Das Erbe
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<strong>Das</strong> <strong>Erbe</strong> – Aktionsforschung im lokalen Aushandlungsfeld von Wertschätzung, Sinn und Bedeutung<br />
Dort, im „Schaffwerk“, streife ich später mit der Videokamera zwischen den lebhaft sich unterhaltenden<br />
Menschen in den Stuben des Hauses und in der Scheuer umher. Ich versuche<br />
Stimmung und Stimmen bzw. Ansichten zu erkunden. Dabei geht es mir um die Suche nach<br />
unterschiedlichen Sichtweisen auf das Haus und den Mann, der es geschaffen hat.<br />
Niemand scheint sich an der Kamera zu stören, niemand entzieht sich. Manche Gäste beginnen<br />
ungefragt über Peter zu sprechen, als sie merken, dass sie im Bild sind. Am Abend, bei<br />
der ersten Durchsicht der Videoaufnahmen, erscheint es mir, als würden nach und nach wichtige<br />
Repräsentanten und Repräsentantinnen unterschiedlicher Standpunkte und Blickrichtungen<br />
auf das „Schaffwerk“ von Peter Kramer auftreten: 18<br />
Vier Männer in der rot-blauen Uniform der Pfullinger Bergwacht. Sie stehen in der Scheune<br />
um einen großen Hefezopf herum. Dieser ist in Form des Pfullinger Schönbergturms gebacken.<br />
Der Älteste in der Runde 19 : „Des ischt et peterschpezifisch do“ (Er hebt dabei seinen<br />
Kaffeebecher / lachen in der Runde)<br />
Ich: „Net peter…?“<br />
Der Älteste: „Net peterschpezifisch, wa mir do em Becher hen“ (lachen)<br />
Ich: „Ah so“<br />
(lachen in der Runde)<br />
Ich: „Was wär des gwäsa, was peterschpezifisch gwäsa wär?“<br />
Der Älteste: „Ha, Moscht on so äbbes”<br />
Hier, denke ich, wird offenbar Wert darauf gelegt, dass Peter Kramer ein großer Freund des<br />
örtlichen Apfelweins war. Ich schaue mir den weiteren Fortgang der Szene an:<br />
Ich: „Ond was hend Sie gmacht, wenn Sie hier warad?“<br />
Der Älteste: „A Gaude mit´ m Peter“ (lachen in der Runde)<br />
Der Älteste: „(…) Ha, do hot mar sich iber Fraua onderhalda (lachen in der Runde)<br />
ond iber Alteise ond iber da Wei ond da Schnaps“<br />
Ich: „Fraua, Alteise, Wei ond Schnaps. (lachen in der Runde) Alles klar“<br />
Junger Bergwachtmann: „Des war Kurzfassung Peter“ (lachen in der Runde)<br />
Hier wird das „Schaffwerk“ als ein Ort der Gespräche unter Männern geschildert und als ein<br />
Ort, wo man Spaß – „a Gaude“ – mit dem Schaffer Peter Kramer hatte.<br />
Der Älteste in der Runde sagt dann noch, dass Peters Problem gewesen sei, dass er ohne Vater<br />
und als Einzelkind aufwachsen musste – offenbar ein Begründungsversuch aus Sicht des Pfullinger<br />
Bergwachtmannes für die Ungewöhnlichkeit des „Schaffwerkschaffers“.<br />
Die Abweichung von der Normalität betonen auch andere Ansichten über Peter Kramer und<br />
sein Haus. Er sei ein „Riesenspaßvogel“ gewesen, meint ein ehemaliger Schulkamerad.<br />
Eine junge Frau, die in der Nachbarschaft aufgewachsen ist, erzählt von Geschichten, die Peter<br />
früher gerne erzählt habe. „Sie sitzt vor dem Haus. Ihr<br />
Blick fällt auf eine hohe Eisenkonstruktion im Garten, die ● ● ●<br />
dem Aufschichten von Holzscheiten diente – und manchem „ Er war immer ein<br />
mehr, wie die ehemalige Nachbarin zu berichten weiß: „Da Riesenspaßvogel“<br />
hinten, dieser Turm, den hab ich mit ihm und mit meiner<br />
● ● ●<br />
Cousine, ham mar den bemalt. Des soll der Turm von der<br />
18 Alle Zitate vom Zusammensein nach der Trauerfeier stammen aus dem transkribierten Videodokument 15.10.10<br />
19 Aus einer hier nicht zitierten Gesprächspassage lässt sich schlussfolgern, dass der Mann über 70 Jahre alt sein muss.<br />
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