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CHAN 3093 BOOK.qxd - Chandos

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<strong>CHAN</strong> <strong>3093</strong> <strong>BOOK</strong>.<strong>qxd</strong> 11/4/07 3:31 pm Page 20<br />

Der Begriff Zwischenfach bezieht sich auf<br />

Stimmen wie die der englischen Sängerin<br />

Diana Montague. Dass Organen dieser Art<br />

beinahe keine Grenzen gesetzt sind, beweist<br />

das vorliegende abwechslungsreiche Recital.<br />

Diana Montague ist eine hohe<br />

Mezzosopranistin, die, wie ihre Vorgängerin<br />

Pauline Viardot im 19. Jahrhundert und<br />

andere Sängerinnen, nicht nur die Rollen des<br />

üblichen Mezzofachs beherrscht, sondern auch<br />

viele Partien singt, die eigentlich in den<br />

Sopranbereich fallen. Dabei handelt es sich<br />

um ein Repertoire, das sich von der<br />

Barockoper bis zur Operette erstreckt; diese<br />

CD sowie Diana Montagues Karriere<br />

gewähren einen lebhaften, aufschlussreichen<br />

Überblick über das Fach.<br />

Wie in der ersten Kompilation der<br />

Opernarien, die sie für <strong>Chandos</strong> einspielte<br />

(<strong>CHAN</strong> 3010), ist Diana Montague eine<br />

hervorragende Verfechterin der Oper in ihrer<br />

Landessprache, d.h. auf Englisch. Die<br />

schlanke, ansprechende Stimme bringt den<br />

Text großartig zur Geltung und verleiht jedem<br />

Wort, jeder Phrase eine ganz besondere<br />

Bedeutung. Sie ist auch mit einem<br />

Große Opernarien<br />

angeborenen Timbre gesegnet, an dem sie<br />

gearbeitet hat, bis es mit der Musik atmet und<br />

allen Stücken, die sie singt, eine eigene<br />

Beredsamkeit und gegebenfalls humorvolle<br />

Ausdrucksweise verleiht.<br />

Den Löwenanteil dieses Recitals nehmen<br />

Arien von Händel, Mozart und Gluck ein –<br />

alles Komponisten, die der Sängerin besonders<br />

liegen. Ihre Opern spannen die Epoche des<br />

Aufstiegs und Untergangs der Kastraten.<br />

Zunächst übernahmen sie zahlreiche<br />

Hauptrollen in Händels Opern; als die<br />

künstliche Züchtung dieses “Fachs” allmählich<br />

abgeschafft wurde, entstanden viele<br />

Hosenrollen für Sängerinnen, also für<br />

Stimmen wie die der Montague. Diese<br />

Tradition wurde auch im 19. und 20.<br />

Jahrhundert aufrechterhalten, z.B. in den<br />

Richard Strauss-Partien des Octavian und des<br />

Komponisten in Der Rosenkavalier und<br />

Ariadne auf Naxos; in diesem Recital dient die<br />

Rolle des Orlowsky in Die Fledermaus, dem<br />

Meisterwerk des anderen Strauss, und des<br />

Siébel in Faust, als Beleg.<br />

Die ältesten Beispiele sind zwei<br />

wohlbekannte, ergreifende Arien aus Händel-<br />

Opern, die ursprünglich für Kastraten gesetzt<br />

waren. Die Rolle des Ruggiero in Alcina war<br />

für den Kastraten Carestini geschrieben. Die<br />

Zauberin Alcina hat ihn verhext und in ihm<br />

die Liebe erweckt. Im zweiten Akt ist er<br />

wieder bei Sinnen, verläßt aber nur ungern die<br />

herrliche Landschaft, die er in der berühmten<br />

Arie “Verdant pastures” (Band<br />

5<br />

) besingt. Die<br />

scheinbar einfache Melodie entspricht seinen<br />

zwiespältigen Gefühlen.<br />

Händel eröffnete seinen Opern häufig mit<br />

einem kontemplativen Arioso (z.B. “Ombra<br />

mai fu” in Xerxes). Das ist auch der Fall in<br />

Atalanta: der Held Meleager besingt mit<br />

dem schlichten, elegischen “Noble forests”<br />

(Band<br />

6<br />

) die Herrlichkeit der Natur. Als<br />

Gegenstück zu diesen Arien von Händel dient<br />

das ungekünstelte “If you are near” (Band<br />

18<br />

),<br />

das seinerzeit Johann Sebastian Bach<br />

zugeschrieben wurde, heute aber als das Werk<br />

seines Zeitgenossen Stölzel gilt. Wie dem auch<br />

sei, ist es bezaubernd.<br />

Iphigenia in Tauris ist vielleicht die<br />

dramaturgisch überzeugendste Oper aus<br />

Glucks Reifezeit; sie war sein letztes, größtes<br />

Werk für Paris. Die Titelheldin ist eine<br />

wahrhaft tragische Figur, in der Glucks<br />

genialer Satz klassische Beherrschung mit<br />

echter Gefühlstiefe paart. Diana Montague hat<br />

bereits eine Gesamtaufnahme in der<br />

Originalsprache unter John Eliot Gardiner<br />

eingespielt. In ihrer Muttersprache ist die<br />

Verkörperung der Tochter Agamemnons, eine<br />

Priesterin der Göttin Diana auf der Insel<br />

Tauris, womöglich noch eindringlicher und<br />

ergreifender. Die Verzweiflung und<br />

Verlassenheit ihrer Klage im zweiten Akt<br />

“No hope remains in my affliction”<br />

(Band<br />

3<br />

) enthält melodische Wendungen<br />

und harmonische Progressionen, wie man sie<br />

nur bei Gluck findet. Im vierten Akt beklagt<br />

sie das Geschick, das sie zwingt, ein<br />

furchtbares Blutopfer zu vollziehen: “I implore<br />

thee and tremble” (Band<br />

4<br />

); echt Glucksche<br />

Töne bringen das Grauen ihrer Zwangslage<br />

zur Geltung. Das warme Mitgefühl, das der<br />

Komponist für seine Heldin empfand, ist in<br />

beiden Stücken unverkennbar und Diana<br />

Montagues Interpretation trägt seinen<br />

Emotionen Rechnung.<br />

In Mozarts Zeit war das Geschlecht der<br />

Kastraten (gottlob) im Aussterben, obwohl der<br />

Komponist bei seinen Opere serie noch immer<br />

Partien für dieses Fach schrieb (siehe unten).<br />

Für den Schürzenjäger Cherubino in The<br />

Marriage of Figaro wäre ein Kastrat natürlich<br />

ganz falsch am Platz gewesen. Mozart<br />

entschied sich für die Stimmlage Sopran;<br />

20 21

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