download catalogue high resolution pdf (22.3 mb) - Jens Haaning
download catalogue high resolution pdf (22.3 mb) - Jens Haaning
download catalogue high resolution pdf (22.3 mb) - Jens Haaning
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
HFB<br />
P.180<br />
konventioneller Sozialarbeit freizumachen, das quasi als Ersatz für die Versäumnisse<br />
des Staates agiert. So beklagt der Ha<strong>mb</strong>urger Kritiker Roberto Ohrt, das solche<br />
Projekte kulturelle Bereiche belasten, "um Lücken im sozialen Bereich auszugleichen." 6<br />
Der Konflikt liegt im Verhältnis zur Wirklichkeit: Die Herstellung von Kunst ist<br />
immer schon Teil der Realistät, die dieser Kunst eine Berechtigung zuspricht - der<br />
Künstler macht visuelle Angebote an eine Gesellschaft, die mit Nachfrage oder<br />
Desinteresse reagiert. Als Möglichkeit der Inszenierung von Wirklichkeit ist dabei<br />
jedes Kunstwerk prä-existent, seine Realisierung bloß noch eine formale<br />
Bestätigung. Man kann auch sagen: Kunst ist eine Behauptung, die sich als<br />
Kunstwerk im Diskurs nachträglich behaupten muss. Da dieser Diskurs jedoch<br />
stets innerhalb eines der besagten Subsysteme geführt wird, die sich im gesellschaftlichen<br />
Kontext differenzieren, ist alle Kunst irgendeiner Art von Gesellschaft<br />
zugehörig und damit abhängig von deren jeweiliger Definition des Rahmens, in<br />
dem Kunst stattfindet. Ein Beispiel: Rirkrit Tiravanijas Teeküche, die er 1992 in<br />
Berlin installierte, veränderte sich nicht nur durch die Besucher im white cube;<br />
sie war aufgrund der gesellschaftlichen Implikationen auch von Ort zu Ort<br />
unterschiedlich. Berlin, New York, Paris, oder Sao Paulo, Yokohama und<br />
Johannesburg all diese Städte sind Spiegel von in sich wiederum unterschiedenen<br />
Communities, denen Tiravanijas Kunst zwangsläufig als ein eben auch innerhalb<br />
der eigenen Kultur codiertes Projekt erscheinen mußte. Anders gesagt: Selbst<br />
wenn in jeder dieser Städte eine ähnliche Vorstellung von Tee-als-Getränk<br />
herrscht, so wird die Vorstellung von Tee-als-Kunst am Ende doch aufgrund des<br />
unterschiedlichen Stellenwertes von Kultur entschieden. 7 Damit aber definiert<br />
weder der Künstler noch seine Produktion die Arbeit, sondern der spezifische,<br />
kulturelle Kontext, in dem diese Arbeit interpretiert wird. Das ist der Austausch,<br />
der sich in Zeiten von Biennalen und Migrationsbewegungen ereignet. Auch in<br />
diesem Punkt stammt die entscheidende Beobachtung zur Globalisierung von Hou<br />
Hanru: "Jede Stadt, jede Region und jeder Nationalstaat werden durch den<br />
Weggang von Gruppen aus der lokalen Gemeinschaft und die Ankunft von Anderen<br />
in der Gesellschaft entscheidend verwandelt. Die Vorraussetzungen, Diskurse,<br />
Ideologie und Werte bei der Herstellung von Lokalitäten sind zu einem völlig<br />
unbekannten Abenteuer geworden." 8<br />
Ein Fall mit Folgen. Denn die bloße Ermächtigung, Kunst sein zu wollen, funktioniert<br />
nicht, indem von ihr behauptet wird, sie sei Ausdruck eines gesellschaftlichen<br />
Gegenübers oder gar eines gesellschaftlichen Ganzen. Ein Kunstwerk ist nicht<br />
selbst das Andere, es vollzieht lediglich Andersartigkeit und es verweist auf<br />
Andersartigkeit, die wiederum vom entsprechenden Gegenüber bestimmt wird: