Leo November 2016
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Musik<br />
Interview<br />
LADY GAGA<br />
FOTO: COLLIER SCHORR<br />
Schlicht „Joanne“ hat Lady Gaga ihr<br />
neues Album betitelt – was nicht nur ihr<br />
Mittelname ist, sondern auch der Name<br />
ihrer verstorbenen Tante, die das Werk<br />
inspirierte. Mark Ronson, Florence Welch,<br />
Beck und Josh Homme von Queens Of<br />
The Stone Age sind nur einige der Kooperationspartner,<br />
mit denen die New Yorker<br />
Musikerin im Studio daran gearbeitet hat.<br />
Herausgekommen ist ein Album, das sich<br />
mit seinen Akustik-Elementen merklich<br />
organischer anhört als seine Vorgänger.<br />
Und offensichtlich hat die 30-Jährige mit<br />
den Songs auch die kürzlich vollzogene<br />
Trennung von ihrem Verlobten Taylor<br />
Kinney verarbeitet. Mit uns sprach Gaga<br />
über ihren Herzschmerz, das Gefühl von<br />
Freiheit und ihre Liebe zu David Bowie.<br />
DU TRÄGST HOTPANTS UND T-SHIRT. DAS<br />
IST MEILENWEIT ENTFERNT VON DEN EX-<br />
TRAVAGANTEN OUTFITS, DIE WIR SONST<br />
VON DIR KENNEN.<br />
Das ist ja Sinn der Sache! Oftmals haben<br />
mir Leute unterstellt, ich würde mich<br />
hinter den aufwendigen Kostümen verstecken.<br />
Aber eigentlich war es für mich<br />
immer das genaue Gegenteil: nämlich<br />
eine Enthüllung meines künstlerischen<br />
Ichs durch die Mode. Es ist Ausdruck davon,<br />
was ich kreativ mache. Es reflektiert,<br />
wie ich mich gerade innen drin fühle. Und<br />
jetzt fühle ich mich nun mal so.<br />
WIE DENN?<br />
Total frei. Und stark als Frau. Wenn ich im<br />
Studio oder auf der Bühne stehe, will ich<br />
mich ausleben. Meine Musik ist diesmal<br />
mitunter voller Wut und Energie. Um das<br />
rauslassen zu können, muss ich mich<br />
geerdet fühlen. Es hat also auch rein<br />
praktische Gründe: Hotpants und T-<br />
Shirt sind einfach bequemer.<br />
„JOANNE“ IST DEIN FÜNFTES ALBUM. WO<br />
STEHT ES, WENN DU ES MIT DEN ANDE-<br />
REN ALBEN VERGLEICHST?<br />
Die anderen Platten waren Konzeptalben.<br />
Bei „The Fame“ und<br />
„The Fame Monster“ ging<br />
es um Ruhm, bei „Born<br />
This Way“ um sozialen<br />
Aktivismus und Akzeptanz.<br />
Bei „Artpop“ war<br />
die Kunst als solche das<br />
Konzept. Und diesmal<br />
präsentiere ich einfach<br />
nur ein Bündel von Liedern<br />
über mein Leben.<br />
Jedes Stück auf „Joanne“<br />
ist komplett autobiografisch.<br />
LIEBE UND DER VERLUST DAVON SCHEI-<br />
NEN EIN ZENTRALES THEMA ZU SEIN.<br />
WIE GROSS IST DERZEIT DEIN HERZ-<br />
SCHMERZ?<br />
Es gibt ja verschiedene Arten von Herzschmerz.<br />
Nicht nur eine Liebe kann dir<br />
das Herz brechen. Einer meiner besten<br />
Freunde hat Krebs der Stufe 4 – das<br />
macht mir derzeit am meisten Kummer.<br />
Es gibt also nicht nur den einen Herzschmerz.<br />
Aber ja, es gibt momentan bei<br />
mir einige tiefe emotionale Wunden. Für<br />
diese ein Ventil zu schaffen, macht auch<br />
die Anziehungskraft der neuen Songs<br />
aus, denn am Ende des Tages sind meine<br />
emotionalen Schmerzen die gleichen<br />
wie deine oder von jedem anderen auf<br />
der Welt.<br />
DIE MUSIK KLINGT SO, ALS WOLLTEST DU<br />
JETZT MEHR MENSCHEN GEFALLEN.<br />
Ich will nicht gefallen. Ich will Leute durch<br />
meine Musik zusammenbringen. Es ist<br />
doch eine schöne Vorstellung, dass ich<br />
mit den neuen Songs Verbindung zu<br />
Leuten aufbauen kann, die sich nie hätten<br />
vorstellen können, dass sie irgendwelche<br />
Gemeinsamkeiten mit mir<br />
haben.<br />
ES HEISST, DU WOLLTEST<br />
DIESMAL AUCH DEINE<br />
DUNKLE SEITE AUSLEBEN.<br />
Das habe ich eigentlich<br />
schon mit meiner Rolle in<br />
American Horror Story<br />
getan. Ich fühle mich im<br />
Augenblick eher geerdet,<br />
was auch daran liegt, dass<br />
ich in den letzten zwei Jahren viel Zeit mit<br />
meiner Familie verbracht habe.<br />
HEFTIGE KRITIK GAB ES FÜR DEINEN<br />
DAVID-BOWIE-AUFTRITT BEI DEN LETZTEN<br />
GRAMMY-AWARDS. TAT DAS WEH?<br />
Ach, die Sache ist doch die: Ich liebe David<br />
Bowie, aber es kann nie den einen Tribut<br />
geben, der ihm gerecht wird. Ich habe<br />
das getan, was ich für richtig hielt: eine<br />
Performance, mit der ich meine Bewunderung<br />
für ihn, seine Arbeit und sein Erbe<br />
Ausdruck verleihen wollte. Ich werde ihm<br />
weiterhin und für den Rest meines Lebens<br />
auf vielfältige Art Tribut zollen – so wie<br />
viele andere Künstler auch. Und was mich<br />
betrifft, werde ich für jede Bowie-Hommage<br />
applaudieren und jubeln.<br />
•Interview: Katja Schwemmers