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Neue Szene Augsburg 2015-09

Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de

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Kopenhagen im Sommer. Die Radfahrer hier<br />

fahren schnell, das habe ich bereits vor<br />

meiner Reise gelesen. Man hat in Sachen<br />

fahrradfreundliche Stadt ja auch immer dieses<br />

betulich-gemütliche Bild vor. Entspannte,<br />

lächelnde Dänen, das Haar im<br />

Wind, entspanntes Cruisen auf dem Radweg.<br />

Dieses Bild hat mit der Realität wenig<br />

zu tun, die Kopenhagener Radfahrer sind sehr zügig<br />

unterwegs und man muss sich an das Tempo erst gewöhnen,<br />

was aber sehr schnell geht. Gleichzeitig ist<br />

der Mangel an Gemächlichkeit kein bisschen enttäuschend<br />

oder stressig. Woran liegt das?<br />

Die Radwege, wie wir sie kennen, sind mit denen in<br />

Kopenhagen nicht wirklich vergleichbar. In <strong>Augsburg</strong><br />

sind immer noch die meisten entweder durch einen<br />

Strich geteilte Fußwege, oder Fahrbahnspuren, die<br />

den Radfahrer bestenfalls zum Gast auf der Straße<br />

machen. Das ist zwar besser als gar kein Radweg,<br />

aber in der Praxis haben die Radfahrer schlichtweg<br />

keine eigene „Straße“.<br />

In einer perfekten Welt würden sich Fußgänger und<br />

Autofahrer die Strecke harmonisch und vernünftig mit<br />

den Radlern teilen, der Markierungsstreifen zeigt ja<br />

an, wer wo gehen und fahren darf. In Wahrheit funktioniert<br />

dieses System nicht annähernd harmonisch.<br />

Wie die perfekte Radwegsituation aussieht, kann man<br />

in Kopenhagen sehen. Die Radfahrer haben im Grunde<br />

eigene Radtrassen. In Hauptverkehrsstraßen sind die<br />

Radwege mit Bordsteinkanten klar von der Autospur<br />

getrennt und Übergänge farblich eindeutig markiert.<br />

Das ist für alle Seiten ein großer Vorteil. Die Autofahrer<br />

nehmen den Radweg nicht lediglich als farbig markierte<br />

Radspur auf der Straße wahr, die es zu<br />

respektieren gilt, sondern als tatsächliche Begrenzung.<br />

Das führt bei den Radfahrern wiederum dazu,<br />

dass sie sich auf ihrem Radweg sicher fühlen können<br />

und nicht dauernd mit den generell schnelleren oder<br />

dicht vorbeifahrenden Autos konfrontiert werden.<br />

Ein weiterer positiver Effekt: Die Radfahrer wissen<br />

immer, wo der Radweg ist. Das klingt banal, aber die<br />

größte Unfallgefahr besteht bekanntlich an den Punkten,<br />

an denen sich Auto- und Fahrradverkehr kreuzen.<br />

Eine Sekunde der Unschlüssigkeit, der Desorientiertheit<br />

auf der einen oder anderen Seite reicht oftmals<br />

für einen Unfall, nicht selten sind diese Unfälle tödlich.<br />

In <strong>Augsburg</strong> wird zum Teil versucht, diese Übergänge<br />

farblich zu markieren. Diese Markierungen sind natürlich<br />

besser als gar keine, aber es fehlt die Einbindung<br />

in ein klar strukturiertes Radwegnetz.<br />

Ob eine Stadt ein solches klar strukturiertes Radwegnetz<br />

hat, lässt sich kinderleicht feststellen. Wenn man<br />

als durchschnittlich intelligenter, auch ortsfremder,<br />

Radfahrer in der Stadt unterwegs ist und mehr als einmal<br />

nicht weiß, ob man sich noch auf dem Radweg<br />

Radfahren in <strong>Augsburg</strong> -<br />

von Kopenhagen<br />

lernen<br />

„<br />

Der lange Weg zur Fahrradstadt<br />

Nicht mehr die<br />

Autofahrer sind die wichtigsten<br />

Verkehrsteilnehmer, sondern<br />

die Radfahrer.<br />

befindet oder wo er nach einer Unterbrechung weitergeht,<br />

dann befindet man sich in einer Stadt, in der<br />

die Radwegführung einfach nicht optimal ist.<br />

Ein weiteres Indiz, ob man sich in einer wirklich fahrradfreundlichen<br />

Stadt befindet: Ist man mit dem Rad<br />

in aller Regel schneller am Ziel als mit dem Auto? Und<br />

das nicht nur, weil man sehr schnell fährt. In <strong>Augsburg</strong><br />

dürfte die Antwort auch davon abhängen, ob die<br />

Autos im Stau stehen, aber dahinter muss sich noch<br />

kein durchdachter Plan verbergen. Dabei ist dieses Kriterium<br />

