CHAN 3093 BOOK.qxd - Chandos
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<strong>CHAN</strong> <strong>3093</strong> <strong>BOOK</strong>.<strong>qxd</strong> 11/4/07 3:31 pm Page 22<br />
allerdings läuft ein leichtes Organ dabei<br />
Gefahr, zu mädchenhaft zu wirken. Hingegen<br />
ist der hohe Mezzo der Montague wie<br />
maßgeschneidert für diesen überschwänglichen<br />
Knaben an der Schwelle des Mannesalters, den<br />
die Arie im ersten Akt “Is it pain, is it pleasure<br />
that fills me” (Band<br />
1<br />
) so wunderbar<br />
beschreibt. Hier wertete Mozart die Mittellage<br />
aus, um hemmungslose Gefühlswärme<br />
auszudrücken. Cherubino war eine der ersten<br />
Partien, mit denen Diana Montague am<br />
Opernhaus Covent Garden ihre erfolgreiche<br />
Karriere anbahnte. Sie war schauspielerisch<br />
und stimmlich ideal, daher ist dieses<br />
Andenken an ihre Interpretation besonders<br />
glücklich gewählt.<br />
Obwohl Dorabella in Così fan tutte ein<br />
ganz anderes Naturell hat, liegt die Partie im<br />
gleichen Stimmumfang wie die des Cherubino<br />
und wird denn auch im Lauf der Jahre von<br />
Sopranistinnen wie Mezzosopranistinnen<br />
gesungen. Übrigens fielen zu Mozarts Zeit<br />
diese Unterschiede kaum ins Gewicht. Auch<br />
hier ist die Montague, die sich in beiden<br />
Lagen gleich wohlfühlt, die ideale Besetzung.<br />
Zunächst hören wir, wie sie ihre<br />
Verzweiflung mit übertriebenen Worten<br />
ausdrückt: “Torture and agony” (Band<br />
8<br />
).<br />
Eine der beiden leicht beeinflussbaren<br />
Schwestern beklagt das grausame Geschick,<br />
dass ihr angeblich den Geliebten entrissen hat.<br />
Dieser Ausbruch echter Leidenschaft ist so<br />
emphatisch, dass er geradezu an Gluck<br />
anklingt<br />
Die nächste Spur bringt Dorabella mit ihrer<br />
Schwester Fiordiligi und dem zynischen alten<br />
Don Alfonso im wunderbaren Abschiedsterzett<br />
“Blow gently, you breezes” (Band<br />
7<br />
). In<br />
diesem Werk gibt sich Mozarts Duktus<br />
herrlicher ruhender Punkte in der<br />
Erscheinungen Flucht besonders deutlich zu<br />
erkennen; freilich meint es eine Person,<br />
diesmal Alfonso, wohl nicht ganz ernst.<br />
Im zweiten Akt entschließen sich die etwas<br />
seriösere Fiordiligi und die leichtfertige<br />
Dorabella, mit den “neuen” Verehrern Kontakt<br />
aufzunehmen; sie singen ein entzückendes<br />
Duett, in dem sie über die beiden Männer<br />
disponieren: “I will take the handsome, dark<br />
one” (Band<br />
9<br />
). Die Stimmen verflechten sich<br />
auf echt schwesterliche Weise.<br />
Das Duett “My heart here I give you”<br />
(Band<br />
12<br />
) drückt Dorabellas neu erwachte<br />
Liebe ganz aufrichtig aus; indes ist die Musik<br />
so betörend, dass man sich des Eindrucks<br />
nicht erwehren kann, auch Guglielmo sei im<br />
Begriff, sich in das “falsche” Mädchen zu<br />
verlieben. Mozart war eben ein Genie. Alan<br />
Opie, der als Guglielmo sowie Alfonso an der<br />
English National Opera aufgetreten ist,<br />
beherrscht beide Partien mühelos, und Orla<br />
Boylan ist die ideale Fiordiligi.<br />
Wie schon erwähnt, schrieb auch Mozart<br />
für Kastraten. In seiner letzten Oper, der Seria<br />
The Clemency of Titus, handelt es sich um<br />
die Partie des Sextus, eines jungen,<br />
empfindsamen Römers, der Vitellia, der<br />
Tochter des enthronten Kaisers, hörig ist.<br />
Vitellia ist erbost, dass Kaiser Titus sie nicht zu<br />
seiner Gattin erwählt hat, und drängt Sextus,<br />
seinen besten Freund zu ermorden. Der<br />
unglückliche Sextus besingt all seine<br />
Gewissensqualen in der langen zweiteiligen<br />
Arie “Send me, but, my beloved, never reject<br />
me in anger” (Band<br />
2<br />
), in der Mozart den<br />
Charakter des rechtschaffenen, innerlich<br />
zerrissenen Jünglings wunderbar ausdrückt.<br />
Auch bei dieser Partie liegt die Tessitura<br />
zwischen Sopran und Mezzosopran und kann<br />
von beiden Stimmen interpretiert werden.<br />
Es folgen zwei Musterbeispiele der vielen<br />
Mozartarien für Solostimme mit Orchester. Sie<br />
sind Diana Montague wie auf den Leib<br />
geschrieben, denn sie entstanden für Louise<br />
Villeneuve, die erste Dorabella, als Einlagen in<br />
Vicente Martins Oper Il burbero di buon cuore<br />
nach einem Schauspiel von Goldoni, Libretto<br />
von Lorenzo da Ponte, KV 582 und KV 583<br />
im Köchelverzeichnis. KV 582, “Who knows<br />
what feeling” (Band<br />
11<br />
) ist entzückend, aber<br />
nicht besonders seriös; KV 583, “Banished,<br />
rejected” (Band<br />
10<br />
) ist in Mozarts<br />
überschwänglichstem, gefühlvollsten Stil<br />
geschrieben.<br />
Ein Jahrhundert später befinden wir uns in<br />
einer ganz anderen Welt, nämlich der<br />
russischen Oper mit Fürst Igor von Borodin.<br />
Den zweiten Akt eröffnet ein Chor Polowetzer<br />
Mädchen, die der Kontschakowna ein<br />
schmachtendes Lied vorsingen: “Tender<br />
flower, starved of water” (Band<br />
14<br />
). Fürst Igor<br />
ist der Gefangene ihres Vaters, des<br />
warmherzigen Khan Kontschak. Das quasiorientale<br />
Kolorit und Ambiente der Musik<br />
bietet im dramatischen Geschehen<br />
vorübergehend etws Entspannung. Borodin<br />
vermochte sehr geschickt die Musik des<br />
Westens mit lokalen Einflüssen zu verbinden.<br />
Viel urbaner und mehr nach<br />
westeuropäischem Geschmack ist Gounods<br />
Faust, eine Oper aus derselben Epoche, wie die<br />
reizende Arie des Siébel “When happy days”<br />
(Band<br />
16<br />
) beweist. Er liebt Margarete, kann<br />
sich aber nicht gegen Faust behaupten.<br />
Mittlerweile hatte in Wien seit Mozarts Zeit<br />
eine grundlegende Änderung im Zugang zur<br />
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