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Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV

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Unsere Grenzbevölkerung lebte früher selten in gutem Einvernehmen mit den<br />

bayrischen Nachbarn. Das ganze 15. Jahrhundert, die Zeit der Hussitenkriege, ist<br />

für die böhmisch-bayrischen Grenzbewohner eine lange Kette gegenseitiger Einfälle<br />

und Raub- und Rachezüge, denen vor allem viel Vieh zum Opfer fiel; dabei<br />

wurden aber auch die meisten Höfe und Dörfer längs der Grenze in Asche gelegt<br />

und heute noch erinnern die Namen mancher Oedungen an die einst hier blühenden<br />

Orte, die dann nicht mehr besiedelt und aufgebaut worden sind. Auch später<br />

waren zu dem ewigen Unfrieden die politischen Ereignisse, in denen Bayern gewöhnlich<br />

auf Seite der Feinde Oesterreichs stand, die Ursache. Zu Beginn des 17.<br />

Jahrhunderts war unsere Bevölkerung größtenteils protestantisch; und wie schon<br />

früher, in der Hussitenzeit, hatten sich die bayrischen Nachbarn auch da wieder<br />

große Mühe gegeben, die ketzerischen Böhmen „katholisch“ zu machen; im spanischen<br />

Erbfolgekriege loderte die Kriegsfackel an unserer Grenze auf; in und<br />

nach diesem Kriege nahm Oesterreich den Bayern mehrere Dörfer weg, die<br />

teilweise heute noch zu Böhmen gehören. Das waren die Ortschaften Eisenstein,<br />

Sternhof, Heuhof, Hofberg, Jägersdorf, Bollmau und Grafenried. Erst Maria<br />

Theresia gab im Grenzvertrage vom Jahre 1765 das heutige Bayrisch-Eisenstein<br />

mit dem Arber, dann Hofberg und Jägershof zurück.<br />

In den Franzosenkriegen stieg die Feindschaft aufs höchste. Der österreichische<br />

Heeresteil, der von der unglücklichen Schlacht bei Regensburg her 1809 in ungeordneten<br />

Haufen hinter unsere Grenze floh, entfachte durch sein feindseliges<br />

Verhalten die bitterste Rachsucht in den Herzen der ohnedies durch den Sieg der<br />

französischen Macht ermutigten bayrischen Landbewohner. Diese beschlossen<br />

zur Vergeltung einen Raubzug nach Böhmen. Der ganze Grenzbezirk bis weit<br />

hinter Kötzting rüstete sich dazu. Unsere Landsleute erfuhren aber bald von diesen<br />

Vorbereitungen, die mit großem Geschrei betrieben wurden. Sie verschafften<br />

sich mit großer Mühe und im Geheimen aus Klattau militärische Hilfe. Es kamen<br />

vier Husaren und zwölf Jäger. Der Jüngling Georg Mayer in Flecken, der spätere<br />

Schreiber einer Bauernchronik, wurde nach Neukirchen geschickt, um den Tag<br />

des Einfalls auszukundschaften. In einem Gasthause zu Neukirchen beim hl. Blut,<br />

jetzt heißt es dort „beim Moreth“, erfuhr er alles, was er wissen wollte. Die Jäger<br />

wurden am Vortage des Einfalles in der „Klausen“ bei Kohlheim, die Husaren in<br />

dem der bayrischen Grenze zunächst gelegenen Hofe „Oberhütten“ gegenüber<br />

dem Hangerberge untergebracht. Da bekamen sie von den Bauern viel zu trinken,<br />

besonders Schnaps und sie tranken, bis sie umfielen. Am andern Tage stellte<br />

sich ein Husar im sogenannten „Hüttenwaldl“ am Fuße des Hangerberges<br />

auf. Und da zogen die Bayern schon heran. An ihrer Spitze ritt auf<br />

einem Schimmel der Marktschreiber von Neukirchen; der Haufen kam zu Fuß<br />

nachgezogen mit Hellebarden, alten Degen, Gewehren, Sensen und so weiter<br />

bewaffnet. Sie führten Säcke und Wagen mit, um die Beute einfassen und fortbringen<br />

