Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV
Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV
Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
86<br />
87<br />
Unsere Grenzbevölkerung lebte früher selten in gutem Einvernehmen mit den<br />
bayrischen Nachbarn. Das ganze 15. Jahrhundert, die Zeit der Hussitenkriege, ist<br />
für die böhmisch-bayrischen Grenzbewohner eine lange Kette gegenseitiger Einfälle<br />
und Raub- und Rachezüge, denen vor allem viel Vieh zum Opfer fiel; dabei<br />
wurden aber auch die meisten Höfe und Dörfer längs der Grenze in Asche gelegt<br />
und heute noch erinnern die Namen mancher Oedungen an die einst hier blühenden<br />
Orte, die dann nicht mehr besiedelt und aufgebaut worden sind. Auch später<br />
waren zu dem ewigen Unfrieden die politischen Ereignisse, in denen Bayern gewöhnlich<br />
auf Seite der Feinde Oesterreichs stand, die Ursache. Zu Beginn des 17.<br />
Jahrhunderts war unsere Bevölkerung größtenteils protestantisch; und wie schon<br />
früher, in der Hussitenzeit, hatten sich die bayrischen Nachbarn auch da wieder<br />
große Mühe gegeben, die ketzerischen Böhmen „katholisch“ zu machen; im spanischen<br />
Erbfolgekriege loderte die Kriegsfackel an unserer Grenze auf; in und<br />
nach diesem Kriege nahm Oesterreich den Bayern mehrere Dörfer weg, die<br />
teilweise heute noch zu Böhmen gehören. Das waren die Ortschaften Eisenstein,<br />
Sternhof, Heuhof, Hofberg, Jägersdorf, Bollmau und Grafenried. Erst Maria<br />
Theresia gab im Grenzvertrage vom Jahre 1765 das heutige Bayrisch-Eisenstein<br />
mit dem Arber, dann Hofberg und Jägershof zurück.<br />
In den Franzosenkriegen stieg die Feindschaft aufs höchste. Der österreichische<br />
Heeresteil, der von der unglücklichen Schlacht bei Regensburg her 1809 in ungeordneten<br />
Haufen hinter unsere Grenze floh, entfachte durch sein feindseliges<br />
Verhalten die bitterste Rachsucht in den Herzen der ohnedies durch den Sieg der<br />
französischen Macht ermutigten bayrischen Landbewohner. Diese beschlossen<br />
zur Vergeltung einen Raubzug nach Böhmen. Der ganze Grenzbezirk bis weit<br />
hinter Kötzting rüstete sich dazu. Unsere Landsleute erfuhren aber bald von diesen<br />
Vorbereitungen, die mit großem Geschrei betrieben wurden. Sie verschafften<br />
sich mit großer Mühe und im Geheimen aus Klattau militärische Hilfe. Es kamen<br />
vier Husaren und zwölf Jäger. Der Jüngling Georg Mayer in Flecken, der spätere<br />
Schreiber einer Bauernchronik, wurde nach Neukirchen geschickt, um den Tag<br />
des Einfalls auszukundschaften. In einem Gasthause zu Neukirchen beim hl. Blut,<br />
jetzt heißt es dort „beim Moreth“, erfuhr er alles, was er wissen wollte. Die Jäger<br />
wurden am Vortage des Einfalles in der „Klausen“ bei Kohlheim, die Husaren in<br />
dem der bayrischen Grenze zunächst gelegenen Hofe „Oberhütten“ gegenüber<br />
dem Hangerberge untergebracht. Da bekamen sie von den Bauern viel zu trinken,<br />
besonders Schnaps und sie tranken, bis sie umfielen. Am andern Tage stellte<br />
sich ein Husar im sogenannten „Hüttenwaldl“ am Fuße des Hangerberges<br />
auf. Und da zogen die Bayern schon heran. An ihrer Spitze ritt auf<br />
einem Schimmel der Marktschreiber von Neukirchen; der Haufen kam zu Fuß<br />
nachgezogen mit Hellebarden, alten Degen, Gewehren, Sensen und so weiter<br />
