das ginge eigentlich die ganze Welt etwas an! - Bundesministerium ...
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Die Schule – ein Ort interreligiöser Verständigung?<br />
von MARTIN JÄGGLE<br />
Religion ist Privatsache – in dem Sinne, <strong>das</strong>s es <strong>etwas</strong><br />
zutiefst Persönliches, ja auch Intimes ist, wo es keine<br />
Fremdbestimmung geben darf und der Staat <strong>die</strong> Religionsfreiheit<br />
als Menschenrecht zu sichern hat, und es<br />
auch <strong>das</strong> Recht geben muss, sich von Religion dist<strong>an</strong>zieren<br />
zu können.<br />
Religion ist aber nicht nur Privatsache – in dem Sinne,<br />
als Religion öffentlich in Erscheinung tritt, Religionsfreiheit<br />
als Menschenrecht auch <strong>die</strong> öffentliche Ausübung<br />
von Religion einschließt und Religion und religiöse <strong>Welt</strong>und<br />
Lebensdeutung jedenfalls Einfluss hat auf Einzelne,<br />
aber auch auf Gesellschaft und Politik.<br />
Religionen sind verschieden. Selbst in der Gruppe der<br />
monotheistischen Religionen k<strong>an</strong>n <strong>die</strong> gemeinsame<br />
Ver<strong>an</strong>twortung vor Gott <strong>die</strong> grundlegenden Unterschiede<br />
im Verständnis Gottes, des Menschen, der Beziehung<br />
zwischen Gott und Mensch usw. nicht relativieren. Aber<br />
<strong>die</strong> Vorstellung, Religionen wären eine Art von Insel,<br />
primär auf sich selbst bezogen, somit begrenzbar und abgrenzbar,<br />
wird dem Phänomen Religion und der Vitalität<br />
der einzelnen Religion nicht gerecht. Insbesondere <strong>die</strong><br />
Vielfalt innerhalb der jeweiligen religiösen Tradition bleibt<br />
ausgeblendet.<br />
Entgegen allen Prognosen und Erwartungen bleibt<br />
Religion ein öffentliches Thema und ist insofern auch<br />
Gegenst<strong>an</strong>d der Bildung. Religion ist Teil schulischer<br />
Realität, allein schon durch <strong>die</strong> Einstellung und Praxis zu<br />
Religion derer, <strong>die</strong> <strong>an</strong> der Schule sind, ob nun zustimmend,<br />
indifferent oder ablehnend. Und Religion ist <strong>an</strong><br />
der Schule plural präsent.<br />
So ist <strong>die</strong> Schlüsselfrage nicht, ob es Religion <strong>an</strong> der<br />
Schule gibt oder geben soll, sondern: Wie nimmt <strong>die</strong><br />
Schule <strong>die</strong> religiöse Pluralität wahr? Wie begegnet sie der<br />
Vorwort | Interreligiöser Dialog<br />
5<br />
Tatsache einer multikulturellen und auch multireligiösen<br />
Gesellschaft, <strong>die</strong> sich <strong>an</strong> der Schule und im Klassenzimmer<br />
widerspiegelt?<br />
„Das Klassenzimmer bietet ein Spiegelbild unserer<br />
multikulturellen Gesellschaft. Hier können Werte wie<br />
Toler<strong>an</strong>z, Respekt, Anerkennung und Menschenwürde<br />
gelernt und gelebt werden. Wie ernst sie tatsächlich<br />
genommen werden, zeigt sich im Umg<strong>an</strong>g mit individuellen<br />
Besonderheiten, kulturellen Unterschieden und<br />
religiösen Minderheiten.“ 1<br />
Die religiöse Pluralität, <strong>die</strong> ja auch eine Quelle von<br />
Konflikten sein k<strong>an</strong>n, erhöht den gesellschaftlichen Verständigungsbedarf<br />
über Religion und jenen der Angehörigen<br />
verschiedener Religionen. Hier ist <strong>die</strong> Schule als<br />
Ort religiöser Verständigung von jungen Menschen gefordert<br />
und zugleich nicht ersetzbar.<br />
Es wäre nun sachlich <strong>an</strong>gemessen und hilfreich,<br />
Menschen nicht als Repräsent<strong>an</strong>ten von Religionen zu<br />
sehen, sondern als Subjekte, <strong>die</strong> in einem religiösen<br />
Kontext stehen, in einer religiösen Tradition, <strong>die</strong> sich (als<br />
„Co-Konstrukteure der Wirklichkeit“) auf eine religiöse<br />
Tradition beziehen, hinter denen eine religiöse Tradition<br />
steht oder wie auch immer sich <strong>die</strong>se Beziehung darstellen<br />
mag.<br />
Ein solcher Zug<strong>an</strong>g nimmt ernst, <strong>das</strong>s es keine Religion<br />
<strong>an</strong> sich gibt, sondern stets eine Pluralität <strong>an</strong> Religionen<br />
und innerhalb von Religionen, <strong>das</strong>s Religionen<br />
geschichtliche Größen sind und somit auch einem geschichtlichen<br />
W<strong>an</strong>del unterliegen. Dieser Zug<strong>an</strong>g hilft<br />
<strong>die</strong> Entwicklung und Bedeutung von Stereotypen zu<br />
reduzieren.<br />
Die religiöse Vielfalt k<strong>an</strong>n auch eine Ressource sein.<br />
Dazu k<strong>an</strong>n es aber nur kommen, wenn religiöse Vielfalt<br />
Anerkennung findet. Die staatliche Anerkennung von<br />
einem dutzend Kirchen und Religionsgesellschaften ist<br />
eine gute Grundlage für <strong>die</strong> gesellschaftliche und schu-