07.02.2013 Aufrufe

Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 1 / 2011<br />

Schwerpunkte<br />

wirtschaftliche Regulierung eines liberalisierten Marktes –<br />

ein immanenter widerspruch?<br />

von Rechtsreferendar Marcel Dahlke (Wuppertal)<br />

Das Wettbewerbsrecht ist die Schnittstelle von Rechtswissenschaft <strong>und</strong><br />

Wirtschaftswissenschaftt. Durch diese Kombination muss der sich dieser<br />

Materie widmende Jurist nicht nur die gesetzlichen Regelungen des<br />

Wettbewerbsrechts beherrschen, sondern vor allem den wirtschaftlichen<br />

Hintergr<strong>und</strong> dieser Gesetze verstehen lernen. Für den wirtschaftlich inter-<br />

essierten Studenten im Haupt<strong>stud</strong>ium ist diese dynamische <strong>und</strong> innovative<br />

Rechtsmaterie im Schwerpunktbereichs<strong>stud</strong>ium eine willkommene Ab-<br />

wechslung zu dem altbewährten Pflichtfachstoff.<br />

A. EINFüHRUNG<br />

Ende September 2010 gab das Europäische Parlament grünes Licht <strong>für</strong> die<br />

Schaffung einer europäischen Finanzmarktaufsicht, indem es dem europä-<br />

ischen Finanzaufsichtspaket zustimmte. Es folgte damit, nach einjährigem<br />

Ringen mit den Mitgliedsstaaten, dem Beschluss der Europäischen Kommis-<br />

sion, die Finanzmärkte in Zukunft stärker europäisch zu beaufsichtigen, um<br />

etwaigen zukünftigen Finanzkrisen effizient <strong>und</strong> zentral entgegensteuern<br />

zu können. Zu diesem Zweck gehen aus den bereits bestehenden Koordina-<br />

tionsausschüssen drei neue Aufsichtsbehörden hervor. <strong>Die</strong> Europäische<br />

Aufsichtsbehörde <strong>für</strong> das Versicherungswesen <strong>und</strong> die betriebliche Alters-<br />

versorgung wird in Frankfurt, die Europäische Bankenaufsichtsbehörde in<br />

London <strong>und</strong> die Europäische Wertpapieraufsicht in Paris ansässig sein.<br />

<strong>Die</strong>se sollen da<strong>für</strong> Sorge tragen, dass die EU-Finanzmarktregeln in Europa<br />

einheitlich angewandt werden. Zudem wird ein Europäischer Ausschuss<br />

<strong>für</strong> Systemrisiken (ESRB) eingerichtet, welcher als eine Art Frühwarn-<br />

system die Finanzmärkte beobachtet.<br />

Im November 2010 verabschiedeten die G-20 Staaten die neuen Risikovor-<br />

schriften des Basel Committee on Banking Supervision (BCBS) im südko-<br />

reanischen Seoul. <strong>Die</strong>ses unter Basel III geläufige Regelwerk sieht eine<br />

gesetzlich vorgeschriebene Eigenkapitalerhöhung von Banken vor, um<br />

durch die Erhöhung des Kapitalgr<strong>und</strong>stocks ihre Robustheit gegenüber<br />

etwaigen Kreditausfällen zu stärken. Einen ersten Richtlinienentwurf will<br />

die Europäische Kommission im März 2011 vorlegen. Wobei EU-Binnen-<br />

marktkommissar Michel Barnier erklärte, die neuen Regeln könnten nur<br />

funktionieren, wenn sie weltweit gleichzeitig einheitlich eingeführt würden.<br />

Darüber hinaus möchte die Europäische Kommission den Handel mit risikoreichen<br />

Finanzprodukten wie Derivaten <strong>und</strong> Leerverkäufen in Zukunft<br />

unter Kontrolle bringen. So machte EU-Binnenmarktkommissar Michel<br />

Barnier am 15.09.10 in Brüssel deutlich, dass es künftig verbindliche<br />

EU-Standards <strong>für</strong> solche Finanzprodukte geben werde <strong>und</strong> erklärte dazu:<br />

