Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio
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Schwerpunkte<br />
Mitglieder der Beiräte ist, dass diese zunächst meist über unzureichende<br />
juristische Kenntnisse bzgl. des Strafvollzuges verfügen, sodass „die Anstalt<br />
„insgeheim“ die Arbeit der Beiräte leitet“. Bammann <strong>und</strong> Feest bezeichnen<br />
die Aufgabe der Anstaltsbeiräte daher als „Alibifunktion“ 55 .<br />
Gegen eine Einführung des Ombudsmanns wird weiterhin angeführt, dass<br />
er sich außerhalb der JVA befindet <strong>und</strong> somit keinen Überblick über das<br />
Alltagsleben in der Anstalt hat <strong>und</strong> „folglich kleine Missstände im Alltägli-<br />
chen nur zufällig <strong>und</strong> wahrscheinlich noch schwerer feststellen, als dies<br />
den mit „ihrer“ Anstalt vertrauten Anstaltsbeiräten möglich wäre“ 56 . Ande-<br />
rerseits kann ihm dies gerade zugute kommen, da er nicht als „zum System<br />
gehörend“ gesehen wird.<br />
<strong>Die</strong> Beiräte können diese Missstände jedoch auch nur dann feststellen,<br />
wenn sie den Problemen des Vollzuges offen <strong>und</strong> engagiert gegenüber ste-<br />
hen 57 . Doch engagiert kann nur sein, wer auch Informationen über seine<br />
Rechte <strong>und</strong> Aufgaben erhält <strong>und</strong> sich diese nicht selbst beibringen muss 58 .<br />
So hat das Engagement von Politikern eher den Beigeschmack, dass sie nur<br />
auf Gr<strong>und</strong> ihrer Parteizugehörigkeit mit entsprechenden Einstellungen in<br />
den Beirat bestellt werden <strong>und</strong> auf Gr<strong>und</strong> ihrer umfassenden sonstigen<br />
Aufgaben diese eher etwas weniger hingebungsvoll erledigen 59 .<br />
Andererseits wird argumentiert, dass der Ombudsmann den Anstaltsbeirat<br />
nicht ersetzen kann, da die verlangte Öffentlichkeitsarbeit nur einen klei-<br />
nen Ausschnitt des Tätigkeitsbereiches der Beiräte darstelle 60 .<br />
Gerade in Bezug auf die erwünschte <strong>und</strong> vor allem geforderte Öffentlich-<br />
keitsarbeit der Beiräte gibt es einiges zu kritisieren, denn sie findet größten-<br />
teils nicht statt. So gibt es Tätigkeitsberichte, die nicht veröffentlicht wer-<br />
den 61 oder die landesrechtlichen Verordnungen verbieten den Kontakt mit<br />
der Presse, es sei denn er findet mit Einvernehmen der Anstaltsleitung statt<br />
so bspw. in Thüringen, Brandenburg, <strong>und</strong> Rheinland-Pfalz. Allerdings<br />
sehen nach einer Untersuchung von Gerken auch nur die wenigsten Beirats-<br />
mitglieder ihre Aufgabe darin, öffentlichkeitswirksam tätig zu werden 62 .<br />
Der Ombudsmann hätte im Gegensatz zu den Beiräten jedoch die Ver-<br />
pflichtung einmal jährlich einen Bericht zu veröffentlichen <strong>und</strong> könnte<br />
dementsprechend dieser Aufgabe besser nachkommen.<br />
3. VOR- UND NACHTEILE DES OMBUDSMANNES GEGENüBER<br />
DEN SONSTIGEN BESCHWERDERECHTEN<br />
Auch bezüglich der sonstigen Beschwerderechte besitzt der Ombudsmann<br />
diesen gegenüber einige Vorteile. So besteht bei den <strong>Die</strong>nstaufsichtsbe-<br />
schwerden zunächst das Problem, dass der Beschwerdeführer tagtäglich<br />
mit seinen Aufsichtsbeamten zu tun hat <strong>und</strong> auch auf ihn angewiesen ist.<br />
Beschwert sich der Gefangene muss er mit Aversionen des angegriffenen<br />
Beamten gegen sich <strong>und</strong> andere Häftlinge rechnen 63 . Zumal die Beschwer-<br />
den meist nicht sachlich verfasst werden <strong>und</strong> somit vom Betroffenen als<br />
55 Bammann/Feest in AK-StVollzG Vor § 162 Rn. 5ff., § 162 Rn 7.<br />
56 Gerken (1986) S. 271.<br />
57 Kaiser/Kerner/Schöch Strafvollzug § 12 Rn. 12.<br />
58 Was nach Gerken (1986) S. 61 der Fall zu sein scheint.<br />
59 Koeppel (1999) S. 112.<br />
60 Münchbach in ders. Strafvollzug <strong>und</strong> Öffentlichkeit unter besonderer<br />
Berücksichtigung der Anstaltsbeiräte S. 85 (im weiteren Münchbach 1973).<br />
61 Siehe Koeppel (1999) S.111.<br />
62 Nur ein Mitglied von 7 Befragten sah dies als wichtigste Aufgabe an, vgl.<br />
Gerken (1986) S. 207.<br />
