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Christopher Purves bass - Chandos

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CHAN 3121 BOOK.qxd 12/9/06 4:19 pm Page 40<br />

miteinander zu verknüpfen, und Mozart<br />

komponierte Musik von einer solchen<br />

Vielseitigkeit und Originalität, daß man in<br />

seinem übrigen Schaffen, ja in jeder anderen<br />

bis dahin oder seither entstandenen Oper<br />

vergeblich nach etwas Vergleichbarem sucht.<br />

Die beiden Arien der Königin der Nacht<br />

weisen noch Affinitäten zur italienischen Oper<br />

auf, aber die Musik Sarastros und der<br />

Bruderschaft ist von erstaunlicher Originalität –<br />

mit völlig neuen Orchesterfarben, wie etwa die<br />

Bassetthörner und Posaunen im Marsch der<br />

Priester im Zweiten Akt und in Sarastros<br />

anschließender Arie “O Isis und Osiris”<br />

(Nr. 10). In allen ernsten Teilen der Oper<br />

werden die noblen Stimmen von drei Posaunen<br />

beständig eingesetzt: zuerst in der Ouvertüre,<br />

wo sie die Freimaurer-Akkorde einführen, dann<br />

als die drei Knaben Tamino und Papageno<br />

geleiten (Nr. 8), als die Stimmen der Priester<br />

erklingen (ebenfalls Nr. 8), als die<br />

Geharnischten bei der Weihezeremonie<br />

assistieren (im Finale, Nr. 21) und schließlich<br />

zur Begleitung von Taminos Zauberflöte<br />

während der Prüfungen durch Feuer und<br />

Wasser (ebenfalls Nr. 21). Die Zauberflöte<br />

wurde auf der Bühne von dem Tenor Benedikt<br />

Schack gespielt; das Glockenspiel – ein neues<br />

Instrument in der Oper – erklang hinter der<br />

40<br />

Bühne, während Schikaneder in der Rolle des<br />

Papageno ihr Spiel auf der Bühne mimte.<br />

Obwohl es von Schikaneder in dieser Rolle<br />

Bilder gibt, wissen wir nicht wirklich, wie das<br />

Instrument beschaffen war, das den Klang<br />

hervorbrachte (in Nr. 8, 20 und 21).<br />

Jede der Figuren in dieser halb<br />

allegorischen, halb possenhaften Unterhaltung<br />

hat eine besondere Melodie, die seinen oder<br />

ihren Charakter zum Ausdruck bringt:<br />

Taminos jugendlicher Edelmut; Paminas<br />

Verwundbarkeit und Leidenschaft, die sich in<br />

ihrer tragischen, fast hysterischen Klage in<br />

Mozarts bevorzugter dunklen Tonart g-Moll<br />

und ihrem angekündigten Selbstmord<br />

kundtut; die einfache, doch zugleich auch<br />

übernatürliche Qualität der Musik der drei<br />

Knaben, gegen die sich das allzu menschliche<br />

Intrigieren der drei Damen abhebt; das<br />

grotesk-komische Schurkentum des<br />

Monostatos und vor allem die nobelekstatischen<br />

Ergüsse der edlen Liebenden und<br />

der beiden Geharnischten, als sie sich auf die<br />

Prüfungen vorbereiten – all diese leisten ihren<br />

Beitrag zu einem musikalischen Mosaik von<br />

selbst für Mozart ungewöhnlichem Reichtum.<br />

Am auffälligsten ist die Originalität der<br />

Zauberflöte jedoch in der Musik Papagenos.<br />

Mozarts einfache volkstümliche Melodien<br />

passen perfekt zu Schikaneders in Knittelverse<br />

verpackten naiven Sprichwörtern und sind in<br />

seinem gesamten Schaffen einzigartig. Für<br />

Papagenos Musik scheint er eine melodische<br />

Quelle angezapft zu haben, die wir als typisch<br />

wienerisch erkennen. Unmittelbar nachdem er<br />

die Wirkung seines magischen Glockenspiels<br />

getestet hat, singt Papageno mit Pamina ein<br />

Lied, das beginnt “Könnte jeder brave Mann”<br />

(“Armed with such a magic charm”). Diese<br />

Melodie wurde später in verschiedenen<br />

Formen von österreichischen Komponisten<br />

von Schubert bis Mahler sowie auch von dem<br />

Bayern Richard Strauss verwendet, der damit<br />

dem Finale seines Rosenkavalier einen Wiener<br />

Anstrich verleihen wollte. Diese besondere<br />

Qualität ist allen von Papageno gesungenen<br />

Melodien zu eigen, und zwar gleichermaßen<br />

seinen solistischen Partien und seinen<br />

Duetten. Beethoven muß das zutiefst<br />

Deutsche in Papagenos Melodien gespürt<br />

haben, als er sie für Leonores zwei große<br />

Duette in Fidelio zur Vorlage wählte.<br />

Wie hat all dies unsere Interpretation der<br />

Zauberflöte beeinflußt? Die Oper ist in ihrer<br />

ganzen scheinbaren Einfachheit eines der<br />

komplexesten Werke ihres Schöpfers, und ihre<br />

Interpreten haben der Musik gewöhnlich eine<br />

erhabene, erbauende Stimmung verliehen,<br />

41<br />

besonders seit sie sie rückblickend als<br />

Inspirationsquelle solch großer Eckpfeiler der<br />

deutschen Kunst sehen wie Beethovens<br />

Neunter Sinfonie oder Wagners Meistersinger.<br />

Selbst recht früh schon in der Geschichte der<br />

Zauberflöte protestierte Nissen, der spätere<br />

Ehemann von Constanze Mozart, gegen das<br />

extrem langsame Tempo, das Kapellmeister<br />

gewöhnlich für Paminas Arie “Ach, ich fühl’s”<br />

(“Now I know that love can vanish”) wählten.<br />

Dies war zuerst 1815 von einem gewissen<br />

Gottfried Weber erwähnt worden, der die Arie<br />

“langweilig” fand, wenn sie langsam gespielt<br />

wurde, und daher ein Tempo vorschlug, das<br />

in modernen metronomischen Begriffen<br />

MM = 132 pro Achtelnote entspricht. Drei<br />

Monate später erreichte die Musikzeitschrift,<br />

für die Weber schrieb, eine (leider anonyme)<br />

Antwort, deren Verfasser bestätigte, die<br />

Zauberflöte unter Mozarts Leitung gehört zu<br />

haben, der die Arie in der Tat schnell und<br />

leidenschaftlich genommen hatte. Der<br />

anonyme Korrespondent erwähnte außerdem,<br />

daß zum Zeitpunkt seines Schreibens (1815)<br />

die Tempoangaben Andante und C| (Alla breve)<br />

im Vergleich mit Mozarts Praxis viel zu<br />

langsam interpretiert würden.<br />

Diese Zeugnisse geben uns wertvolle<br />

Einblicke in Mozarts Tempi, und in

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