„Auf Finanzmärkten darf es nicht zugehen wie im Wilden Westen“ 1 .<br />

Ist diese Entwicklung nun als Regulierung des Finanzsektors im Sinne<br />

einer Wirtschaftsregulierung zu verstehen? Was bedeutet überhaupt Wirtschaftsregulierung?<br />

1 „EU setzt auf Transparenz statt auf Verbote“, in: Handelsblatt, 16.09.10.<br />

Marcel Dahlke ist Rechtsreferendar am Landgericht Wup-<br />

pertal <strong>und</strong> arbeitet in Nebentätigkeit bei der Wirtschafts-<br />

kanzlei Runkel Schneider Weber. An der Rheinischen<br />

Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn <strong>stud</strong>ierte der Autor<br />

Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt öffentliches<br />

Wirtschaftsrecht.<br />

I. DER REGULIERUNGSBEGRIFF<br />

Der Begriff der Regulierung war dem herkömmlichen deutschen Wirtschaftsverwaltungsrecht<br />

fremd. Erst im Jahre 1990 tauchte der Begriff der<br />

Regulierung in Zusammenhang mit der Liberalisierung <strong>und</strong> Privatisierung<br />

des Telekommunikationssektors auf. 2<br />

In den Natur- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften versteht man unter Regulierung<br />

sehr allgemein die kontrollierte Einwirkung auf gegebene Ordnungen oder<br />

Vorgänge. Ähnlich weit fassen die Wirtschaftswissenschaftler diesen<br />

Begriff auf, er wird dort als jegliche staatliche Einwirkung auf die Wirtschaft<br />

verstanden.<br />

<strong>Die</strong> Schaffung von Aufsichtsbehörden <strong>und</strong> neuer Gesetze wäre somit<br />

sowohl aus natur-, sozial- <strong>und</strong> wirtschaftswissenschaftlicher Sicht als<br />

Regulierung zu qualifizieren. <strong>Die</strong>se Sichtweise wird als so genannter „weiter<br />

Regulierungsbegriff“ formuliert.<br />

Im juristischen Kontext wird dagegen der „enge Regulierungsbegriff“<br />

bevorzugt. Zusammenhängend mit der oben genannten Liberalisierung<br />

<strong>und</strong> Privatisierung des Telekommunikationssektors <strong>und</strong> damit einherge-<br />

hend mit dem Übergang von „leistungsgewährendem zu leistungsgewähr-<br />

leistendem Staat“ 3 entwickelte sich unter den <strong>Juristen</strong> ein Verständnis von<br />

Regulierung, welches ein Instrumentarium des modernen Wirtschaftsver-<br />

waltungsrechts beschreibt, mit dem in liberalisierte netzgeb<strong>und</strong>ene Wirt-<br />

schaftssektoren asymmetrisch regulierend von Seiten des Staates eingegrif-<br />

fen wird, um künstlich eine „Als-ob-Wettbewerbssituation“ zumindest<br />

„transitorisch“ 4 zu erzeugen, bis ein funktionsfähiger, also „nachhaltiger“<br />

(§ 2 II 2. Hs. TKG) Wettbewerb auf Märkten in diesen Wirtschaftssektoren<br />

hergestellt ist.<br />

Sollte im Zuge der Entwicklung funktionsfähiger Wettbewerb auf den ein-<br />

zelnen Märkten entstehen, reicht dann eine Anwendung der allgemeinen<br />

Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs, im Wesentlichen des GWB, auf<br />

2 M. Ruffer, Regulierung im System des Verwaltungsrechts – Gr<strong>und</strong>strukturen<br />

des Privatisierungsfolgerechts der Post <strong>und</strong> Telekommunikation, AöR 124<br />

(1999), S. 237f.<br />

3 G.F. Schubert, in: König/Benz, Privatisierung <strong>und</strong> staatliche Regulierung,<br />

Baden-Baden 1997, S. 539 f.<br />

4 So: Möschel, MMR 2007, S. 243.<br />

31

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!