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Glückauf - Windhoff Bahn

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GMH GRUPPE<br />

Künstler in zwei Welten<br />

Zu DDR-Zeiten war Detlef Moosdorf ein sehr bekannter und anerkannter<br />

Künstler – bis ihm Berufsverbot erteilt wurde. Wir trafen ihn zu einem<br />

Gespräch in seinem verwunschenen Garten in Haida.<br />

aida ist ein kleiner idyllischer<br />

HOrt mit 570 Einwohnern wenige<br />

Kilometer von Gröditz entfernt.<br />

Auf dem Weg zum Wohnhaus von<br />

Detlef Moosdorf passiert man eine<br />

Vielzahl von Einfamilienhäusern<br />

mit „normalen“ Gärten vor oder<br />

hinter den Häusern. Den Garten<br />

von Detlef Moosdorf kann man<br />

nicht als „normal“ bezeichnen. Es<br />

ist ein ganz besonderer Garten.<br />

Kaum betritt man ihn, befindet<br />

man sich in einer anderen Welt.<br />

Wie in einem verschlungenen Labyrinth<br />

irrt man förmlich durch<br />

dieses Idyll. Alle paar Meter, nein<br />

Zentimeter, taucht etwas vor einem<br />

auf: Skulpturen unterschiedlichster<br />

Art, Plastiken, Findlinge oder sogenannte<br />

Windsteine, die Detlef<br />

Moosdorf so nennt, weil sich an<br />

ihnen über die Jahrhunderte eine<br />

„Windkante“ gebildet hat. Wenn<br />

man nach oben schaut, sieht man<br />

immer wieder aus Stein gemeißelte<br />

Köpfe in Bäumen drapiert oder auf<br />

Baumstämmen abgestellt.<br />

Aber nicht nur Kunstgegenstände<br />

verbirgt der Garten. Detlef<br />

Moosdorf sammelte über Jahre<br />

Gegenstände, die nach der<br />

„Wende“ 1989 auf den Sperrmüll<br />

wanderten. Er trug ausgediente<br />

Schreibmaschinen, Fitnessgeräte,<br />

Fahrräder, Skier, Tennisschläger<br />

und vieles mehr nach Hause, damit<br />

diese Gegenstände aus DDR-Zeiten<br />

noch lange erhalten bleiben.<br />

Man mag sich als Besucher gar<br />

nicht verabschieden von diesem<br />

außergewöhnlichen Ort.<br />

In seinem Haus geht die Entdeckungsreise<br />

weiter. In allen Räumen<br />

hängen oder stehen seine Gemälde:<br />

Landschaften, Szenen aus<br />

Fabriken, Porträts, Akte und viele<br />

andere Motive. Und während des<br />

Gesprächs mit dem Künstler – bei<br />

einer Tasse Brennnesseltee – erfahren<br />

wir Dinge aus seinem Leben,<br />

die uns ein wenig erschüttern:<br />

Er studierte Ende der 1950er,<br />

Anfang der 1960er Jahre an der<br />

Hochschule für Bildende Künste<br />

Dresden. Von 1963 war er freischaffender<br />

Künstler in Dresden. In den<br />

Jahren 1969 bis 1977 beschäftigten<br />

ihn die Stahlwerke Gröditz im Rahmen<br />

eines Werkvertrages als Maler.<br />

I n der DDR war es üblich, Kunst<br />

und Kultur in die tägliche Arbeit<br />

zu integrieren – über Malzirkel,Fotozir-<br />

kel, Schreibzirkel in Werken und<br />

Fabriken. Dies fand – wie auch bei<br />

den Stahlwerken Gröditz – in sogenannten<br />

Kulturräumen statt.<br />

Detlef Moosdorf hatte so die<br />

Möglichkeit, fast zehn Jahre lang<br />

alle vier Wochen neue Bilder, Grafiken<br />

und Plastiken in Räumen des<br />

Stahlwerkes auszustellen. Er war in<br />

diesen Jahren in der DDR ein bekannter<br />

und anerkannter Künstler,<br />

ein „öffentlicher Mensch“.<br />

Im Jahr 1977 änderte sich diese<br />

Situation allerdings abrupt. Detlef<br />

Moosdorf wurde in diesem Jahr ein<br />

Malverbot erteilt, der Werkvertrag<br />

mit den Stahlwerken Gröditz von<br />

jetzt auf gleich aufgelöst. Zudem<br />

durften von ihm keine Bilder mehr<br />

ausgestellt werden. Was führte zu<br />

diesem herben Einschnitt in seinem<br />

Leben? Was war passiert?<br />

Wie viele sicherlich noch wissen,<br />

wurde der Liedermacher Wolf<br />

Biermann im November 1976 –<br />

wegen staatsfeindlicher Äußerungen<br />

– aus der DDR ausgewiesen.<br />

Gegen diese Ausbürgerung wurde<br />

ein offener Brief verfasst, in dem<br />

unter anderem stand, dass die<br />

Unterzeichner des Briefes<br />

die Texte von<br />

Oben: War bisher noch auf keiner Ausstellung<br />

