Ausgabe - 01-02 - 2012 - Produktion
Ausgabe - 01-02 - 2012 - Produktion
Ausgabe - 01-02 - 2012 - Produktion
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
PRÄZISIONSWERKZEUGE<br />
RICHARD LÄPPLE, PRODUKTION NR. 1-2, 2<strong>01</strong>2<br />
Die Anforderungen an Werksto�e für die Energietechnik werden künftig<br />
weiter steigen. Zunehmend kommen schwer zerspanbare Materialien<br />
zum Einsatz. Bei den Herstellern von Präzisionswerkzeugen läuft<br />
die Suche nach dem idealen Schneidsto� auf Hochtouren.<br />
von 600 Grad Celsius und mehr erfordern<br />
hochtemperaturfeste Werkstoffe<br />
wie die Nickelbasislegierungen<br />
Inconel, Udimet, Nimonic etc.<br />
Herkömmlicher Baustahl glüht in<br />
diesen Regionen bereits dunkelrot.<br />
„Die Wirkungsgrade lassen sich<br />
außerdem durch größere Anlagen<br />
weiter nach oben treiben“, wie Peter<br />
Jeschke vom Institut für Strahlantriebe<br />
und Turbomaschinen an der Universität<br />
Aachen betonte. Die Werkstücke<br />
wie Schaufeln und Gehäuseteile<br />
werden folglich größer, was die<br />
Bearbeitung nicht einfacher macht.<br />
Die größten Schaufeln finden sich<br />
am Ausgang der Turbine. Zwar<br />
kommen dort dank niedrigerer<br />
Temperaturen keine Superlegierungen<br />
mehr zum Einsatz, dafür<br />
aber leichte Titanwerkstoffe. Auch<br />
diese Legierungen gehören zur<br />
ISO-S Gruppe. Lang, dünn und<br />
schwer zerspanbar – es kommt einiges<br />
zusammen.<br />
Der Bedarf an ISO-S Werkstoffen<br />
wird nicht zuletzt aufgrund eines<br />
global steigenden Energieverbrauchs<br />
weiter zunehmen. Daran<br />
ändern mittelfristig auch regenerative<br />
Energiequellen nichts. „Dampfturbinen<br />
bleiben der zentrale Bestandteil<br />
der Energieerzeugung des<br />
21. Jahrhunderts“, prognostizierte<br />
Dr. Henning Rohkamm, Projektleiter<br />
12. Januar 2<strong>01</strong>2 · Nr. 1-2 · <strong>Produktion</strong> · Trends & Reports · 11<br />
Energietechnik: Suche nach dem<br />
Top-Schneidstoff läuft auf Hochtouren<br />
TÜBINGEN (HI). Die Zerspaner in<br />
der Energietechnik, zumal im Umfeld<br />
der Wärmekraftwerke, haben es<br />
nicht leicht. Sie bekommen es immer<br />
häufiger mit schwer zerspanbaren<br />
Werkstoffen zu tun, wie<br />
kürzlich auf dem 2. internationalen<br />
Energieforum des Werkzeugherstellers<br />
Walter in Tübingen zu vernehmen<br />
war.<br />
Der Grund liegt in der Physik der<br />
Wärmekraftprozesse. Der Wirkungsgrad<br />
der Kraftwerke steigt mit<br />
den Gas- und Dampftemperaturen.<br />
Hohe Wirkungsgrade sind aber das<br />
A & O einer ressourcenschonenden<br />
und kostenoptimierten Energieerzeugung.<br />
Des Physikers Freud, des<br />
Zerspaners Problem. Die üblichen<br />
Turbinen-Eingangstemperaturen<br />
Modernste Werkzeuge sind gefordert,<br />
damit später die Turbinenmontage<br />
problemlos läuft. Bild: Siemens<br />
INTERVIEW<br />
DIETMAR POLL, PRODUKTION NR. 1-2, 2<strong>01</strong>2<br />
Radnabenantriebe erleben derzeit ein Comeback. Wir sprachen mit<br />
Dr. Gunter Freitag von der zentralen Siemens-Forschungsabteilung<br />
‚Corporate Technology‘, was dahinter steckt.<br />
mobile Anwendungen. Unser<br />
Radnabenantrieb ist als permanent-erregte<br />
Synchronmaschine<br />
aufgebaut, damit erreichen wir eine<br />
hohe Leistungsdichte. Wichtig<br />
