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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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III. FESTSTELLUNGSINTERESSE<br />

Es bedarf eines berechtigten Interesses des A an der Feststellung über das<br />

Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses. Hierbei genügt jedes schützwürdige<br />

Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. 17 Vorliegend kommen<br />

das Rehabilitierungsinteresse <strong>und</strong> die Wiederholungsgefahr als anerkannte<br />

Feststellungsinteressengruppen des schutzwürdigen Interesses in Betracht.<br />

IV. KLAGEGEGNER<br />

Nach § 78 II Nr. 1 VwGO analog bzw. nach dem allgemeinen Rechtsträger-<br />

prinzip 18 kommt hier das B<strong>und</strong>esland Hessen als Klagegegner in Betracht.<br />

V. PARTEI- UND PROZESSFäHIGKEIT<br />

A ist nach den §§ 61 Nr. 1 Alt. 1, 62 I Nr. 1 VwGO partei- <strong>und</strong> prozessfähig.<br />

Das B<strong>und</strong>esland Hessen ist nach § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO parteifähig <strong>und</strong> wird<br />

nach § 62 III VwGO vertreten.<br />

VI. ZWISCHENERGEBNIS<br />

<strong>Die</strong> von A nach § 43 I Var. 2 VwGO zu erhebende negative FK ist zulässig.<br />

C. BEGRüNDETHEIT<br />

<strong>Die</strong> negative FK ist begründet, wenn das Rechtsverhältnis zwischen den<br />

Beteiligten nicht besteht. <strong>Die</strong>s ist dann der Fall, wenn das PP Rechte des A<br />

verletzt hat. Eine Rechtsverletzung liegt vor, wenn das Schreiben ohne Rechts-<br />

gr<strong>und</strong>lage erging.<br />

I. NOTWENDIGKEIT EINER ERMäCHTIGUNGSGRUNDLAGE<br />

WEGEN REALAKT-CHARAKTERS STAATLICHEN HANDELNS<br />

Fraglich ist, ob es <strong>für</strong> das Tätigwerden des PP einer gesetzlichen Ermächti-<br />

gungsgr<strong>und</strong>lage bedarf. Wegen der besonderen verfassungsrechtlichen Aus-<br />

prägungen des Rechtsstaatsgebots in Gestalt des Vorrangs <strong>und</strong> Vorbehalts des<br />

Gesetzes <strong>und</strong> der Bindung an dieses Gebot aus Art. 20 III GG, bedarf das<br />

Handeln der vollziehenden Gewalt einer Gesetzesgr<strong>und</strong>lage, sofern Gr<strong>und</strong>-<br />

rechte betroffen sind. 19 <strong>Die</strong> wesentlichen Entscheidungen, die die Gr<strong>und</strong>-<br />

rechtsausübung berühren, muss der formelle Gesetzgeber regeln <strong>und</strong> je<br />

schwerwiegender der Gr<strong>und</strong>rechtseingriff ist, desto detaillierter, d.h. rege-<br />

lungsdichter muss das Gesetz sein. 20 Eine schlichte Aufgabenzuweisungs-<br />

norm genügt dieser verfassungsrechtlichen Anforderung nicht, wenn das<br />

schlicht-hoheitliche Handeln in Gr<strong>und</strong>rechte eingreift. 21 Vorliegend könnte in<br />

Art. 8 <strong>und</strong> Art. 5 GG des A eingegriffen worden sein.<br />

17 Gersdorf, VerwProzR, 4. Aufl. Rn. 124.<br />

18 Strittig, vgl. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Band<br />

I, § 78 Rn. 21, 49 m.w.N; Wienbracke, (VerwProzR), Rn. 167f.<br />

19 Detterbeck, öR, Rn. 55 f.<br />

20 Wesentlichkeitslehre des BVerfGE, vgl. etwa BVerfGE 1, 13 (60); 40, 237<br />

(248); 47, 46 (79); 49, 89 (126); 58, 257 (268); 77, 170 (230); 88, 103 (116).<br />

21 Kugelmann, POR, 5. Kapitel, Rn. 2.<br />

<strong>Iurratio</strong><br />

Ausgabe 1 / 2011<br />

1. EINGRIFF IN ART. 8 I GG<br />

Fallbearbeitung<br />

A ist gem. Art. 116 I GG deutscher Staatsbürger. Eine Versammlung ist die<br />

örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen 22 zu einem bestimmten Zweck. 23<br />