bewaffnet. Sie führten Säcke und Wagen mit, um die Beute einfassen und fortbringen<br />
zu können. Der Zug bestand aus mehr als hundert Mann. Statt nun die<br />
anderen Husaren zu verständigen, von denen ein Mann in der Klausen um die<br />
Jäger reiten sollte, setzte sich der noch berauschte Husar aufs Pferd und ritt gemütlich<br />
den Bayern entgegen. Der Marktschreiber schoß auf ihn. Da wandte der<br />
Husar sein Pferd zur Flucht und machte wunderliche Kapriolen, so dass die Bayern,<br />
in der Meinung, ihr Führer habe ihn getroffen, in die Hände klatschten und<br />
vor Freude einen Heidenlärm machten. Nun erst holte der Husar seine Kameraden<br />
herbei und diese feuerten jetzt aus dem Hüttenwalde auf die Bayern, so dass<br />
diese glaubten, es mit einer größeren Macht zu tun zu haben. Bald wandten sie<br />
sich zur Flucht. Der eine Husar jagte den Marktschreiber in einen Sumpf, wo der<br />
Schimmel stecken blieb; dann spaltete er dem Reiter den Schädel. Ein anderer<br />
verfolgte den Langerbauern von Warzenried bis nach Rittsteig. Als der Verfolgte<br />
nimmer aus noch ein wusste, kroch er auf einen Saustall; der Husar hieb ihm aber<br />
noch die eine Hinterbacke weg. Ein Husar fand bei der Verfolgung den Tod. Ein<br />
Bauer hatte ihn kniefällig um Schonung seines Lebens gebeten. Der gute Kerl<br />
erbarmte sich seiner, der Bauer aber schoß ihn darauf rücklings vom Pferde<br />
herunter. Der Husar wurde dann bei der Leonhardikirche zu Kohlheim begraben.<br />
Eines Mannes Rede — Hören wir nun auch, was der andere Teil sagt!<br />
Das Gedenkbuch des Franziskanerklosters von Neukirchen b.hl. Blut vermerkt<br />
über diesen Fall Folgendes: „Das Treffen bei Rittsteig (1809).<br />
Der Pfleger von Walser in Furth, der Pfleger von Straßmayer in Kötzting, der<br />
Pfleger von Kuzer in Neukirchen besetzten mit einer Anzahl von 500 Mann,<br />
worunter auch waffenfähige Bürger waren, eine Bastei vor Rittsteig, um einen<br />
Einfall der Husaren, die im benachbarten böhmischen Dorfe Kohlheim sich befanden,<br />
abzuhalten. Es waren auch zwei Leutnants vom Infanterieregiment Kurfürst<br />
zugegen, welche die Leute instruieren sollten; aber die einen stürmten auf<br />
gut Glück vor, ohne sich um irgend jemand zu kümmern, während den andern<br />
überhaupt bei der Sache nicht recht wohl war und sich schon vor dem Angriff in<br />
Sicherheit zu bringen suchten; der dritte Teil hielt dem Angriff der 30 Husaren<br />
anfangs zwar stand, als diese mit hochgeschwungenen Säbeln auf die Landesverteidiger<br />
losstürmten. Es fielen von diesen elf Mann, darunter vier aus<br />
Neukrichen. Auf böhmischer Seite die treue Ueberlieferung, auf bayrischer Seite<br />
das Klostergedenkbuch, zwei scheinbar verlässliche Quellen; wo ist die Wahrheit?<br />
So möchte man fragen, wie einst Pontius Pilatus.<br />
Von da an traten ruhigere Verhältnisse ein. Die <strong>Böhmerwäldler</strong> und die Waldbayern<br />
lernten sich mit zunehmender Volksbildung als Angehörige des gleichen<br />
Stammes und Volkes erkennen und die Zerwürfnisse zwischen ihnen, die übrigens<br />
nur von der Herrscherpolitik ausgegangen waren, sind heute dem Volke nicht<br />
mehr als bloße geschichtliche Erinnerungen. (Aus „Waldheimat“ Sep. 1930)<br />
Der letzte Bayerneinfall nach Böhmen<br />
Josef Blau