen eine tragende<br />

Rolle spielen. Auf die politische<br />

Botschaft seines Films angesprochen,<br />

sagte Farhadi gegenüber der<br />

„Berliner Zeitung“: „Es ist nicht<br />

einfach ein politischer oder ein<br />

gesellschaftskritischer oder ein<br />

privater Film, sondern von allem<br />

etwas.“<br />

Farhadi wurde 1972 in Isfahan<br />

geboren, studierte an der Universität<br />

Teheran <strong>und</strong> arbeitete<br />

für Hörfunk <strong>und</strong> Fernsehen. Seit<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

© Heinrich Völkel<br />

Auf der Berlinale: Der Goldene Bär ging an den Iraner<br />

Asghar Farhadi (rechts), Preise bekamen auch der<br />

Ungar Béla Tarr (oben) <strong>und</strong> die Chilenin Maria José<br />

San Martín<br />

seinem Erstlingsfilm „Tanz im<br />

Staub“ 2003 feiert er international<br />

Erfolge. Bei der Berlinale<br />

2009 wurde er bereits <strong>mit</strong> dem<br />

Silbernen Bären für seinen Film<br />

„Alles über Elly“ ausgezeichnet.<br />

Seine Beziehungen zur deutschen<br />

Hauptstadt wird Farhadi in diesem<br />

Jahr weiter ausbauen. Ab Juni<br />

2011 wird er als Gast des <strong>DAAD</strong>-<br />

Künstlerprogramms <strong>mit</strong> seiner<br />

Frau <strong>und</strong> seinen beiden Töchtern<br />

für ein halbes Jahr in Berlin leben.<br />

Schon als Jugendlicher drehte<br />

Farhadi erste eigene Streifen<br />

auf 8mm-Filmen. Auch der ungarische<br />

Regisseur Béla Tarr betätigte<br />

sich bereits <strong>mit</strong> 16 Jahren<br />

als Amateurfilmer. Der 1955 in<br />

Pécs geborene Künstler studierte<br />

an der Hochschule für Film <strong>und</strong><br />

Theater in Budapest. Früh wandte<br />

er sich vom Sozialistischen Realismus<br />

seiner Erstlingswerke ab<br />

<strong>und</strong> dreht seit den 80er Jahren<br />

vorwiegend künstlerisch sehr anspruchsvolle<br />

Schwarzweiß-Filme<br />

<strong>mit</strong> langen, ruhigen Einstellungen.<br />

Alexander Janetzki © Berlinale 2011<br />

1989/90 lebte er auf Einladung<br />

des <strong>DAAD</strong> in Berlin <strong>und</strong> unterrichtete<br />

ab 1990 als Gastdozent an der<br />

Deutschen Film- <strong>und</strong> Fernsehakademie<br />

in Berlin.<br />

Viele seiner Filme beruhen auf<br />

Romanen von László Krasznahorkai.<br />

Der ungarische Schriftsteller<br />

war 1987/88 ebenfalls <strong>DAAD</strong>-Gast<br />

in Berlin. Sein Roman „Satanstango“<br />

(1985) bot die Vorlage für<br />

einen mehr als siebenstündigen<br />

Film, <strong>mit</strong> dem Béla Tarr 1994 bei<br />

der Berlinale Aufsehen erregte. In<br />

diesem Jahr erhielt sein Film „A<br />

Torinói ló“ (Das Turiner Pferd) den<br />

Großen Preis der Jury. Der Film<br />

zeigt das armselige Leben eines<br />

Kutschers, seiner Tochter <strong>und</strong> seines<br />

Pferds. Es ist das Pferd, das<br />

im Januar 1889 von dem Kutscher<br />

in Turin geschlagen wurde, als<br />

der Philosoph Friedrich Nietzsche<br />

hinzukam <strong>und</strong> das Tier schluchzend<br />

umarmte. Das war un<strong>mit</strong>telbar<br />

bevor er in geistige Umnachtung<br />

verfiel. Für Béla Tarr soll dieser<br />

