Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV
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Wort an die Künstler<br />
Den Künstlern ruft Stifter zu: „Wenn Völker verkommen, so ist es allemal die<br />
Kunst, welche zuerst von ihnen weicht.“<br />
Das sanfte Gesetz<br />
Das Studium der Naturwissenschaften, die Wanderungen in die Berge, die Beobachtungen<br />
des Malers Adalbert Stifter an der Natur, der tiefe Einblick in geschichtliche<br />
Zusammenhänge und Entwicklungen und das unendliche Feingefühl des<br />
Dichters befähigen Adalbert Stifter in das Wesen der Dinge einzudringen und das<br />
Grundlegende, Grundwirkende zu erspüren und zu erkennen. In der Vorrede der<br />
Sammlung „Bunte Steine“ lesen wir: „Das Wehen der Luft, das Wogen des Kornes...<br />
das Rieseln des Wassers halte ich für groß, den Blitz, das Dröhnen des<br />
Donners und den feuerspeienden Berg halte ich nicht für größer, denn sie sind<br />
auch nur Hervorbringungen jenes Gesetzes, das sanft und unscheinbar wirkt, den<br />
Wind, der das Wogen des Kornes hervorruft, wehen läßt und das Wasser rieseln,<br />
wodurch es das tiefe Tal furcht…<br />
Die vielfältigen, unscheinbaren Geschehen sind es, die auf einige wenige Grundkräfte<br />
zurückgehend, das Werden und Wachsen und Wandeln in der Natur hervorrufen.“<br />
Das Sittengesetz<br />
Und so, wie es in der Natur ist, so ist es auch in den Dingen des Menschen. So wie<br />
jenes sanfte Gesetz, das die Erde gestaltende und die Welt tragende Gesetz ist, so<br />
ist das Sittengesetz die menschtragende Kraft. Es wirkt „still und seelenbelebend<br />
durch den unendlichen Verkehr der Menschen mit Menschen. Die Wunder vorgefallener<br />
Taten sind nur kleine Merkmale dieser allgemeinen Kraft.“ Es sind die<br />
kleinen, die unscheinbaren Tätigkeiten des Menschen, die vielen unentwegten<br />
Pflichterfüllungen, die das Leben tragen und die Wurzel und der Grund für Vorfallendes<br />
und groß Erscheinendes, dessen Ursprung wir später nur schwer erkennen,<br />
weil er unendlich vielschichtig ist.<br />
Aber dieses Sittengesetz ist nicht etwas, was schmeichelndes Glück gewähren<br />
muss. Es ist streng und unerbittlich, wie es andererseits die Menschen trägt.<br />
Stifter sieht wie Herder, dass „kein politisches Gleichgewicht gehoben, kein Frevel<br />
gegen die Rechte der Völker verübt werde, ohne daß sich derselbe rächt und<br />
das gehäufte Übermaß sich einen desto schrecklicheren Sturz bewirkt.“ Stifter<br />
wehrt sich entschieden dagegen, menschliches und staatliches Unglück in den<br />
richtenden Willen Gottes zu setzen: „Was je Gutes und Böses über die Menschheit<br />
gekommen ist, haben Menschen gemacht!“ „Rache ruft Rache hervor“, sagt<br />
der alte Bolemil an einer Stelle des „Witiko“.“<br />
Immer wieder weist Stifter darauf, dass Recht und Sitte die Grundlage menschlichen<br />
Seins bilden. Wo Menschen sittlich verkommen, stirbt das Recht und gehen<br />
die Menschen selber auch unter. Umgekehrt aber spricht Stifter dem Sittengesetz<br />
unausweichbare Wirkung zu, es sei das, was den Menschen und die Menschheit<br />
trägt. „Solange die Geschichte spricht, hat Frevel nie dauernd gesiegt; nur die<br />
Zeit ist die Frage, und was zwischen Anfang und Ende liegt.“ So<br />
Herr Dr. Friedrich Morton, Kustos des Museums in Hallstatt in Oberösterreich,<br />
schrieb an die in Oberplan lebende Nichte des Dichters Frau Ida Mayer: „Sehr<br />
geehrte gnädige Frau! In der Annahme, dass Sie sich für Stifter-Literatur interessieren,<br />
beehre ich mich, Ihnen meinen zum 28. Jänner in der „Linzer Tagespost“<br />
erschienenen Artikel, der einige neue Beziehungen aufdeckt, zu übermit-<br />
Von Adalbert Stifters „Nachsommer“<br />
Franz Fischer<br />
schrieb Stifter 1866 in einem Brief, über die Größe und Gewalt des Sittengesetzes.<br />
In der Vorrede zur Sammlung „Bunte Steine“ schrieb er: „So groß ist die Gewalt<br />
des Rechts und Sittengesetzes, daß es überall da, wo immer es bekämpft worden<br />
ist, doch endlich allzeit siegreich und herrlich aus den Kampf hervorgegangen<br />
ist. Und wenn selbst der Einzelne oder ganze Geschlechter für Recht und Sitte<br />
zugrunde gegangen sind, so fühlen wir sie nicht als besiegt, weil das Ganze höher<br />
steht als der Teil, weil das Gute größer ist als der Tod.“<br />
Aus der Welt Adalbert Stifters: Witiko. Wia Künstlerkartenverlag, Teplitz<br />
Schönau. Entwurf G. Zindel. (Sammlung Reinhold Fink)