zu sehen: Utopia aus den 70er Jahren ist<br />

imposante 1,25 x 2,50 m groß.<br />

Fotos: mk<br />

Der Maler Moosdorf<br />

Rudolf Scholz, der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes<br />

Dresden, hatte anlässlich einer Vernissage<br />

von Detlef Moosdorf eine Eröffnungsrede<br />

gehalten. Darin bezeichnet er dessen Werk<br />

als „erregend wuchtig“. Die Landschaftsbilder<br />

und Porträts hätten zudem eine intensive<br />

Leuchtkraft, drückten immer wieder die Liebe<br />

zu den Menschen aus. Auch von „deftiger“<br />

Erotik war die Rede. Rudolf Scholz zitierte aus<br />

einem Gedicht, das er Detlef Moosdorf gewidmet<br />

hat. Diese Zeilen charakterisieren ihn auf<br />

lyrische Weise:<br />

Der Maler Moosdorf lebt mit wenig Geld<br />

da draußen irgendwo am Rand der Welt,<br />

in einem alten Haus, das eingeschmiegt<br />

in wuchernd weiter Kräuterwildnis liegt.<br />

Hier zieht er unermüdlich seine Kreise.<br />

Der Bärlauch grünt. Die Katzen schnurren leise.<br />

Hier schwärmt er aus, zu neuer Lust verführt.<br />

Und Ingrid wärmt ihn nachts, so oft der friert.<br />

Der Maler Moosdorf läßt im steten Mühn<br />

Die Farben lodern und vulkanisch glühn.<br />

Die brechen hitzig aus ihm aus spontan,<br />

ganz so, als sei er selber der Vulkan,<br />

der aus dem Chaos, welches ihn regiert,<br />

noch immer einen tanzenden Stern gebiert,<br />

ein Farbgewitter, welches gluterhitzt<br />

dort auf den breiten Leinwandwänden blitzt …<br />

(„Der Maler Moosdorf“, Auszug aus: „Gerichtstag“,<br />

Gedichte von Rudolf Scholz, Verlag OsirisDruck, Leipzig)<br />

Rechts: Ingrid und Detlef Moosdorf,<br />

Julia Pehla (SWG) und<br />

Autor Matthias Krych (RRO).<br />

glück auf · 3/2012 ............ 6<br />

kunstimwerk<br />

Wolf Biermann gerne weiter lesen,<br />

hören und in Zukunft auch weiter<br />

diskutieren möchten. Dieser<br />

Brief wurde von vielen Künstlern<br />

unterschrieben – auch von Detlef<br />

Moosdorf. Das war der<br />

Grund für das Berufsverbot.<br />

„Von diesem Zeitpunkt<br />

an galt ich offiziell<br />

als potenzieller<br />

Klassenfeind“, so Detlef<br />

Moosdorf. Noch<br />

1977 hatte er an der<br />

„VIII. Kunstaustellung<br />

der DDR“ teilgenommen<br />

– danach stellte<br />

er ganze 33 Jahre lang<br />

nicht mehr aus. Aber<br />

Wut auf das totalitäre<br />

DDR-Regime würde<br />

er nicht mehr empfinden.<br />

Für ihn sei die<br />

DDR ein schwacher<br />

Staat gewesen, der<br />

aus diesem Grund ein<br />

hohes Maß an Selbstschutzmaßnahmenergriffen<br />

hätte.<br />

Erst 2010 hatte er wieder eine<br />

Ausstellung: Vulkane, Asche, Liebe.<br />

„Die Eröffnung war für mich sehr<br />

emotional“, so Detlef Moosdorf.<br />

Weitere Ausstellungen folgten, wie<br />

auch die aktuelle in Zeithain bei<br />

Salzgitter, zu deren Vernissage er<br />

nach dem Gespräch fuhr.<br />

Auch bei den Schmiede- und<br />

Elektrostahlwerken in Gröditz<br />

ist er wieder präsent. Ein Gemälde<br />

von ihm ziert seit Jahren das<br />

Konferenzzimmer. Beim Tag der<br />

offenen Tür im September 2011<br />

präsentierte er auf Wunsch der Geschäftsführung<br />

weitere Arbeiten.<br />

Viele ältere Mitarbeiter hätten ihn<br />

wiedererkannt und gegrüßt.<br />

mk<br />

DER KÜNSTLER<br />

Detlef Moosdorf<br />

Detlef Moosdorf war 1969 bis<br />

1977 bei den Stahlwerken Gröditz<br />

im Rahmen eines Werkvertrages<br />

als Maler beschäftigt.<br />

1939 in Wurzen geboren<br />

1958–1963 Studium an der<br />

Hochschule für Bildende Künste,<br />

Dresden<br />

1967–1977 zahlreiche Ausstellungen<br />

in der DDR<br />

Seit 2010 Ausstellungen in Riesa,<br />

Auterwitz, Grundau und Berlin<br />

Kommende Ausstellungen<br />

• 3. Oktober 2012<br />

Galerie Moosdorf<br />

Seußlitz/Diesbar<br />

Brummochsenloch 17<br />

• ab 5. Oktober 2012<br />

Rathaus Staucha<br />

Thomas-Müntzer-Platz 2<br />

(Vernissage im Ratssaal)<br />

Foto: Claudia Thiele

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