63 <strong>Die</strong>penbruck in ders. Rechtsmittel im Strafvollzug S. 48 f..<br />
<strong>Iurratio</strong><br />
Ausgabe 1 / 2011<br />
unberechtigter persönlicher Tadel verstanden werden kann. 64 <strong>Die</strong>penbruck<br />
merkt dazu an, dass „eine <strong>Die</strong>nstaufsichtsbeschwerde einzureichen, (...)<br />
schon einer gewissen Portion Mut“ 65 bedarf, zumal die Gefahr besteht, dass<br />
der Anstaltsleiter die Angegriffene Maßnahme eventuell <strong>für</strong> in Ordnung be-<br />
findet <strong>und</strong> dem Bediensteten generell mehr glauben schenkt als dem<br />
Beschwerdeführer 66 . Das hängt auch damit zusammen, dass gegenüber den<br />
Inhaftierten immer noch gewisse Negativ-Einstellungen bestehen, die es<br />
abzubauen gilt 67 . Der Inhaftierte kann seine Lage durch die <strong>Die</strong>nstaufsichts-<br />
behörde also nicht unbedingt verbessern. Wird jedoch ein Ombudsmann<br />
eingesetzt so können die Probleme in einem Gespräch direkt geklärt werden<br />
<strong>und</strong> auch eventuelle Missverständnisse können sofort beseitigt werden, ohne<br />
dass sich einer der beiden Beteiligten persönlich angegriffen fühlen müsste.<br />
Auch die Beschwerde bei Ausschüssen enthält etliche Nachteile gegenüber<br />
dem Ombudsmann. Denn <strong>für</strong> die Ausschüsse gilt, dass sie nur dann aktiv<br />
werden, wenn es eigentlich schon zu spät ist <strong>und</strong> medienwirksam über<br />
bestimmte Vorfälle berichtet worden ist. Sie können somit nicht den Effekt<br />
nutzen allein durch die Möglichkeit einer Kontrolle die Verwaltung zu opti-<br />
mieren 68 <strong>und</strong> besitzen kein Eigeninitiativrecht.<br />
Im Gegenteil zu den Ausschüssen hat der Ombudsmann zudem den Vorteil,<br />
dass es sich bei ihm nicht um jemanden anonymes handelt, „sondern als<br />
konkrete Einzelperson zur Verfügung steht“ 69 <strong>und</strong> auch nicht durch Wahlen<br />
bedingten personellen Veränderungen unterliegt, wodurch eher eine Vertrau-<br />
ensbasis entstehen könnte. Ferner ist er unabhängig von Parteien <strong>und</strong> Frak-<br />
tionen <strong>und</strong> unterliegt keinerlei versteckten Fraktionszwängen. Daher ist eine<br />
objektive <strong>und</strong> neutrale Behandlung der Angelegenheit durch einen Ombuds-<br />
mann wahrscheinlicher als durch einen Ausschuss. Denn, so stellt Franke fest,<br />
bei vielen Abstimmungen „werden letztlich den parteipolitischen Mehrheits-<br />
verhältnissen gemäß entschieden“ 70 .<br />
Auf Gr<strong>und</strong> der Zusammensetzung aus etlichen Mitgliedern benötigen die<br />
Ausschüsse einen erheblichen Zeitrahmen um eine Entscheidung treffen bzw.<br />
sich verständigen zu können71 .<br />
Daneben besteht bei Ausschussmitgliedern bezüglich der Arbeitsauslastung<br />
ein ähnliches Problem wie bei den Richtern der Strafvollstreckungskammern,<br />
sie sind nicht nur in einem Ausschuss tätig, sondern gehören noch weiteren<br />
an <strong>und</strong> müssen auch noch Fraktionsarbeit leisten72 .<br />
Der Ombudsmann ist daher als unpolitische Instanz eine Alternative zu den<br />
Ausschüssen, der allein durch seine Besuche in den Anstalten <strong>und</strong> seine regelmäßigen<br />
Sprechst<strong>und</strong>en „näher am Bürger“ ist. Da er unabhängig von den<br />
Parlamenten etc. ist hat er zudem den Vorteil, dass er sich nicht um die Kontrolle<br />
der Funktionserfüllung der Regierung kümmern muss73 , sondern er<br />
kann unmittelbar die Verwaltungstätigkeit kontrollieren.<br />
64 Kaiser/Kerner/Schöch Strafvollzug § 8 Rn. 8.<br />
65 <strong>Die</strong>penbruck Rechtsmittel im Strafvollzug S. 48.<br />
66 <strong>Die</strong>penbruck Rechtsmittel im Strafvollzug S. 49; Kamann/Volckart in AK-<br />
StVollzG § 108 Rn. 15.<br />
67 Eschke (1993) S. 140 m.w.N..<br />
68 Franke in ders. Ein Ombudsmann <strong>für</strong> Deutschland? S. 91.<br />
69 Franke in ders. Ein Ombudsmann <strong>für</strong> Deutschland? S. 215.<br />
70 Franke in ders. Ein Ombudsmann <strong>für</strong> Deutschland? S. 71.<br />
71 Vgl. auch Franke in ders. Ein Ombudsmann <strong>für</strong> Deutschland? S. 69.<br />
72 Matthes (1981) S. 82 f.<br />
73 Vgl. Wild (1970) S. 118.