32 Zoom Wer wissen will, wie eine Stadt wirklich fahrradfreundlich wird, sollte in die dänische Hauptstadt fahren. Unser Redakteur MARCUS ERTLE hat dort Urlaub gemacht und ließ sich von einer der fahrradfreundlichsten Städte der Welt inspirieren.
Kopenhagen im Sommer. Die Radfahrer hier fahren schnell, das habe ich bereits vor meiner Reise gelesen. Man hat in Sachen fahrradfreundliche Stadt ja auch immer dieses betulich-gemütliche Bild vor. Entspannte, lächelnde Dänen, das Haar im Wind, entspanntes Cruisen auf dem Radweg. Dieses Bild hat mit der Realität wenig zu tun, die Kopenhagener Radfahrer sind sehr zügig unterwegs und man muss sich an das Tempo erst gewöhnen, was aber sehr schnell geht. Gleichzeitig ist der Mangel an Gemächlichkeit kein bisschen enttäuschend oder stressig. Woran liegt das? Die Radwege, wie wir sie kennen, sind mit denen in Kopenhagen nicht wirklich vergleichbar. In <strong>Augsburg</strong> sind immer noch die meisten entweder durch einen Strich geteilte Fußwege, oder Fahrbahnspuren, die den Radfahrer bestenfalls zum Gast auf der Straße machen. Das ist zwar besser als gar kein Radweg, aber in der Praxis haben die Radfahrer schlichtweg keine eigene „Straße“. In einer perfekten Welt würden sich Fußgänger und Autofahrer die Strecke harmonisch und vernünftig mit den Radlern teilen, der Markierungsstreifen zeigt ja an, wer wo gehen und fahren darf. In Wahrheit funktioniert dieses System nicht annähernd harmonisch. Wie die perfekte Radwegsituation aussieht, kann man in Kopenhagen sehen. Die Radfahrer haben im Grunde eigene Radtrassen. In Hauptverkehrsstraßen sind die Radwege mit Bordsteinkanten klar von der Autospur getrennt und Übergänge farblich eindeutig markiert. Das ist für alle Seiten ein großer Vorteil. Die Autofahrer nehmen den Radweg nicht lediglich als farbig markierte Radspur auf der Straße wahr, die es zu respektieren gilt, sondern als tatsächliche Begrenzung. Das führt bei den Radfahrern wiederum dazu, dass sie sich auf ihrem Radweg sicher fühlen können und nicht dauernd mit den generell schnelleren oder dicht vorbeifahrenden Autos konfrontiert werden. Ein weiterer positiver Effekt: Die Radfahrer wissen immer, wo der Radweg ist. Das klingt banal, aber die größte Unfallgefahr besteht bekanntlich an den Punkten, an denen sich Auto- und Fahrradverkehr kreuzen. Eine Sekunde der Unschlüssigkeit, der Desorientiertheit auf der einen oder anderen Seite reicht oftmals für einen Unfall, nicht selten sind diese Unfälle tödlich. In <strong>Augsburg</strong> wird zum Teil versucht, diese Übergänge farblich zu markieren. Diese Markierungen sind natürlich besser als gar keine, aber es fehlt die Einbindung in ein klar strukturiertes Radwegnetz. Ob eine Stadt ein solches klar strukturiertes Radwegnetz hat, lässt sich kinderleicht feststellen. Wenn man als durchschnittlich intelligenter, auch ortsfremder, Radfahrer in der Stadt unterwegs ist und mehr als einmal nicht weiß, ob man sich noch auf dem Radweg Radfahren in <strong>Augsburg</strong> - von Kopenhagen lernen „ Der lange Weg zur Fahrradstadt Nicht mehr die Autofahrer sind die wichtigsten Verkehrsteilnehmer, sondern die Radfahrer. befindet oder wo er nach einer Unterbrechung weitergeht, dann befindet man sich in einer Stadt, in der die Radwegführung einfach nicht optimal ist. Ein weiteres Indiz, ob man sich in einer wirklich fahrradfreundlichen Stadt befindet: Ist man mit dem Rad in aller Regel schneller am Ziel als mit dem Auto? Und das nicht nur, weil man sehr schnell fährt. In <strong>Augsburg</strong> dürfte die Antwort auch davon abhängen, ob die Autos im Stau stehen, aber dahinter muss sich noch kein