ist hierbei ein guter Wirkungsgrad<br />
im Teillastbereich, weil solch eine<br />
Maschine im Fahrzeugeinsatz die<br />
meiste Zeit eben nicht unter Volllast<br />
betrieben, sondern eher mit<br />
mäßiger Leistung und dafür dynamisch<br />
beansprucht wird.<br />
Für welchen Einsatzbereich ist<br />
dieser vorgesehen?<br />
Ein solcher Radnabenmotor könnte<br />
vor allem in Fahrzeugen zum<br />
Einsatz kommen, die hauptsächlich<br />
in Städten fahren. Eine hohe<br />
Endgeschwindigkeit des Fahrzeugs<br />
ist also nicht das Ziel. Wir<br />
wollten die Radnabenmaschine<br />
als Antrieb verwenden und gleichzeitig<br />
damit die Reibbremse auf<br />
Anspruchsvoller Einsatz in der Energietrechnik: Bohren einer Gasturbinen-Radscheibe mit speziellen<br />
XD-Bohrern von Walter bei Siemens Energy in Berlin. Bild: Läpple<br />
Komponentenentwicklung Dampfturbinen,<br />
Siemens Energy.<br />
Bei Werkstücken aus Inconel &<br />
Co sind modernste Werkzeuge gefragt.<br />
Am liebsten würden die Fertigungsverantwortlichen<br />
einen<br />
Gummidiamanten ins Futter und<br />
in die Halter spannen. Aber diesen<br />
Wunderschneidstoff gibt es leider<br />
nur in der Theorie. Dr. Christian<br />
Wagenknecht, Alstom, fasste die<br />
vom Werkzeug im Turbinenbau<br />
verlangten Eigenschaften zusammen:<br />
„Hohe mechanische und<br />
thermische Resistenz, geringe Neigung<br />
zu Aufbauschneiden, möglichst<br />
gute Wärmeleitfähigkeit, keine<br />
Neigung zur Diffusion.“ Mit den<br />
typischen hohen Zerspanungskräften<br />
müsse man auf einem vorhandenen<br />
Maschinenequipment zurechtkommen.<br />
Bleibt also nur zu<br />
folgern: um die Entwicklungen im<br />
Gas- und Dampfturbinenbau in der<br />
Fertigung künftig zu meistern, ist<br />
vor allem am Werkzeug als wichtigster<br />
Stellschraube zu drehen.<br />
Das passiert auch in den Entwicklungsabteilungen<br />
im Hause Walter.<br />
Ein Meilenstein für die Bearbeitung<br />
von ISO-S-Materialien war beispielsweise<br />
die Markteinführung<br />
von Wendeplatten mit PVD-Aluminiumoxid-Beschichtung.<br />
Das PVD-<br />
Verfahren bewirkt aufgrund niedriger<br />
Prozesstemperaturen, dass die<br />
Zähigkeit des Hartmetalls erhalten<br />
bleibt, die Hartschicht Aluminiumoxid<br />
unterstützt die Hochtemperatur-Verschleißfestigkeit.<br />
Mit diesen<br />
Schneidstoffen ist daher ein großer<br />
Step in Richtung ‚idealer Schneidstoff‘<br />
gelungen. Weitere bedeutende<br />
Schritte in der Werkzeugent-<br />
Radnabenantriebe schaffen völlig neue Möglichkeiten<br />
Herr Freitag, welche Art von<br />
Radnabenmotor entwickeln Sie?<br />
Ergänzend zum aktuell verfügbaren<br />
Antriebsportfolio der Siemens<br />
Business Unit ‚Electric Car‘ arbeiten<br />
wir in der zentralen Siemens-<br />
Forschung an der Entwicklung eines<br />
Radnabenantriebs für auto-<br />
IDEEN-WERKSTATT<br />
Corporate Technology<br />
Siemens entwickelt Lösungen sowohl<br />
für die Elektromobilität wie<br />
auch für die gesamte Energieumwandlungskette.<br />
Bei der Elektromobilität<br />
beschäftigt sich Siemens sowohl<br />
mit der Fahrzeugseite (z.B. den<br />
elektrischen Antrieben) wie auch<br />
mit der nötigen Infrastruktur. ‚Corporate<br />
Technology‘ ist die sektorübergreifende<br />
Ideen-Werkstatt.<br />
Werkstücke wie Schaufeln<br />
werden immer größer<br />
DR. GUNTER FREITAG, SIEMENS<br />
