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II. „ZWEI MANN IN EINEM BOOT“ 1 UND IHRE SPRACHKENNTNISSE<br />

Vorab einige für die Übersetzung relevante Angaben zum Hintergrund<br />

der Erzählung:<br />

Die Reise selbst fand Ende August 1978 statt, die Erzählung entstand erst<br />

elf Jahre später. 2 Dies schließt unter anderem ein, dass die Passagen, die dialektale<br />

Einsprengsel enthalten, vom Autor und Erzähler rekonstruiert wurden – es handelt<br />

sich somit nicht um originale, mittels Tonband fixierte Texte. Dies setzt voraus,<br />

dass der Erzähler selbst des siebenbürgischen Dialektes, genauer gesagt dessen<br />

entlang des Someş in der Region von Dej, mächtig sein muss. Dies verifiziert er,<br />

indem er selbst im Dialog mit dem Bauern den Dialekt kompetent, authentisch und<br />

überzeugend verwendet.<br />

III. SYMPTOMATISCHE FUNKTION DER SPRACHE UND IHRE ÜBERSETZUNG<br />

Der Einsatz dialektaler Varietäten in gemeinsprachlichen, belletristischen<br />

Texten stellt eine allgemein bekannte Strategie, eine literarische Technik dar, die<br />

oft von den Autoren insbesondere zum Zwecke der Charakterisierung der<br />

literarischen Figuren verwendet wird. 3 Diese Form von Mehrsprachigkeit stellt<br />

allerdings – nicht anders als die Texte, die fremdsprachliche Elemente enthalten –<br />

ein Problem bei der Übersetzung dar, insofern, als zwar die gemeinsprachlichen<br />

Passagen der Ausgangssprache norm- und finalitätsgerecht in die Zielsprache<br />

übersetzt werden können, dies für die dialektalen Intarsien jedoch nicht ohne<br />

Weiteres – und falls doch, nicht ohne Verluste – gilt. In der Übersetzungstheorie<br />

wird die Übersetzung von Dialektalismen im Rahmen der symptomatischen<br />

Funktion der Sprache behandelt. Diese Funktion – gelegentlich auch ‚Konnotation‘<br />

genannt – besteht darin, dass bestimmte sprachliche Fakten gewisse Eigenschaften<br />

ihrer Sprecher evozieren, so wie die Wolken im Allgemeinen auf Regen hinweisen<br />

und das Fieber auf Krankheit, genauso kann man bestimmte sprachliche Fakten mit<br />

anderen sprachlichen Fakten assoziieren (nach dt. mit erwartet man in deutschen<br />

1 In Anspielung auf Jerome Kelly Jeromes berühmten Roman Three Men in a Boat, 1889.<br />

2 Ein anderes Schicksal erfuhr das Buch von Marco Polo (1254-1324), der zwischen 1298 und 1299<br />

eine Reise nach China unternahm. Da er während der Reise selbst kein Tagebuch geführt hat und er<br />

erst 20 Jahre später einem Zellengenossen – der die Geschichte sodann aufgeschrieben hat, was eine<br />

spätere Veröffentlichung ermöglichte –von seinem Abenteuer berichtete, enthält Il milione seinerseits<br />

keinerlei fremdsprachige oder gar dialektale Intarsien. Konträr hierzu verhält es sich bei dem<br />

Reisebericht Antonio Pigafettas (1480-1534), der von der erster Weltumsegelung unter Ferdinand<br />

Magellan (1519-1522) mit einer für damalige Verhältnisse detaillierten und akribisch geführten<br />

Wortliste, die brasilianische, patagonische, philippinische und indonesische Begriffe – immerhin<br />

insgesamt etwa 600! – enthielt, zurückkehrte und auf dieser Grundlage seinen berühmten Reisebericht<br />

Il primo viaggio intorno al mondo vorlegen konnte.<br />

3 Dies gilt allerdings lediglich für Sprachgemeinschaften, die die diatopische Varietät in Form von<br />

Dialekten und Mundarten aufweisen. Zahlreiche asiatische Sprachgemeinschaften unterscheiden sich<br />

im Vergleich mit denen Europas vor allem durch die diastratische und weniger durch ihre diatopische<br />

Varietät.<br />

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