Film nach eigenen Angaben<br />

der letzte seines Lebens sein.<br />

daad 41<br />

F<br />

ür ihren ersten Film in eigener<br />

Regie wurde bei der<br />

Berlinale die Chilenin Maria José<br />

San Martín ausgezeichnet. Die<br />

internationale Jury für Kurzfilme<br />

wählte ihren Beitrag „La Ducha“<br />

(Die Dusche) für den <strong>DAAD</strong>-Kurzfilmpreis<br />

aus. Die 36-jährige Regisseurin<br />

kam vom Theater zum<br />

Film. Sie wirkte zwischen 2005<br />

<strong>und</strong> 2010 bei einigen der wichtigsten<br />

Filme ihres Heimatlandes <strong>mit</strong>,<br />

zunächst als Schauspielerin, dann<br />

als Regieassistentin.<br />

Der zehnminütige Kurzfilm,<br />

bei dem sie als Debütantin Regie<br />

führte <strong>und</strong> auch am Drehbuch<br />

<strong>mit</strong>wirkte, beschreibt den letzten<br />

gemeinsamen Morgen zweier<br />

Frauen im Bad, die sich nach<br />

langer Beziehung trennen. Die<br />

„kraftvolle wie schmerzerfüllte“<br />

Art der Darstellung einer Frauenbeziehung<br />

beeindruckte die<br />

Juroren. Nach der Preisverleihung<br />

sagte San Martín, sie brauche nun<br />

Zeit, um über neue künstlerische<br />

Projekte nachzudenken. Die Gelegenheit<br />

dazu wird kommen:<br />

Der <strong>DAAD</strong>-Kurzfilmpreis, der seit<br />

2006 bei der Berlinale vergeben<br />

wird, ist <strong>mit</strong> einem dreimonatigen<br />

Berlin-Aufenthalt als Gast des<br />

Künstlerprogramms verb<strong>und</strong>en.<br />

Llo/ors<br />

Richard Hübner © Berlinale 2011


42<br />

daad<br />

Als Sabine Kunst im Juli 2010<br />

ihr Amt als Präsidentin des<br />

<strong>DAAD</strong> antrat, freute sie sich auf<br />

die internationalen Aufgaben, die<br />

sie erwarteten. Doch für die erste<br />

Frau an der Spitze des <strong>DAAD</strong> blieb<br />

es bei einem Intermezzo von nur<br />

knapp acht Monaten. Anfang dieses<br />

Jahres wurde ihr anlässlich einer<br />

Kabinettsumbildung im B<strong>und</strong>esland<br />

Brandenburg das Amt<br />

der Wissenschaftsministerin angetragen<br />

– <strong>und</strong> sie nahm an. Die<br />

promovierte Politologin <strong>und</strong> Ingenieurin,<br />

Professorin für Umweltbiotechnologie<br />

<strong>und</strong> Expertin für<br />

Wasserwirtschaft hatte Auslandserfahrung<br />

in China, Südafrika<br />

<strong>und</strong> Lateinamerika gesammelt –<br />

ein Gr<strong>und</strong> unter anderen, warum<br />

die <strong>DAAD</strong>-Präsidentschaft auf sie<br />

zugeschnitten war. Umso mehr<br />

bedauerte sie, das Ehrenamt nach<br />

so kurzer Zeit wieder aufgeben zu<br />

müssen. Über ihre Nachfolge beim<br />

<strong>DAAD</strong> ist noch nicht entschieden.<br />

Vertraut ist Sabine Kunst freilich<br />

auch die brandenburgische<br />

Landespolitik. Seit 2007 war sie<br />

Präsidentin der Universität in<br />

Potsdam, der Hauptstadt Brandenburgs.<br />

Im Kabinett von Ministerpräsident<br />

Matthias Platzeck<br />

(SPD) ist die 56-jährige parteilose<br />

Ministerin seit Ende Februar für<br />

Wissenschaft, Forschung <strong>und</strong><br />

Kultur zuständig. Ihre vielleicht<br />

schwierigste Aufgabe: Den Hochschulen<br />