<strong>Die</strong> Demonstrationsfreiheit als besondere Erscheinungsform der Versamm-<br />

lungsfreiheit wird von Art. 8 I GG geschützt. 24 Durch die Demo möchte A an<br />

der Erörterung einer öffentlichen Angelegenheit in Gestalt einer gemein-<br />

schaftlichen Meinungsbildung/-äußerung teilnehmen. <strong>Die</strong>s stellt einen<br />

schutzwürdigen Zweck i.S.d Art. 8 I GG dar.<br />

Art. 8 I GG schützt versammlungsspezifische Betätigungen, wozu auch solche<br />

Verhaltensweisen im Vorfeld einer Versammlung zählen. 25 <strong>Die</strong> Teilnahmeabsicht<br />

des A <strong>und</strong> dessen Zugang zur Versammlung sind von Art. 8 I GG<br />

geschützte Betätigungen. Geschützt ist zwar nur eine Versammlung, die friedlich<br />

<strong>und</strong> ohne Waffen erfolgt, allerdings bedarf es einer „kollektiven Unfriedlichkeit“.<br />

Eine Versammlung ist nicht schon unfriedlich, wenn erwartete Rechtsverstöße<br />

ohne Anwendung von Gewalt oder die Gewaltanwendung durch<br />

Dritte oder diese durch einzelne Versammlungsteilnehmer erfolgt. 26 Solche<br />

Anhaltspunkte fehlen hier. Vom unfriedlichen Gesamtverlauf der Versammlung,<br />

d.h. der begründeten Annahme, die Versammlung insgesamt werde die<br />

Schwelle zur Gewaltanwendung überschreiten, ist nicht auszugehen. Der<br />

Schutzbereich von Art. 8 I GG ist eröffnet.<br />

Weiterhin müsste ein Eingriff vorliegen. Ein Eingriff ist jede staatliche Maßnahme,<br />

die dem einzelnen Gr<strong>und</strong>rechtsträger die Ausübung des Gr<strong>und</strong>rechts<br />

erschwert oder unmöglich macht, unabhängig, ob von einer beabsichtigten<br />

oder unbeabsichtigten, unmittelbaren oder mittelbaren, individuellen oder<br />

generellen, rechtlichen oder tatsächlichen Wirkung <strong>und</strong> unabhängig vom<br />

Vorliegen von Befehl <strong>und</strong> Zwang. 27 Fraglich ist, ob dem Schreiben eine gr<strong>und</strong>rechtseingreifende<br />

Wirkung zukommt. Eine Einordnung anhand ausschließlich<br />

objektiver Kriterien ergibt, dass A von seiner Gr<strong>und</strong>rechtsausübung nicht<br />

abgehalten wurde. Das PP weist lediglich auf mögliche <strong>und</strong> unbestimmte<br />

Folgen hin, wenn A den allgemeinen Hinweisen nicht nachkommt.<br />

Auch wenn dieser Hinweis isoliert <strong>und</strong> objektiv betrachtet gegen einen<br />

Eingriff sprechen könnte, so kommt es <strong>für</strong> dessen Beurteilung dennoch<br />

auf die Gesamtschau aller Bedingungen an. Zur Beurteilung der durch<br />

die staatliche Maßnahme erzielten Wirkung könnten daher auch das<br />

Empfinden <strong>und</strong> die subjektive Einschätzung des Adressaten aus der<br />

Sicht eines objektiven Dritten maßgeblich sein. Rein psychisch empf<strong>und</strong>ene<br />

Zwänge können einen Eingriff darstellen. 28 Auf die Willensentschließungsfreiheit<br />

wird hier eingewirkt, wenn das Schreiben geeignet<br />

ist, eine Gr<strong>und</strong>rechtsausübung zu erschweren oder auszuschließen.<br />

Verbleibt dem Adressaten hingegen ein eigenständiger Handlungs- <strong>und</strong><br />

Beurteilungsspielraum, seine Willensentschließung unter Abwägung der im<br />

Schreiben mitgeteilten Informationen frei <strong>und</strong> selbstständig zu treffen, so<br />

wäre die Eingriffsschwelle nicht überschritten. 29 A wird zwar auf sein bis-<br />

22 Anzahl ist umstritten, vgl. Pieroth/Schlink, StaatsR II, 26. Aufl. Rn. 755.<br />

23 Zweckbestimmung ist umstritten vgl. Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG,<br />

Art. 8 Rn. 29 f., 46 jeweils m.w.N.<br />

24 Detterbeck, öR, Rn. 669.<br />

25 BVerfGE 84, 203 (209); BVerfG DÖV 2010, 698.<br />

26 Vgl. BVerfG, NVwZ 2006, 1049f.; zur Gefahrenprognose ferner BVerfG,<br />

NJW 2010, 141 (142f.).<br />

27 Detterbeck, öR, Rn. 462f.<br />

28 BVerfG, NJW 2008, 1515 (1518).<br />

29 OVG Lüneburg, NJW 2006, 391 (392).<br />

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