zu können. Der Zug bestand aus mehr als hundert Mann. Statt nun die<br />

anderen Husaren zu verständigen, von denen ein Mann in der Klausen um die<br />

Jäger reiten sollte, setzte sich der noch berauschte Husar aufs Pferd und ritt gemütlich<br />

den Bayern entgegen. Der Marktschreiber schoß auf ihn. Da wandte der<br />

Husar sein Pferd zur Flucht und machte wunderliche Kapriolen, so dass die Bayern,<br />

in der Meinung, ihr Führer habe ihn getroffen, in die Hände klatschten und<br />

vor Freude einen Heidenlärm machten. Nun erst holte der Husar seine Kameraden<br />

herbei und diese feuerten jetzt aus dem Hüttenwalde auf die Bayern, so dass<br />

diese glaubten, es mit einer größeren Macht zu tun zu haben. Bald wandten sie<br />

sich zur Flucht. Der eine Husar jagte den Marktschreiber in einen Sumpf, wo der<br />

Schimmel stecken blieb; dann spaltete er dem Reiter den Schädel. Ein anderer<br />

verfolgte den Langerbauern von Warzenried bis nach Rittsteig. Als der Verfolgte<br />

nimmer aus noch ein wusste, kroch er auf einen Saustall; der Husar hieb ihm aber<br />

noch die eine Hinterbacke weg. Ein Husar fand bei der Verfolgung den Tod. Ein<br />

Bauer hatte ihn kniefällig um Schonung seines Lebens gebeten. Der gute Kerl<br />

erbarmte sich seiner, der Bauer aber schoß ihn darauf rücklings vom Pferde<br />

herunter. Der Husar wurde dann bei der Leonhardikirche zu Kohlheim begraben.<br />

Eines Mannes Rede — Hören wir nun auch, was der andere Teil sagt!<br />

Das Gedenkbuch des Franziskanerklosters von Neukirchen b.hl. Blut vermerkt<br />

über diesen Fall Folgendes: „Das Treffen bei Rittsteig (1809).<br />

Der Pfleger von Walser in Furth, der Pfleger von Straßmayer in Kötzting, der<br />

Pfleger von Kuzer in Neukirchen besetzten mit einer Anzahl von 500 Mann,<br />

worunter auch waffenfähige Bürger waren, eine Bastei vor Rittsteig, um einen<br />

Einfall der Husaren, die im benachbarten böhmischen Dorfe Kohlheim sich befanden,<br />

abzuhalten. Es waren auch zwei Leutnants vom Infanterieregiment Kurfürst<br />

zugegen, welche die Leute instruieren sollten; aber die einen stürmten auf<br />

gut Glück vor, ohne sich um irgend jemand zu kümmern, während den andern<br />

überhaupt bei der Sache nicht recht wohl war und sich schon vor dem Angriff in<br />

Sicherheit zu bringen suchten; der dritte Teil hielt dem Angriff der 30 Husaren<br />

anfangs zwar stand, als diese mit hochgeschwungenen Säbeln auf die Landesverteidiger<br />

losstürmten. Es fielen von diesen elf Mann, darunter vier aus<br />

Neukrichen. Auf böhmischer Seite die treue Ueberlieferung, auf bayrischer Seite<br />

das Klostergedenkbuch, zwei scheinbar verlässliche Quellen; wo ist die Wahrheit?<br />

So möchte man fragen, wie einst Pontius Pilatus.<br />

Von da an traten ruhigere Verhältnisse ein. Die <strong>Böhmerwäldler</strong> und die Waldbayern<br />

lernten sich mit zunehmender Volksbildung als Angehörige des gleichen<br />

Stammes und Volkes erkennen und die Zerwürfnisse zwischen ihnen, die übrigens<br />

nur von der Herrscherpolitik ausgegangen waren, sind heute dem Volke nicht<br />

mehr als bloße geschichtliche Erinnerungen. (Aus „Waldheimat“ Sep. 1930)<br />

Der letzte Bayerneinfall nach Böhmen<br />

Josef Blau

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