muss sie einen Sparkurs<br />

verordnen, unter dem sie als Uni-<br />

Präsidentin selbst gelitten hat.<br />

Llo<br />

© Daniela Sch<strong>mit</strong>ter<br />

Sein Traum von einer Karriere<br />

als Fußballprofi erfüllte sich<br />

nie. Doch Rouven Rech fand eine<br />

andere Berufung: Dokumentarfilme.<br />

Auch als Filmer kann er vom<br />

Fußball nicht ganz lassen: Für seine<br />

Langzeitdokumentation „Das<br />

Leben ist kein Heimspiel“, die in<br />

diesem Frühjahr Premiere feierte,<br />

begleitete er den Fußballverein<br />

TSG 1899 Hoffenheim bei seinem<br />

Aufstieg in die erste B<strong>und</strong>esliga.<br />

Rech zeigt, wie der Verein <strong>und</strong><br />

das dörfliche Umfeld den Erfolg<br />

verarbeiteten. Die „Frankfurter<br />

Allgemeine Zeitung“ lobt: „Ein<br />

liebevoller Heimatfilm“, der „im<br />

Fußball das ganze Leben <strong>und</strong> die<br />

Gegenwart entdeckt“.<br />

Dass Rech einen Blick für das Leben<br />

hat, bewies er bereits in früheren<br />

Projekten. Nach seinem Studium<br />

der Medienwissenschaften an<br />

der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg<br />

ging er 1999 <strong>mit</strong> einem<br />

<strong>DAAD</strong>-Stipendium an die Universidad<br />

del Cine nach Buenos Aires.<br />

Dort recherchierte er für seine Diplomarbeit<br />

über das argentinische<br />

Kino während der Militärherrschaft.<br />

Sein Film „Nachbarn“ – die<br />

Abschlussarbeit eines Aufbaustudiums<br />

an der Filmakademie<br />

Baden-Württemberg – beschreibt<br />

am Beispiel eines reichen, abgeschirmten<br />

Viertels im Norden von<br />

Buenos Aires die soziale Kluft in<br />

Argentinien nach dem wirtschaftlichen<br />

Zusammenbruch. Rech ist<br />

inzwischen eine angesehene Größe<br />

im Doku-Genre. Der Weg dahin<br />

war nicht leicht. „Es ist ein hartes<br />

Brot“, sagt er, „aber dennoch ist es<br />

ein toller Beruf.“<br />

Einen Trailer zum aktuellen<br />

Film gibt es unter www.hoffenheim-film.de.<br />

boh<br />

© David Ausserhofer<br />

© Rouven Rech<br />

Eine 14-tägige Wanderung<br />

durch die Rocky Mountains<br />

gab den Anstoß für das Geologie-<br />

Studium. Damals war Hauke<br />

Marquardt 20 Jahre alt. Die<br />

Tour durch die gewaltige amerikanische<br />

Berglandschaft weckte<br />

das Interesse am Boden unter<br />

seinen Füßen. Wie tief er einmal<br />

ins Innerste der Erde vordringen<br />

würde, wusste er damals freilich<br />

noch nicht. Zehn Jahre später,<br />

im November 2010, erhielt er für<br />

die beste naturwissenschaftliche<br />

Dissertation den <strong>mit</strong> 30 000 Euro<br />

dotierten Deutschen Studienpreis<br />

der Körber-Stiftung. Seine<br />

Forschung über die „geologische<br />

Unterwelt“ hatte die Jury beeindruckt.<br />

Für seine Promotion an<br />

der Freien Universität Berlin hatte<br />

er am Deutschen GeoForschungs-<br />

Zentrum Potsdam (GFZ) im Laborversuch<br />

die Bedingungen im weitgehend<br />

unerforschten unteren<br />

Erdmantel – in 1900 Kilometer<br />

Tiefe – nachgestellt.<br />

Marquardt, heute wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter am GFZ, will<br />

