Neue Szene Augsburg 2015-09
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info und Veranstaltungskalender unter www.neue-szene.de
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44 Cinerama<br />
AM ENDE EIN FEST<br />
Regie: Sharon Maymon, Tal Granit<br />
Mit: Ze‘ev Revach, Levana Finkelstein,<br />
Aliza Rosen, Ilan Dar, Raffi Tavor u.a.<br />
Euthanasie und israelische Komödie,<br />
oha, geht das? Natürlich<br />
nicht, beziehungsweise schon,<br />
beziehungsweise genauso gut oder<br />
schlecht wie dasselbe Thema in<br />
einer deutschen, australischen oder<br />
grönländischen Komödie: Es ist nicht<br />
wirklich lustig, vielmehr sehr melodramatisch.<br />
Wie die Bewohner eines<br />
Seniorenheims grau in grau ihre<br />
Pläne zur Beseitigung des leidgeplagten<br />
liebsten Freundes, Bruders<br />
und Verwandten schmieden, das<br />
ist schon unerbittlich unterhaltsam<br />
und vor allem sehr gut gespielt. Man<br />
kann dem Film all das zugute halten,<br />
was ihn davon abhält, ein schlechterer<br />
Film zu sein: die detaillierte<br />
Zeichnung der Figuren, die also nicht<br />
zu Karikaturen verkommen, oder die<br />
Balance zwischen Groteske, Biss<br />
und Herzlichkeit. Und genau diese<br />
Wohltemperiertheit macht den Film<br />
auch so seicht und schauderhaft.<br />
Und am Ende: Was ist die Pointe des<br />
Ganzen? (fs) (24.<strong>09</strong>.)<br />
<br />
TAXI<br />
Regie: Kerstin Ahlrich<br />
Mit: Rosalie Thomass, Peter Dinklage,<br />
Robert Stadlober, Armin Rohde u.a.<br />
Die 80er Jahre scheinen ein Sehnsuchtsort<br />
der deutschen „Alternativen“<br />
zu sein: Als alles noch klar war,<br />
die Taxis bezahlbar, die Mauer noch<br />
stand und Herr Lehmann hinterm<br />
Tresen. Der 2008 veröffentlichte<br />
Roman von Karen Duve („Anständig<br />
essen“) zelebriert das Ganze in<br />
Hamburg, sonst bleibt alles gleich:<br />
„Der Sound ist hart, die Kneipen<br />
dunkel, es gibt viel Sex, geraucht<br />
wird ständig und über alles und<br />
nichts diskutiert“, um den Promotext<br />
des Films zu zitieren, an dessen<br />
Drehbuch Duve mitwirkte. Anders<br />
gesagt: Es gibt keinen vernünftigen<br />
Grund, sich diese Früher-war-nicht<br />
alles-besser-aber-schon-sehr-vielcooler-Nabelschau<br />
von Lindenstraßen-Regisseurin<br />
Kerstin Ahlrichs<br />
anzusehen. Außer natürlich Darsteller<br />
wie Game-Of-Thrones-Star<br />
Peter Dinklage, Robert Stadlober<br />
und Armin Rohde und die Erinnerung<br />
an großartige Taxifilme wie „Night<br />
On Earth“ oder „Taxi Driver“. Hihi,<br />
reingefallen! (flo)<br />
<br />
DIE KLEINEN UND DIE<br />
BÖSEN<br />
Regie: Markus Sehr<br />
Mit: Christoph Maria Herbst, Peter<br />
Kurth, Emma Bading u.a.<br />
Manchmal muss man die Synopsis<br />
im Presseheft bis zum bitteren Ende<br />
lesen, um zu wissen, dass man sich<br />
den Kinobesuch sparen kann: Dass<br />
sich jemand im Jahr <strong>2015</strong> noch Sätze zu<br />
schreiben wagt wie „Und so nehmen<br />
die Dinge eine ganz andere Wendung,<br />
als alle Beteiligten es jemals zu träumen<br />
gewagt hätten“? Irre, oder? Macht<br />
richtig Lust auf den Film. Das wird auch<br />
nicht besser, wenn man erfährt, dass<br />
die deutsche Komödie mit Stromberg-<br />