sehr wichtig. Menschen steigen nicht nur vom<br />

Auto auf das Rad um, weil es gesünder oder gemütlicher<br />

ist, sie sollten auch einen Zeitvorteil erlangen.<br />

Erreichen kann man diesen Effekt auch durch ein generelles<br />

Tempo-30-Limit. In manchen Straßen Kopenhagens<br />

wird dieser Zeitspareffekt noch dadurch<br />

verstärkt, dass Verkehrsteilnehmer, die mit 20 km/h<br />

fahren, eine grüne Welle haben. Nicht mehr die Autofahrer<br />

sind die wichtigsten Verkehrsteilnehmer, sondern<br />

die Radfahrer.<br />

Ist das alles bezahlbar?<br />

Eine <strong>Augsburg</strong>er Diskussion über solche Maßnahmen<br />

kann man sich vorstellen. Die Autolobby würde laut<br />

und wütend aufheulen, der Einzelhandel würde Umsatzeinbußen<br />

befürchten, weil die autofahrenden Kunden<br />

dann ausbleiben würden, in der Lokalzeitung<br />

würden massenweise Leserbriefe ankommen, die vor<br />

einer Diktatur der oft bemühten Rad-Rowdys und -<br />

Rambos warnen. Der Bürgermeister, der <strong>Augsburg</strong> auf<br />

diese Art zu einer fahrradfreundlichen Stadt machen<br />

wollte, würde sich wohl bald mit einer ganzen Handvoll<br />

Bürgerbegehren konfrontiert sehen.<br />

Dabei würden alle Seiten gewinnen: Radfahrer, Autofahrer<br />

und Fußgänger hätten jeweils eigene Strecken,<br />

auf denen sie sich bewegen können, ohne durch langsamere<br />

oder schnellere Verkehrsteilnehmer gestört zu<br />

werden. Die Stadt würde, wenn immer mehr Menschen<br />

aufs Rad steigen, automatisch gesünder werden.<br />

Weniger Abgase, weniger belastende<br />

Beanspruchung der Fahrbahnen, sportlicherer Lebenswandel<br />

durch mehr Bewegung, weniger Fläche, die<br />

für Parkplätze benötigt wird.<br />

Aber ist das alles bezahlbar? Sicher, <strong>Augsburg</strong> zur vorbildlich<br />

fahrradfreundlichen Stadt zu machen, ist nicht<br />

billig. Die Stadt arbeitet zwar am Konzept „Fahrradstadt<br />

2020“, das sinnvolle Maßnahmen beinhaltet<br />

wie Lückenschlüsse der Radwege-<br />

Achsen, ein Verleihsystem für Fahrräder und<br />

Rücksicht auf Fahrradbelange bei Baustellen,<br />

allerdings sind diese Maßnahmen kein<br />

großer Wurf, viele Ziele sind sehr schwammig<br />

formuliert und stehen unter Finanzierungsvorbehalt.<br />

Gleichwohl würde ein<br />

umfassendes Konzept die Stadt auf Dauer deutlich<br />

entlasten, da die Infrastruktur geschont wird und die<br />

Gesundheitskosten sinken.<br />

Abgesehen von den finanziell messbaren<br />

Auswirkungen würde sich auch das<br />

Lebensgefühl in der Stadt verbessern.<br />

Straßen und Plätze würden von immer<br />

mehr Menschen nicht nur als Verkehrskorridore<br />

wahrgenommen werden, die<br />

man überquert. Stattdessen könnte man<br />

einfach am Wegrand halten, vom Rad<br />

absteigen und andere Menschen treffen.<br />

Das Auto als rollendes Wohnzimmer<br />

würde ersetzt werden durch ein kommunikatives<br />

allgemeines Wohnzimmer auf<br />

Straßen und Plätzen. Der Individualverkehr<br />

würde also nicht abgeschafft werden,<br />

er würde nur sportlicher und<br />

offener werden.<br />

In Kopenhagen wird indes weiter an der<br />

mobilen Zukunft gearbeitet. Um das<br />

Radfahren für Pendler aus dem Umland<br />

attraktiv zu machen, wurde jetzt eine Art<br />

Fahrradhighway gebaut, der von den<br />

Vorstädten ins Zentrum führt, mit Fahrradpumpen am<br />

Wegrand, Haltegriffen oder Fußstützen an den Ampeln<br />

und einem speziellen Fahrbahnbelag, der schnelleres<br />

Fahren ermöglicht.<br />

Ein vergleichbares Vorhaben wäre tatsächlich ein Jahrhundertprojekt<br />

für <strong>Augsburg</strong>, gegen das sich der<br />

Bahnhofstunnel und die Theatersanierung kleinteilig<br />

ausnehmen (wenn man von den Kosten absieht).<br />

Schließlich würde der Schritt hin zu einer Fahrradstadt<br />

nahezu jeden <strong>Augsburg</strong>er täglich betreffen. Es ginge<br />

nicht nur darum, dass man ab und an gemütliche Radtouren<br />

machen kann, das Ergebnis wäre eine gewaltige<br />

Steigerung der Lebensqualität für Generationen.

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