die Prozesse im tiefen Erdinneren<br />

verstehen <strong>und</strong> auch künftig<br />

an seiner „Vision“ arbeiten: der<br />

sicheren Erdbebenvorhersage.<br />

Dafür forschte der 30-Jährige voriges<br />

Jahr im Postdoc-Programm<br />

des <strong>DAAD</strong> an der University of<br />

California in Berkeley. Llo<br />

Rätsel-Lösungen<br />

Die LöSUNG des vorigen Letter-Rätsels lautet:<br />

MAUERSEGLER<br />

Die LÖSUNG ergibt sich aus folgenden Wörtern: meise,<br />

amsel, Uhu, Elster, rabe, Specht, Eisvogel, gans, lerche,<br />

Eule, reihe<br />

Einen Hauptpreis haben gewonnen:<br />

Juri Kiyko, Czernowitz/Ukraine; Blanka Pirnerova,<br />

Plzen/Tschechien; Adriana Garcia-Vargas, Genf/Schweiz;<br />

Mahmut Karakus, Istanbul/Türkei; Margarita Cazanobe,<br />

Buenos Aires/Argentinien; Nickolas Gakhokidze, Tbilisi/<br />

Georgien; Silvia Terracciano, Mailand/Italien; Sunanda<br />

Mahajan, Kothrud Pune/Indien; Merili Metsvahi,<br />

Tartu/Estland; Kristiana Selimi, Jena/Deutschland<br />

Einen Trostpreis erhalten:<br />

Krisna Murti, Würzburg/Deutschland; Igor Sklar,<br />

Zaporoshje/Ukraine; Samuel Sekiziyivu, Kampala/<br />

Uganda; Mutabar Baxriddinova, Hojaobod Andijan/<br />

Usbekistan; D<strong>mit</strong>rij Zharin, Fanipol/Weißrussland<br />

Wer war’s?<br />

FRIEDRICH VON SCHILLER<br />

Anne Siemons, Berlin/Deutschland; Desirée Rocha<br />

de Sá, Sousa/Paraíba/Brasilien; Ari Arinafril,<br />

Palembang/Indonesien; Nurcan Özköklü, Ankara/<br />

Türkei; Anna Schallau, Gatersleben/Deutschland<br />

<strong>DAAD</strong> Letter<br />

Das Magazin für <strong>DAAD</strong>-Alumni<br />

Herausgeber:<br />

Deutscher Akademischer Austauschdienst e.V., Bonn<br />

Kennedyallee 50, 53175 Bonn, Germany<br />

Tel.: +49-228-882-0, Fax: +49-228-882-444<br />

E-Mail: postmaster@daad.de<br />

Redaktion: Katja Sproß (verantwortlich), Uschi Heidel,<br />

Dr. Isabell Lisberg-Haag, Bettina Mittelstraß<br />

Weitere Autoren: Boris Hänßler (boh), Christine Hardt,<br />

Christian Hohlfeld (cho), Dr. Klaus Hübner (Michel), Christoph<br />

Kessler (CK), Mareike Knoke (mk), Mirko Lomoth (lom),<br />

Dr. Leonie Loreck (Llo), Bernd Müller (BM), Dietrich von<br />

Richthofen (dvr), Horst Willi Schors (ors), Claudia Wallendorf<br />

(CW), Julia Walter (JW), Sabine Wygas (wys), Natalie Zündorf<br />

Übersetzungen Abstracts: Tony Crawford<br />

Koordination: Sabine Pauly<br />

Redaktionsbeirat: Dr. Klaus Birk, Bendedikt Brisch,<br />

Claudius Habbich, Francis Hugenroth (Vorsitz), Pia Klein,<br />

Christian Hülshörster, Birgit Klüsener, Ruth Krahe,<br />

Dr. Anette Pieper, Alexandra Schäfer, Christiane Schmeken,<br />

Nina Scholtes, Friederike Schomaker, Julia Vitz<br />

Gestaltung/Titel: axeptDESIGN, Berlin<br />

Titelillustration: dieKLEINERT.de/Frank Schmolke<br />

Herstellung: Bonifatius GmbH Paderborn<br />

Redaktion Bonn:<br />

Trio Service GmbH – www.trio-medien.de<br />

Kaiserstr. 139-141<br />

53113 Bonn, Germany<br />

Tel.: +49-228-1801662, Fax: +49-228-1801663<br />

E-Mail: spross@trio-medien.de<br />

Redaktion Berlin:<br />

Chausseestr.103<br />

10115 Berlin, Germany<br />

Tel.: +49-30-48810128, Fax: +49-30-85075452<br />

E-Mail: loreck@trio-medien.de<br />

Auch nicht ausgezeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall<br />

die Meinung des Herausgebers wieder.<br />

<strong>DAAD</strong> Letter erscheint dreimal im Jahr.<br />

Einzelpreis 6,– Euro, Jahresabonnement 15,– Euro<br />

inklusive Porto <strong>und</strong> MwSt.<br />

Printed in Germany – Imprimé en Allemagne PVST 20357<br />

Einem Teil dieser Ausgabe liegt ein Faltblatt des<br />

<strong>DAAD</strong>-Fre<strong>und</strong>eskreises bei.


