Methoden und Medien - Pädagogische Hochschule Weingarten
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<strong>Methoden</strong> <strong>und</strong> <strong>Medien</strong> des TU<br />
noch nicht unterscheiden. Eine typische Reaktion wäre das Zusammensuchen beliebiger, auch nicht passender<br />
Informationen. Lernen ist ein regressiver Prozess, kein linearer. Das wird von der <strong>Methoden</strong>-<br />
Forschung bisher nur unzureichend berücksichtigt.<br />
5 Weitere Formen technischer Bildung: vergessene <strong>und</strong> übersehene<br />
methodische Konzepten<br />
Zum Abschluss wird der Blick geweitet auf in Vergessenheit geratene oder gering gewürdigte Konzepte<br />
technischer Bildung.<br />
5.1 Bildung durch Werkerziehung bei Wessels<br />
1966 publizierte Wessels „Die Werkerziehung“. Das Buch wurde im Zuge der Umgestaltung vom Werkunterricht<br />
zum Technikunterricht für nicht mehr zeitgemäß gehalten, weil da vom Hantieren, vom Basteln<br />
<strong>und</strong> vom Werken gesprochen wird. Wer Kinder bei diesen Tätigkeiten beobachtet, merkt jedoch schnell,<br />
dass das Urformen technischen Handelns sind, wenn auch in der Begrifflichkeit der Zusammenhang zur<br />
Technik als Kulturbereich nicht klar wird.<br />
5.1.1 Technische Bildung als Entwicklungsprozess<br />
Anders als in den <strong>Methoden</strong> des TU, die sich immer so lesen, als ob Kinder unter entsprechender Anleitung<br />
zu professionellen technischen Handlungen gebracht werden können, beschreibt Wessels die Entwicklung<br />
aus, die Kinder durchlaufen müssen. „Bildung kann nur zustandekommen, wenn dem zu Bildenden in den<br />
Zeiten seiner optimalen Bildsamkeit die ihm gemäßen Bildungsinhalte nahegebracht werden.“ (Wessels<br />
1969, S. 140) Unter Berücksichtigung der Forschungen der Entwicklungspsychologie entwirft er ein Stufenmodell<br />
technischer Bildsamkeit:<br />
Die Hantierstufe: Sie beginnt, ab einem Alter von etwa 2 Monaten, mit einem starken Tätigkeitsdrang. Alles<br />
wird genommen, befühlt, beklopft, aufgestellt, hin- <strong>und</strong> hergetragen. Zunächst bewegt das Kleinkind<br />
sich selbst mit größtem Vergnügen (Bühler: Funktionslust) <strong>und</strong> dann alle Gegenstände, die das zulassen.<br />
Danach beginnt es, regelrechte Experimente mit Materialien anzustellen. Sand wird angehäuft, geschaufelt,<br />
begossen. Klötze werden aufgetürmt, angelehnt, Papier gefaltet, geknittert, gerissen, zum Schweben gebracht.<br />
Erst wenn das „ausgekostet“ ist, wird Material zu neuen Formen gestaltet, nicht mehr einfach in<br />
seiner gegebenen Form hingenommen.<br />
Die Bastelstufe: Allein das Wort Basteln lässt jeden Techniklehrer erschaudern. Wessels denkt pragmatischer<br />
<strong>und</strong> benennt mit Basteln eine „tätige Weise des Verstehens“ (a. a. O., S. 153). Über die Hantierstufe<br />
geht die Bastelstufe hinaus, indem der Hang zur Realitätsentsprechung <strong>und</strong> zum Werkzeuggebrauch zunimmt.<br />
In allem, was das Kind in diesem Alter (zu Beginn der Schulzeit) in die Hand bekommt, wird ein<br />
Anlass zur Gestaltung gesehen. Dabei kommt es zunächst nicht auf wirkliche Gebrauchstüchtigkeit an,<br />
sondern das Gestaltete muss einer Vorstellung des Abgebildeten entsprechen. Am Ende der Bastelstufe<br />
wird dann zunehmend Wert auf Funktionstüchtigkeit gelegt. Es sollen keine Spielsachen mehr entstehen,<br />
sondern „echte“ Dinge, die zu gebrauchen sind.<br />
Die Werkstufe: Mit der Pubertät kommt eine Phase, in der, laut Wessels, zunehmend Ansprüche von außen<br />
gestellt werden können <strong>und</strong> müssen. Unter Werken versteht er: „planmäßige, material- <strong>und</strong> werkgerechte<br />
Herstellung eines Gegenstandes aus Rohmaterial.“ (A. a. O., S. 160) Aus dem anfänglichen Befolgen von<br />
Anweisungen wachsen langsam die Fähigkeit zur Analyse gegebener technischer Artefakte <strong>und</strong> die Fähigkeit<br />
zur Synthese, also zum Einsetzen gelernter Fähigkeiten, um Neues zu schaffen.<br />
Wir wissen heute, dass die Vorstellung, im frühen Jugendalter müssten die SuS zuerst einmal nachmachen,<br />
damit sie die Fähigkeiten zum kompetenten Selbermachen entwickeln, nicht erfolgversprechend ist. Auch<br />
Wessels Gleichsetzen gestalterischer Bildung mit dem Herstellen ist eine Verkürzung der Fähigkeiten von<br />
Stand: Oktober 2012 Binder 22 Seiten - 11