Darsteller Christoph Maria Herbst und<br />
„Theaterurgestein“ Peter Kurth von<br />
einem impotenten Bewährungshelfer<br />
und einem harmlosen Kleinkriminellen<br />
handelt. Geklaut wird wie gehabt also<br />
nicht nur im Film, sondern auch von<br />
Filmen, irgendwann hängt mal wieder<br />
einer kopfüber ausm Fenster, wird aber<br />
vom Kalauerstapel aufgefangen und so<br />
weiter und so fort. Der WDR und Arte<br />
haben koproduziert, insofern gibt’s noch<br />
viel weniger Grund, ins Kino zu gehen,<br />
diese Zeitverschwendung läuft eh bald<br />
im Fernsehen. (flo) (VÖ: 03.<strong>09</strong>.)<br />
<br />
STAATSDIENER<br />
Doku von Marie Wilke<br />
Das Plakatmotiv ist schon mal ein<br />
ziemlicher Hingucker: „Staatsdiener“<br />
ist ein Dokumentarfilm über das<br />
erste Jahr von Studierenden an einer<br />
Polizeischule in Sachsen-Anhalt. Im<br />
Mittelpunkt steht mit Kathrin Cruz<br />
eine junge Frau, die ihre ersten<br />
Einsätze bei der Bereitschaftspolizei<br />
gegen Hooligans und Randalierer<br />
absolviert. Die Langzeitdoku „ohne<br />
jegliche Einschränkung oder Zensur“<br />
verzichtet auf Kommentare, Interviews<br />
oder Filmmusik und erzählt<br />
nichts, was man mit ein bisschen<br />
Empathie oder Phantasie nicht schon<br />
wissen oder erahnen könnte. Es ist<br />
keineswegs der berühmte „spannende<br />
Blick hinter die Kulissen des<br />
Polizeiapparates“, sondern schlicht<br />
und einfach der gefilmte Alltag einer<br />
Polizeischule. Das macht ihn nicht<br />
interessanter oder uninteressanter,<br />
die Banalität steht ja auf beiden<br />
Seiten des Helmes: Hier die mit sich<br />
ringenden Beamten, dort die Delinquenten<br />
im Kampf mit ihrem Schicksal,<br />
den Umständen oder einfach<br />
dem Rausch. So werden Polizisten<br />
gemacht? Ja. Auch. (flo)<br />
<br />
FILM DES MONATS<br />
HOW TO CHANGE THE WORLD<br />
Regie: Jerry Rothwell<br />
Doku mit: Bill Darnell, David Garrick, Bobbi Hunter, Emily Hunter u.a.<br />
Blut und noch mehr Blut kommt in Fontänen aus den Abflussrohren eines<br />
unheimlichen Schiffes, verschmiert sich mit der rostbraunen Bordwand<br />
und taucht das Meerwasser in ein klares Karmesinrot. Die Bilder, die jedem<br />
Horrorfilm Konkurrenz machen, hier aber eine Walfischjagd dokumentieren,<br />
sind Bilder aus dem Archivmaterial einer Greenpeace-Aktion, bei der die<br />
Aktivisten im Schlauchboot um ein Haar selbst harpuniert worden wären.<br />
Eine Doku über Greenpeace ist also eine ergiebige Angelegenheit, allein<br />
schon deshalb, da bei Greenpeace von Anfang an, seit der losen Gründung<br />
im Jahre 1971 im kanadischen Vancouver, mit dem Ziel des Stopps von Atomwaffentests<br />
ein Bewusstsein für die Bedeutung des visuellen Zeugnisses<br />
herrschte. Nicht nur die Bilder sind faszinierend und so reichhaltig, dass<br />
sie zuweilen den Eindruck vermitteln, einen Spielfilm zu sehen. Auch die<br />
inhaltliche Auseinandersetzung ist sehr aufschlussreich: Konflikte im Spannungsfeld<br />
von Basisdemokratie und Macht, Erfolg und Wachstum, oder rund<br />
um die Grundsatzfrage, ob man sich einmischen oder Neutralität bewahren<br />
solle. Ein von fundamentaler Kraft getragener Film. (fs) (10.<strong>09</strong>.)<br />
<br />
3D