„Wichtig ist ein guter<br />
Wirkungsgrad im<br />
Teillastbereich.“<br />
Dr. Gunter Freitag,<br />
Siemens Forschungsabteilung<br />
Corporate Technology<br />
Bohrwerkzeuge arbeiten<br />
mit Innenkühlung<br />
der Hinterachse ersetzen. Dementsprechend<br />
haben wir sie als<br />
Motor und zugleich als Bremse<br />
optimiert. Damit wir sie als Bremse<br />
verwenden können, muss sie<br />
kurzeitig sehr hohe Drehmomente<br />
aufbauen können – und das über<br />
den gesamten Drehzahlbereich<br />
hinweg. Je mehr Bremsmoment<br />
die elektromotorische Bremse<br />
übernehmen kann, desto mehr kinetische<br />
Energie des Fahrzeugs<br />
kann wieder in elektrische Energie<br />
überführt und in der Batterie gespeichert<br />
werden. Gleichzeitig<br />
muss sie leistungsstark genug sein,<br />
um ein Stadtfahrzeug über längere<br />
Strecken anzutreiben.<br />
Wie wollen Sie den negativen<br />
Einfluss auf das Fahrverhalten<br />
durch den Radnabenantrieb<br />
vermeiden?<br />
Radlastschwankungen und zu geringen<br />
Teilen Aufbaubewegungen<br />
werden durch die Massen an den<br />
Rädern beeinflusst, die somit das<br />
Fahrverhalten mitbestimmen. Der<br />
Einfluss dieser ungefederten Massen<br />
wird allerdings deutlich über-<br />
„Dampfturbinen<br />
bleiben zentraler<br />
Bestandteil der<br />
Energieerzeugung.“<br />
Dr. Henning<br />
Rohkamm,<br />
Siemens Energy<br />
wicklung vollziehen sich beim spiralisierten<br />
Tieflochbohren. Die XD-<br />
Technologie (XD = extremely deep)<br />
von Walter eignet sich inzwischen<br />
für Bohrtiefen bis 70xD. Die Bohrwerkzeuge<br />
mit Innenkühlung werden<br />
aus Vollhartmetall hergestellt.<br />
Der Hauptvorteil: Das Zurückfahren<br />
zur Späneentleerung (‚Lüften‘)<br />
erübrigt sich.<br />
Unter Mitwirkung des entsprechenden<br />
Kühlmitteldrucks schrauben<br />
sich die Späne von selbst aus<br />
der Bohrung. Die Prozesssicherheit<br />
ist hoch, die Zeitersparnis enorm.<br />
XD-Bohrer finden zahlreiche Anwendungen<br />
in der Energietechnik,<br />
etwa Kühlbohrungen, die aufgrund<br />
der hohen Prozesstemperaturen<br />
bei Dampf- und Gasturbinen notwendig<br />
sind. Die Werkzeuge erlauben<br />
selbst bei Inconel hohe Schnittgeschwindigkeiten.<br />
www.walter-tools.com<br />
e mobility<br />
Made in Germany<br />
schätzt. Es gibt genügend Untersuchungen<br />
und Studien die nachweisen,<br />
dass sie sich in diesem<br />
Einsatzbereich für den durchschnittlichen<br />
Autofahrer nicht<br />
spürbar auswirken.<br />
Nennen Sie die Vorteile Ihres<br />
künftigen Radnabenantriebs.<br />
Wenn ein Radnabenantrieb verwendet<br />
wird, entfallen Getriebe,<br />
Differential und Wellen. Neben<br />
dem Platz, den man dabei gewinnt,<br />
werden dadurch auch Gewicht<br />
und Kosten eingespart. Mit<br />
Radnabenmaschinen lassen sich<br />
verteilte Antriebe leicht umsetzen.<br />
Damit ergeben sich neue Möglichkeiten<br />
für die Fahrdynamik, wie<br />
zum Beispiel Torque Vectoring,<br />
mit dem das Lenkverhalten des<br />
Fahrzeugs mit Hilfe des Antriebs<br />
gesteuert werden kann. Langfristiges<br />
Ziel der Entwicklung ist Antrieb,<br />
Bremse, Dämpfung und<br />
Lenkung in einem Rad-Modul zusammenzufassen.<br />
Die vollständige<br />
Integration des Antriebs in das<br />
Rad schafft völlig neue Freiheiten<br />
bei den Fahrzeugkonzepten.