Lesen mit Lust und Laune - DAAD-magazin
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den Markt ver<strong>mit</strong>telt“, sagt Hans Diefenbacher<br />
von der Forschungsstätte der Evangelischen<br />
Studiengemeinschaft Heidelberg. Schließlich<br />
wird dagegen gerechnet, was der Wohlfahrt<br />
schadet: Ökologische Schäden, CO2-Ausstoß,<br />
Ressourcenverbrauch, aber auch Kosten für<br />
Verkehrsunfälle, Kriminalität <strong>und</strong> von Alkohol<br />
<strong>und</strong> Drogen verursachte Krankheiten. Das Ergebnis:<br />
Der Nationale Wohlfahrtsindex steigt<br />
in Deutschland, wenn überhaupt, wesentlich<br />
flacher an als das BIP. Seit dem Jahr 2000 werden<br />
in einer Reihe von Jahren sogar Rückgänge<br />
verzeichnet.<br />
Geld allein macht nicht glücklich<br />
Die Suche nach neuen Berechnungsmethoden<br />
ist längst nicht abgeschlossen. Einen<br />
„Fortschrittsindex“ legte 2010 das Zentrum<br />
für gesellschaftlichen Fortschritt in Frankfurt<br />
am Main vor, um gesellschaftliche, ökonomische<br />
<strong>und</strong> ökologische Entwicklungen<br />
abzubilden. Der Index sieht Deutschland auf<br />
einem moderaten Kurs nach vorne. Die Stiftung<br />
„Denkwerk Zukunft“, der Meinhard<br />
Miegel vorsteht, legte ein Memorandum für<br />
ein umfassendes Wohlstandsverständnis vor:<br />
Im „Wohlstandsquartett“ werden auch gesellschaftliche<br />
<strong>und</strong> ökologische Indikatoren berücksichtigt.<br />
Der Deutsche Studienpreis 2010<br />
zeichnete eine Dissertation zu einem neuen<br />
Wohlfahrtsmaß aus; er ging an Martin Binder<br />
vom Max-Planck-Institut für Ökonomik<br />
<strong>DAAD</strong> Letter 1/11<br />
in Jena. „Für gesellschaftlichen Fortschritt ist<br />
auch die Suche nach dem Glück relevant“, sagt<br />
der Evolutionsökonom, der für seine Methode<br />
zur Messung von Wohlfahrt auch empirische<br />
Erkenntnisse aus der Glücksforschung, der<br />
Psychologie, Biologie <strong>und</strong> Neurowissenschaft<br />
heranzog. „Man weiß inzwischen, dass ein<br />
Einkommen über einer bestimmten Schwelle<br />
nicht mehr so wichtig ist für das Glück der<br />
Individuen“, sagt Martin Binder. Von Bedeutung<br />
sind soziale Kontakte, Familie, Selbstbestimmung<br />
im Berufsleben oder ehrenamtliche<br />
Arbeit. „All das ist glückstiftend für Menschen<br />
<strong>und</strong> tritt neben das reine Einkommensmaß.“<br />
Um eine völlige Abkehr vom BIP-Index<br />
geht es in den unterschiedlichen Vorschlägen<br />
nicht. Die Gleichung „steigendes BIP = steigendes<br />
Wohlergehen“ kann für eine Gesellschaft<br />
stimmen, in der die Wirtschaft wenig entwickelt<br />
ist. „Es gibt Gegenden auf der Welt, wo<br />
wir traditionelles Wirtschaftswachstum brauchen,<br />
also mehr Gr<strong>und</strong>bedarfsgüter, Infrastruktur,<br />
Krankenhäuser oder Schulen“, sagt<br />
Hans Diefenbacher. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass sich in armen Ländern eine steigende<br />
Sozialproduktgröße <strong>und</strong> ein steigendes Pro-<br />
Kopf-Einkommen auch auf das Wohlergehen<br />
der Gesellschaft auswirken, ist hoch. „Diese<br />
Verbindung lässt sich aber nicht aufrechterhalten,<br />
je reicher ein Land bereits ist <strong>und</strong> je<br />
umweltschädlicher es wirtschaftet.“<br />
Bettina Mittelstraß