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Die Wirtschaft 06_2015

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30 LEBEN & WISSEN<br />

Großmeister<br />

der Entfremdung<br />

Kunstmuseum Picasso zeigt Alberto Giacometti<br />

Selbst wer noch nie eine Skulptur<br />

von Alberto Giacometti gesehen hat,<br />

weiß in etwa, wie diese Kunstwerke<br />

eght in Südfrankreich zeigt das Museum<br />

in der imposanten, vom Sparkassenverband<br />

gesponserten Ausstellung. Markus<br />

aussehen: Dürre, langgezogene Müller wies schon vorab die Mutmaßung<br />

Menschenwesen sind das, mit weiten zurück, sein Haus wolle bloß durch<br />

Beinen schreitend oder starr aufrecht<br />

Blockbuster-Schauen Zuschauer anlocken:<br />

stehend. Was jedoch auf Fotos<br />

kaum zu erkennen ist: Wie groß sind<br />

diese Werke eigentlich?<br />

Alberto Giacometti aus der Schweiz<br />

und der ältere Pablo Picasso aus Spanien<br />

teilten vielmehr das biografische Schicksal,<br />

in der Kunstmetropole Paris hängengeblieben<br />

zu sein, ohne ihre Nationalität Das Kunstmuseum Pablo Picasso<br />

lässt den unbefangenen<br />

Betrachter jetzt stauren<br />

mal befreundet, mal verkracht, bilde-<br />

aufzugeben. Sie kannten einander, wanen.<br />

Denn im selben ten aber auch ein Gegensatzpaar: Hier<br />

Raum, in dem mehrere gut der vom eigenen Genie überzeugte Picasso,<br />

einen Meter große „Frauen für Venedig“<br />

von ihrem Podium auf die Museumsbesucher<br />

herabblicken – oder besser: über sie<br />

hinweg –, hält auch die „Große stehende<br />

Frau“ aus dem Jahr 1960 Hof: eine imposante<br />

Dame von 276 Zentimetern Höhe.<br />

Der Anblick ist eine Wucht – und liefert<br />

den denkbar größten Kontrast zum nur<br />

dort der skrupulöse, dem Existenzia-<br />

lismus anhängende Giacometti, der wie<br />

ein kreativer Sisyphos zerstören musste,<br />

was er geschaffen hatte, um täglich neu<br />

zu beginnen. Insofern haben seine Grafiken,<br />

die jetzt auch in Münster gezeigt<br />

werden, einen eigenen Reiz: Ihre Fertigung<br />

schloss nachträgliche Korrekturen,<br />

wenige Schritte entfernten „kleinen wie sie Giacomettis Zeichnungen prägen,<br />

Platz“ oder der „Lichtung“, deren bronzenes<br />

Personal manchmal kaum größer als<br />

ein Zahnstocher ist.<br />

„Es sind Figuren in der Distanz“, erklärt<br />

von vornherein aus. Und seine etwas trist<br />

anmutenden Gemälde aus Paris haben<br />

auch etwas von Entfremdung: Man sieht<br />

Prachtstraßen – aber in nächtlicher Leere.<br />

Museumsdirektor Prof. Markus Müller,<br />

man könnte sich die kleinen Figuren als<br />

fern stehende Monumentalfiguren vorstellen.<br />

Und doch sind es keine Entwürfe,<br />

wie frühe Betrachter irrigerweise vermuteten,<br />

sondern vollgültige Werke. <strong>Die</strong> Distanz<br />

ist für den Experten ein Schlüsselbegriff<br />

für das Werk des schweizerischen<br />

Zeichners, Malers und Bildhauers: Auch<br />

in dessen Porträts schaffe Annäherung<br />

keine Nähe, sondern eine Fremde, die die<br />

Bezeichnung „Großmeister der Entfremdung“<br />

nahelege. Im Katalog wird Giacometti<br />

zu einem anderen Werk zitiert: „<strong>Die</strong><br />

Skulptur, die ich von dieser Frau machen<br />

wollte, entsprach in Wirklichkeit genau<br />

der Art und Weise, wie ich sie in einer gewissen<br />

Entfernung von mir auf der Straße<br />

gesehen hatte. Ich wollte ihr also die Größe<br />

geben, die sie hatte, als sie sich in die-<br />

Harald Suerland<br />

| www.kunstmuseum-picasso-muenster.de ser Entfernung befand.“<br />

Museumsdirektor Markus Müller freut<br />

115 Kunstwerke aus der Fondation Ma-<br />

sich über die hochkarätige Schau. Foto: -kal-<br />

<strong>Die</strong> Vielfalt Giacomettis ist ein Thema der Ausstellung – so sind große Frauenskulpturen, der berühmte Hund,<br />

eine Büste oder auch Gemälde zu sehen.<br />

Foto: Wilfried Gerharz<br />

ALBERTO GIACOMETTI – MEISTERWERKE<br />

<strong>Die</strong> Giacometti-Schau ist bis zum 24. Januar 2016 montags<br />

bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, freitags bis<br />

20 Uhr, am Zweiten Weihnachtstag und Neujahr ab 13<br />

Uhr. Heiligabend, am Ersten Weihnachtstag und Silvester<br />

geschlossen. Parallel ist die Ausstellung „Picasso – Süßer<br />

Vogel Jugend“ zu sehen. Infos unter 02 51 / 4 14 47 10.

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