Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV
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Sehnend sitze ich hier und hefte das Auge in die Ferne.<br />
Dort, wo des Himmels Blau sanft sich mit Bergen vermischt,<br />
dämmert das freundliche Land der verlassenen Heimat herüber.<br />
Dorten der neblichte Streif, oh, ich erkenne ihn gut.<br />
Dort ist der hochaufragende Wald, der die Heimat beginnt.<br />
Glänzendes Jugendland, wär ich doch wieder in Dir.<br />
Oh, es war schön, da der Baum, worunter ich spielte,<br />
schön, da des Vaters Haus,<br />
schön, da das heimliche Tal meine Welt war.<br />
Nie umwölkte sich damals mein Himmel.<br />
Immer war mir der Tag, der Abend so schön.<br />
Damals kannte nicht Gram noch die unbefangene Seele,<br />
Frohsinn tönte das Spiel, tönten die Berge zurück.<br />
Kindheit in der Heimat<br />
Die Gestalten des Einzelnen<br />
In der Erzählung „Der Hagestolz“ zeichnete Stifter sein Bild vom einzelnen Menschen:<br />
„Jeder ist um sein selbst willen da, aber nur dann ist er da, wenn alle<br />
Kräfte, die ihm beschieden worden sind, in Arbeit und Tätigkeit gesetzt werden,<br />
denn das ist Loben und Genuß und wenn er daher das Leben ausschöpft bis zum<br />
Grunde. Und sobald er stark genug ist, seinen Kräften allen, den großen und den<br />
kleinen, nur allen, diesen Spielraum zu gewinnen, so ist er auch für die anderen<br />
am besten da... Ich sage dir sogar, daß die Hingabe seiner selbst für andere -<br />
selber in den Tod gerade nichts anderes ist, als das stärkste Aufplatzen der Blume<br />
des eigenen Lebens. Wer aber in seiner Armut nur eine Lebenskraft einspannt,<br />
etwa die des Hungers, der ist für sich selber in einer einseitigen und kläglichen<br />
Verrückung, und er verdirbt die, die um ihn sind.“<br />
Die Persönlichkeit<br />
In der Erzählung „Aus der Mappe meines Urgroßvaters“ kennzeichnet Adalbert<br />
Stifter das Wesen einer Persönlichkeit, indem er den alten Obristen sagen lässt:<br />
„Ich lernte nach und nach das Gute von dem Gepriesenen unterscheiden, das<br />
Heißersehnte von dem Gewordenen“. „Wer frei sein will, der muß sich selbst<br />
beherrschen“, konnte man um 1848 im Wiener Boten lesen. „Ich bin ein Mann<br />
des Maßes und der Freiheit.“ „Buben lärmen und wähnen, dadurch Kraft auszudrücken,<br />
Männer handeln und drücken durch die Handlung Kraft aus; und je<br />
Adalbert Stifter alterte, nach heutiger Sicht, früh. Mit 63 Jahren war er ein alter<br />
und kränkelnder Mann geworden, und die Krankheit gab ihn auch nicht mehr<br />
frei. Als er im Herbst 1867 an einer Grippe erkrankte und sein Leberleiden wieder<br />
heftig einsetzte, fühlte er sein Ende nahen. Trotzdem schleppte er sich immer<br />
wieder zum Schreibtisch. Er arbeitete an einer dritten Fassung seiner Erzählung<br />
„Aus der Mappe meines Urgroßvaters“. Sie sollte zu einem zweibändigen Roman<br />
ausgebaut worden. Im Jänner 1868 verschlechterte sich sein Zustand. In den<br />
letzten Jännertagen wies er seinem Freund Aprent das letzte Blatt dieses Romans,<br />
das er geschrieben hatte und sagte: „Hier wird man schreiben: Hier ist der Dichter<br />
gestorben.“ Diese Worte schrieb Aprent auch auf den Rand der Seite, nachdem<br />
Adalbert Stifter am 28. Jänner 1868 gestorben war.<br />
Das Geburtshaus Stifters, in dem er am 23. Oktober 1805 zur Welt kam, ist seit<br />
langem als Gedenkstätte eingerichtet. Seit dem Ende des zweiten Weltkrieges<br />
und der Vertreibung der Deutschen versuchten die Tschechen, soweit das geht,<br />
Adalbert Stifter als einen der ihren darzustellen und stützen sich dabei vor allem<br />
auf den Roman „Witiko“, den sie als Bericht aus ihrer Frühgeschichte auffassen.<br />
Heimatliebe<br />
Nachdem die Novellen „Der Kondor“ und „Feldblumen“ erschienen waren, wendete<br />
sich Adalbert Stifter mit seiner Erzählung „Das Heidedorf“ seiner Heimat,<br />
dem Böhmerwald zu. Eine ganze Reihe von Erzählungen spielt im Raume um<br />
Oberplan: „Der Hochwald“, „Die Mappe meines Urgroßvaters“, „Der<br />
Waldgänger“, „Der beschriebene Tännling“. selbst der große Roman „Witiko“<br />
handelt in großen Teilen im Böhmerwald.<br />
An diesen Erzählungen wird deutlich wie tief sich Adalbert Stifter mit seiner<br />
Heimat verbunden fühlte. Eines seiner Gedichte unterstreicht das:<br />
Adalbert Stifter: Am Plöckensteiner<br />
See. Verlag Ostmark, Bund deutscher<br />
Österreicher, Linz. Entwurf<br />
von Ernst Kutzer. Ansichtskarte um<br />
1910. (Sammlung Reinhold Fink)