© dpa/Jens Kalaene<br />

19. Dezember<br />

Sportler des Jahres<br />

Deutschlands Sportjournalisten<br />

küren in Baden-Baden ihre nationalen<br />

Sportler 2010: Formel-<br />

1-Weltmeister Sebastian Vettel,<br />

Skifahrerin <strong>und</strong> Doppel-Olympiasiegerin<br />

Maria Riesch sowie die<br />

Deutsche Fußball-Nationalelf der<br />

Männer.<br />

21. Dezember<br />

Dioxin im Tierfutter<br />

In Deutschland wird Dioxin, ein<br />

krebserregendes Gift, in Tierfutter<br />

entdeckt. Die B<strong>und</strong>esregierung<br />

schätzt, dass bis zu 150 000<br />

Tonnen Futter für Geflügel <strong>und</strong><br />

Schweine verseucht sein könnten.<br />

Bauern müssen mehr als h<strong>und</strong>erttausend<br />

Eier vernichten <strong>und</strong> Tausende<br />

von Tieren töten.<br />

1. Januar<br />

Fehlstart beim Biosprit<br />

Tankstellen in Deutschland bieten<br />

einen neuen Treibstoff an: das<br />

Biobenzin E10. Es soll den CO2-<br />

Ausstoß <strong>und</strong> die Abhängigkeit von<br />

den Ölförderstaaten verringern.<br />

Doch kaum ein Autofahrer tankt<br />

den Biosprit. Beim „Benzin-Gipfel“<br />

am 8. März beschließen Politik,<br />

Wirtschaft <strong>und</strong> Verbände, die<br />

Autofahrer besser zu informieren.<br />

24. Januar<br />

Bernd Eichinger tot<br />

Der Filmproduzent Bernd Eichinger<br />

stirbt in Los Angeles im<br />

Alter von 61 Jahren an einem<br />

<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />

deutsche chronik<br />

Eine Auswahl von Ereignissen, die in der B<strong>und</strong>esrepublik Schlagzeilen machten (1. Dezember 2010 bis 31. März 2011)<br />