durchdachter Plan verbergen. Dabei ist dieses Kriterium sehr wichtig. Menschen steigen nicht nur vom Auto auf das Rad um, weil es gesünder oder gemütlicher ist, sie sollten auch einen Zeitvorteil erlangen. Erreichen kann man diesen Effekt auch durch ein generelles Tempo-30-Limit. In manchen Straßen Kopenhagens wird dieser Zeitspareffekt noch dadurch verstärkt, dass Verkehrsteilnehmer, die mit 20 km/h fahren, eine grüne Welle haben. Nicht mehr die Autofahrer sind die wichtigsten Verkehrsteilnehmer, sondern die Radfahrer. Ist das alles bezahlbar? Eine <strong>Augsburg</strong>er Diskussion über solche Maßnahmen kann man sich vorstellen. Die Autolobby würde laut und wütend aufheulen, der Einzelhandel würde Umsatzeinbußen befürchten, weil die autofahrenden Kunden dann ausbleiben würden, in der Lokalzeitung würden massenweise Leserbriefe ankommen, die vor einer Diktatur der oft bemühten Rad-Rowdys und - Rambos warnen. Der Bürgermeister, der <strong>Augsburg</strong> auf diese Art zu einer fahrradfreundlichen Stadt machen wollte, würde sich wohl bald mit einer ganzen Handvoll Bürgerbegehren konfrontiert sehen. Dabei würden alle Seiten gewinnen: Radfahrer, Autofahrer und Fußgänger hätten jeweils eigene Strecken, auf denen sie sich bewegen können, ohne durch langsamere oder schnellere Verkehrsteilnehmer gestört zu werden. Die Stadt würde, wenn immer mehr Menschen aufs Rad steigen, automatisch gesünder werden. Weniger Abgase, weniger belastende Beanspruchung der Fahrbahnen, sportlicherer Lebenswandel durch mehr Bewegung, weniger Fläche, die für Parkplätze benötigt wird. Aber ist das alles bezahlbar? Sicher, <strong>Augsburg</strong> zur vorbildlich fahrradfreundlichen Stadt zu machen, ist nicht billig. Die Stadt arbeitet zwar am Konzept „Fahrradstadt 2020“, das sinnvolle Maßnahmen beinhaltet wie Lückenschlüsse der Radwege- Achsen, ein Verleihsystem für Fahrräder und Rücksicht auf Fahrradbelange bei Baustellen, allerdings sind diese Maßnahmen kein großer Wurf, viele Ziele sind sehr schwammig formuliert und stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Gleichwohl würde ein umfassendes Konzept die Stadt auf Dauer deutlich entlasten, da die Infrastruktur geschont wird und die Gesundheitskosten sinken. Abgesehen von den finanziell messbaren Auswirkungen würde sich auch das Lebensgefühl in der Stadt verbessern. Straßen und Plätze würden von immer mehr Menschen nicht nur als Verkehrskorridore wahrgenommen werden, die man überquert. Stattdessen könnte man einfach am Wegrand halten, vom Rad absteigen und andere Menschen treffen. Das Auto als rollendes Wohnzimmer würde ersetzt werden durch ein kommunikatives allgemeines Wohnzimmer auf Straßen und Plätzen. Der Individualverkehr würde also nicht abgeschafft werden, er würde nur sportlicher und offener werden. In Kopenhagen wird indes weiter an der mobilen Zukunft gearbeitet. Um das Radfahren für Pendler aus dem Umland attraktiv zu machen, wurde jetzt eine Art Fahrradhighway gebaut, der von den Vorstädten ins Zentrum führt, mit Fahrradpumpen am Wegrand, Haltegriffen oder Fußstützen an den Ampeln und einem speziellen Fahrbahnbelag, der schnelleres Fahren ermöglicht. Ein vergleichbares Vorhaben wäre tatsächlich ein Jahrhundertprojekt für <strong>Augsburg</strong>, gegen das sich der Bahnhofstunnel und die Theatersanierung kleinteilig ausnehmen (wenn man von den Kosten absieht). Schließlich würde der Schritt hin zu einer Fahrradstadt nahezu jeden <strong>Augsburg</strong>er täglich betreffen. Es ginge nicht nur darum, dass man ab und an gemütliche Radtouren machen kann, das Ergebnis wäre eine gewaltige Steigerung der Lebensqualität für Generationen.