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Böhmerwäldler Jahrbuch 2005 - Deutscher Böhmerwaldbund eV

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Es war einmal ein reicher Fürst, er hieß Witiko. Ihm gehörte alles Land zwischen<br />

den Flüssen Donau und Moldau. Fürst Witiko hatte drei Söhne, die er sehr liebte.<br />

Als sie erwachsen waren, und etwas im Leben leisten sollten, ritt er mit ihnen auf<br />

einen hohen Berg, der inmitten seiner Ländereien lag. Dieser Berg bildete einen<br />

langen, von dichtem Urwald bewachsenen Bergrücken auf dessen Kamm mächtige<br />

Felstürme standen. Sie hatten aber nicht so steile Felswände,<br />

Der Schatz am Dreisesselberg<br />

Rosa Tahedl<br />

ler bei Sonnenaufgang vor der Herberge zu warten. Als nun der Tag anbrach und<br />

der Säumerzug von dem Gefolge zusammengereiht wurde, wollte der Oberreitknecht<br />

sein Pferd an die Spitze des Zuges setzen, aber der Kaufmann forderte<br />

ihn auf, das Pferd vor ihm aufzuzäumen. Als der Reitknecht zum Schluss die<br />

Satteltaschen auflegen wollte, winkte der Kaufmann den Köhler heran und hieß<br />

ihn, die Satteltaschen zu durchsuchen. Da kam die goldene Kette ans Tageslicht<br />

und der ertappte Reitknecht wurde auch des Verrates an dem Säumerzug überführt.<br />

Der reiche Kaufmann war aber, trotzdem sich alles für ihn zum Guten gewendet<br />

hatte, ratlos, wie er seine kostbare Fracht unbeschadet durch die Wälder<br />

des Böhmerwaldes bringen könne. Da bot sich der Köhler an, der ja Weg und<br />

Steg im Walde gut kannte, den Säumerzug auf einen heimlichen „Schliefweg“<br />

abseits der Burg Gans zu geleiten. Und weil sich seine Angaben bisher als wahr<br />

erwiesen hatten, vertraute ihm der Kaufmann und versprach ihm reichen Lohn,<br />

wann er den Zug über das Gebirge brächte. Nun setzte sich der Köhler an die<br />

Spitze des Zuges. Der Rabe Krakan flog vor ihm her und spähte aufmerksam in<br />

das Dickicht. Ohne jeden Schaden kam der Säumerzug in die befestigte Stadt<br />

Pragotitz, noch ehe die Tore am Abend geschlossen wurden. Am nächsten Tag<br />

lohnte der Kaufmann den Köhler für sein gutes Geleit mit reichlichem Lohn. Der<br />

Köhler kehrte auf dem Schleichweg wieder zurück in den Marktort, wo die gerettete,<br />

unschuldige Frau bei seinem Kohlenkarren auf ihn wartete. Nun hätte er<br />

sich von seinem Lohn auch in dem Markt eine Heimstatt erwerben können, aber<br />

Krakan der Rabe krächzte ihm auffordernd zu:<br />

„Krah, krah, krei! Im Walde lebt man frei!<br />

Bist keines Herren Knecht. Dort gilt nur Gottes Recht!“<br />

Genau so empfand es auch der Köhler. Er lud einen reichlichen Vorrat auf seinen<br />

Karren und zog mit seiner neuen Gefährtin hinaus in den Wald, der ihm Schutz<br />

und Arbeit bot. Er war jetzt nicht mehr allein mit seinem gefiederten Freund,<br />

sondern lebte zufrieden mit der jungen Frau in seiner Waldhütte. — Und wenn<br />

sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute dort.<br />

wie ihr sie manchmal auf<br />

Bildern seht, sondern es<br />

waren lauter riesige, von<br />

Wind und Wetter abgeschliffene<br />

Steinhaufen, welche<br />

so aussahen, als hätten<br />

die Riesen in grauer Vorzeit<br />

sie übereinander geschlichtet.<br />

Drei dieser Felstürme<br />

standen nahe beieinander,<br />

und in jeden war ein Sitz in<br />

den obersten Stein gehauen.<br />

Man konnte von dort<br />

aus weit in das Land sehen.<br />

Der Fürst hielt jeden seiner<br />

Söhne an, sich auf einen<br />

solchen Steinplatz zu setzen.<br />

Er selber blieb in ihrer<br />

Mitte auf einem Platz stehen,<br />

wo zu seinen Füßen ein Wildrosenstrauch in voller Blüte stand. Dann sprach<br />

er zu seinen Söhnen: „Ihr seid nun erwachsen, und es möge jeder von Euch nach<br />

Kräften versuchen, zum Wohlstand unseres Geschlechtes beizutragen. Ihr könnt<br />

von hier aus das ganze Land Übersehen, das uns gehört. Sagt mir also, was ihr im<br />

Leben leisten wollt!“ Die drei Söhne sahen unter sich weite, unermessliche Wälder<br />

mit hellen Blößen, dunklen Seen und silberig glitzernden Flüssen, über die<br />

Gottes Sonnenlicht freundlich herabstrahlte. So antwortete der erste Sohn: „Ich<br />

will ein Ritter werden. Ich werde eine feste Burg auf einen Felsen bauen, dort wo<br />

der Fluss Moldau eine doppelte Schleife durch die krumme Au zieht. Von dieser<br />

Burg aus will ich alle Menschen schützen die in unserem Land wohnen, dass<br />

ihnen kein Feind schaden kann.“<br />

Der zweite Sohn, welcher lange in die Ferne nach Süden geschaut hatte, wo das<br />

Silberband der Donau den Blick in die Ferne lockte, antwortete dem Vater: „Ich<br />

will ein Handelsmann werden. Ich werde einen Steig durch den Urwald zwischen<br />

Donau und Moldau schlagen. Und viele Kaufleute, Säumer, sollen mit<br />

ihren Pferden Handelswaren vor allem Salz in unser Land bringen. Es soll<br />

dadurch zu solchem Reichtum kommen, dass man diesen Handelsweg sogar einen<br />

„Goldenen Steig“ nennen wird.“ Der dritte Sohn aber konnte seinen Blick<br />

nicht von den unermesslichen Weiten des Waldes lösen, der wie ein grünes Meer<br />

Woge um Woge in dunkler Wellenflut vor ihnen breitete. Dann sagte er: „Ich<br />

Adolf Harant: Passau,<br />

Römerkastell „Bojotro“

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