Herzinfarkt. Er zählt zu den bekanntesten<br />

Filmemachern der<br />

deutschen Nachkriegsgeschichte.<br />

Erfolge erzielte er zum Beispiel<br />

<strong>mit</strong> dem Oscar-prämierten Film<br />

„Nirgendwo in Afrika“ <strong>und</strong> <strong>mit</strong><br />

„Der Name der Rose“.<br />

28. Januar<br />

Afghanistan-Mandat verlängert<br />

Der B<strong>und</strong>estag verlängert <strong>mit</strong><br />

großer Mehrheit das Afghanistan-<br />

Mandat. Die B<strong>und</strong>eswehr bleibt<br />

bis Ende 2012 in dem Land. Der<br />

Abzug soll Ende 2011 beginnen<br />

<strong>und</strong> 2014 abgeschlossen sein,<br />

wenn es die Lage erlaubt.<br />

1. Februar<br />

Innovationsmotor<br />

Deutschland gehört zu den innovationsstärksten<br />

Ländern der<br />

Europäischen Union (EU). Das<br />

zeigt der von der Europäischen<br />

Kommission veröffentlichte Innovationsanzeiger<br />

2010. Allerdings<br />

bleibt die EU nach wie vor hinter<br />

den USA <strong>und</strong> Japan zurück.<br />

20. Februar<br />

CDU stürzt ab<br />

In Hamburg erringt die SPD bei<br />

den Wahlen zur Bürgerschaft die<br />

absolute Mehrheit der Sitze. Olaf<br />

Scholz löst Christoph Ahlhaus<br />

(CDU) als Ersten Bürgermeister<br />

ab. Die CDU verliert knapp die<br />

Hälfte der Stimmen <strong>und</strong> fährt <strong>mit</strong><br />

21,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis<br />

in Hamburg ein. Ihr wird<br />

das Scheitern der Koalition <strong>mit</strong><br />

den Grünen angelastet, die acht<br />

Monate zuvor geplatzt war. Die<br />

Grünen legen dagegen leicht auf<br />

11,2 Prozent zu. Die FDP zieht <strong>mit</strong><br />

6,7 Prozent erstmals seit 2001<br />

wieder in die Bürgerschaft ein.<br />

Auch „Die Linke“, die erneut 6,4<br />

Prozent erhält, ist vertreten.<br />

1. März<br />

Guttenberg gibt auf<br />

Verteidigungsminister Karl-Theodor<br />

zu Guttenberg erklärt nach<br />

anhaltender Kritik seinen Rücktritt<br />

von allen politischen Ämtern.<br />

Zwei Wochen zuvor war bekannt<br />

geworden, dass der CSU-Politiker<br />

in seiner 2006 erschienenen<br />

Doktorarbeit Textpassagen aus<br />

anderen Veröffentlichungen ohne<br />

Trauer: Filmproduzent Bernd<br />

Eichinger ist tot<br />

Sorge:<br />

Deutschland überprüft<br />

die Sicherheit<br />

der Kernkraftwerke<br />

Hinweis übernommen hatte. Die<br />

Universität Bayreuth entzog ihm<br />

seinen Doktortitel.<br />

14. März<br />

Umdenken bei Atomkraft<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung setzt die beschlossene<br />

Laufzeitverlängerung<br />

der Atomkraftwerke für drei Monate<br />

aus. Da<strong>mit</strong> reagiert sie auf die<br />

Katastrophe im japanischen Kernkraftwerk<br />

Fukushima <strong>und</strong> die<br />

daraufhin gestiegene Ablehnung<br />

der Atomkraft in Deutschland. Die<br />

Sicherheit aller Meiler soll überprüft<br />

werden. Sieben Kraftwerke<br />

gehen vorerst vom Netz.<br />

17. März<br />

Enthaltung<br />

Der Uno-Sicherheitsrat beschließt<br />

die Einrichtung einer Flugverbotszone<br />

sowie weitere Maßnahmen<br />

zum Schutz der Bevölkerung in<br />

Libyen. Deutschland enthält sich<br />

der Stimme <strong>und</strong> beteiligt sich<br />

nicht an den Luftschlägen gegen<br />

die Truppen des libyschen Machthabers<br />

Muammar al-Gaddafi.<br />

20. März<br />

Kaum Veränderungen<br />

Bei der Landtagswahl in Sachsen-<br />

Anhalt bleiben die Stimmanteile<br />

der drei großen Parteien nahezu<br />

unverändert. Die CDU (32,5 Prozent)<br />

stellt weiterhin die meisten<br />

Abgeordneten, gefolgt von<br />

der „Linken“ (23,7) <strong>und</strong> der SPD<br />

(21,5). Voraussichtlich bilden CDU<br />

<strong>und</strong> SPD erneut die Regierung.<br />

Die Grünen ziehen <strong>mit</strong> 7,1 Prozent<br />

erstmals seit 1994 wieder in den<br />

Landtag ein. Nicht mehr vertreten<br />

ist die FDP. Die Wahlbeteiligung<br />

steigt von 44,4 auf 51,2 Prozent.<br />

Jubel: Die Grünen feiern Erfolge<br />

bei Landtagswahlen<br />

27. März<br />

Grüne schreiben Geschichte<br />

Die Landtagswahlen in Baden-<br />

Württemberg <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz<br />

stehen im Zeichen der Atomkrise<br />

in Japan. Die Wahlbeteiligung<br />

steigt in beiden B<strong>und</strong>esländern.<br />

Am meisten profitieren die Grünen.<br />

In Baden-Württemberg steht<br />

nach r<strong>und</strong> 60 Jahren Regierungszeit<br />

der CDU ein Machtwechsel<br />

bevor. Die CDU liegt nur noch bei<br />

39 Prozent. Die Grünen verdoppeln<br />

ihren Stimmanteil auf 24,2<br />

Prozent <strong>und</strong> könnten <strong>mit</strong> Hilfe der<br />

SPD (23,1) erstmals in ihrer Geschichte<br />

einen Ministerpräsidenten<br />

stellen. Die FDP schafft knapp<br />

den Wiedereinzug in das Landesparlament,<br />

dagegen scheitert „Die<br />

Linke“.<br />

In Rheinland-Pfalz verliert die<br />

SPD von Ministerpräsident Kurt<br />

Beck deutlich. Mit 35,7 Prozent<br />

liegt sie nur 0,5 Prozentpunkte<br />

vor der CDU. Trotzdem könnte<br />

Beck bei einer Koalition <strong>mit</strong> den<br />

Grünen weiter regieren. Die Grünen<br />

steigern sich von 4,6 auf 15,4<br />

Prozent. Die FDP ist nicht mehr<br />

im Landtag vertreten, „Die Linke“<br />

scheitert erneut.<br />

© dpa/Patrick Seeger<br />

© RWE Pressebild<br />

43

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!