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Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV

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Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche. „Kar“ ist im althochdeutschen<br />

Wort „kara“ enthalten und bedeutet Sorge und Trauer. Die Passionswoche beginnt<br />

mit dem Einzug der Palmprozession in die Kirche symbolisch für den<br />

Einzug Christi in Jerusalem. Stolz trugen Kinder und Jugendliche ihren prächtig<br />

geschmückten „Weihpolm“ zur Kirche. Neugierig beobachteten Mädchen<br />

und Buben, wer wohl dieses Jahr den längsten und schönsten Palmbaum trägt.<br />

Die Aufmachung desselben war von Pfarrei zu Pfarrei verschieden. Die<br />

Palmzweige wurden nach der Weihe als Segensbringer daheim aufbewahrt. Mit<br />

kleinen Zweigen schmückte man den Herrgottswinkel, die kräftigeren Äste kamen<br />

ins Dachgebälk. Es war ein Bitten an die Allmacht, das Haus vor Blitz und<br />

Feuersgefahr zu schützen. Der Palmenstamm wurde von einigen Burschen zur<br />

Auferstehungsfeier mitgenommen und vor der Kirche im geweihten Feuer angekohlt.<br />

Nach dieser sog. „Steckerlweihe“ wurden die Stiele als Segensspender<br />

in Hof und Stall angebracht und einige davon in die Felder gesteckt, um die<br />

keimende Saat zu schützen. Höchste Zeit nun, dass die Schulbuben ihre Osterratschen<br />

hervorholen und überprüfen: die Klappern und Handratschen, die Arm<br />

und Doppelratschen, die Kreuzratschen, Knieratschen und die Schubkarrenratschen.<br />

Am „Antlaßpfinsta“ (Antlaß bedeutet Entlass aus der Sünde), dem<br />

Gründonnerstagmorgen, zu Beginn der hl. Kartage, fliegen die Glocken nach<br />

Rom. Zu Mittag schon sind ihre Stellvertreter, die Ratsch’n Buben, unterwegs<br />

und beten den „Engel des Herrn“ und sprechen anschließend: „Wir ratschen,<br />

wir ratschen den Englischen Gruß, dass jeder katholische Christ beten muss.<br />

Fallet nieder auf die Knie und betet drei Vaterunser und drei Ave Marie!“ Abends<br />

ziehen die Buben nochmals durchs Darf und ersetzen das Gebetläuten. Am<br />

Karfreitagmorgen, mittags und um drei Uhr nachmittags hören wir sie wieder.<br />

Mittag mahnen sie: „Wir ratschen, wir ratschen zum Ejss’n is Zeit, ejßt oba nit<br />

z’vüll, s’Fosttog hejt!“ Zur Todesstunde Christi, um drei Uhr nachmittags, erinnern<br />

die Buben mit folgendem Vers an das Leiden und Sterben des Heilands:<br />

„Wir ratsch’n, wir ratsch’n, drum dankt ‚s dem Herrn, der für uns g’storben ist<br />

gern!“ Der Karfreitag ist der traurigste Tag des Jahres. Er trägt auch manches<br />

Geheimnis. ... Glaube und Aberglaube reichen einander die Hände. Wenn es an<br />

den Leidenstagen regnete, hieß es: „Ostern und Karfreitagsregen bringen selten<br />

Erntesegen!“ „Donnert es im April, hat der Reif sein Ziel.“ Eine Wetterregel<br />

weiß, dass Aprilschnee düngt .... Am Karfreitag geht der Bauer zeitlich früh auf<br />

den Acker und sinkt mit ausgebreiteten Armen nieder. Schlägt er mit der Drischel<br />

aufs Feld, kann er „den Scher ausdreschen“. An diesem Tag darf kein Brot gebacken<br />

werden und wer etwas aus dem Hause leiht, bekommt beim Zurückbringen<br />

sicher Unsegen oder gar eine Hexe ins Haus. Alle, die noch gut zu Fuß sind,<br />

besuchen das Hl. Grab. Der Gründonnerstag und der Karfreitag blieben dem<br />

Teilhaben an den ergreifenden kirchlichen Zeremonien vorbehalten und der Karsamstag<br />

war nach Arbeitsschluss schon vom österlichen Auferstehungsjubel erfüllt.<br />

Am Karsamstagvormittag, gegen neun Uhr, kommen die Glocken wieder<br />

von Rom zurück. Damit ist das Rufer und Mahnamt der Ratschen Buben zu<br />

Ende. Vormittag besuchen sie jetzt die Dorfbewohner mit Taschen und Zegern,<br />

um ihren Lohn einzufordern. Sie gehen in die Häuser, knien nieder und rufen:<br />

„Wir läuten den Englischen Gruß, auf dass jeder katholische Christ beten muss!“<br />

Andere wieder verlauten: „Wir ratschen, wir ratschen, die Fost’n ist aus, hiazt<br />

ruckt’s nur mit Göld und Eiern heraus!“ Sie konnten nun Geld, Speck, Osterlaibchen<br />

und Eier in Empfang nehmen, welche die Bäuerin bereits dutzendweise<br />

gefärbt hatte. Das Schenken von Ostereiern weist auf einen längst vergessenen<br />

Fruchtbarkeitszauber hin. Die Eier wurden streng nach Rang verteilt: Vom<br />

Hütbuben über die Kindsdirn, Kleindirn, Kleinknecht bis zur Großdirn und zum<br />

Großknecht steigerte sich die Zahl. Als Dank folgte der Vers: „Für alle ejngere<br />

Gaben, ob Vull oder wejng, recht froihi Oistern winsch ma ejng!“ Leider kam<br />

es auch manches mal vor, dass die Ratschen Buben nicht eingelassen wurden.<br />

Da mussten sich die neidigen Leute folgendes anhören: „Ejs loßt’s uns nit ejni,<br />

ejs neidige Kraum, wir wer’n ejng wos pfeif’n, mir woar t ma nit loang!“ Am<br />

Karsamstagabend folgt nun die ersehnte Auferstehungsfeier. Sie ist uns bis heute<br />

in lebhafter Erinnerung geblieben. Unter feierlichem Geläute zieht die fröh-<br />

Ulrich und Julia mit ihren Palmbuschen (Bildg. Grete Rankl)<br />

Österliches Brauchtum<br />

Grete Rankl

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