10 April 2008Brecht lässt Kopftücher rutschen inKabul06. September 2007 Dubai International Airport - nicht das Glitzerteil mitseiner verrückten Mischung aus künstlichen Palmenpromena<strong>de</strong>n undLuxusboutiquen, Alkoho<strong>la</strong>usschank und tief verschleierten Frauen,son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r weitab liegen<strong>de</strong> Terminal 2 mit <strong>de</strong>n Flügen in Krisenregionen.Für die Maschine nach Bagdad sind ausschließlich Männer gebucht; siesehen aus wie Söldner in Zivil und sind meist Amerikaner. Der Flug nachKabul hat weniger Amerikaner, mehr Frauen und sogar Kin<strong>de</strong>r. Das istirgendwie beruhigend, und dass man die Wasserf<strong>la</strong>sche <strong>du</strong>rch alleSicherheitskontrollen hin<strong>du</strong>rch behalten darf, angesichts <strong>de</strong>r mör<strong>de</strong>rischenTemperaturen ein Akt <strong>de</strong>r Barmherzigkeit.Der erste Eindruck von Kabul ist überraschend friedlich: Staub undBazargetümmel, Maultierkarren neben schweren Gelän<strong>de</strong>wagen,Verkehrsstaus und Frauen in b<strong>la</strong>uen Burkas. Im Zentrum verkaufen Kin<strong>de</strong>rKaugummi, wischen Autoscheiben o<strong>de</strong>r betteln, in <strong>de</strong>n Wohnvierteln<strong>la</strong>ssen sie ihre Drachen steigen. Natürlich gibt es überall Wachposten undSicherheitsschleusen, und an <strong>de</strong>r Hoteleinfahrt wird die Unterseite <strong>de</strong>sAutos mit Spiegeln kontrolliert - trotz<strong>de</strong>m ist <strong>de</strong>r Alltag stärker als dieAngst.Gelebter SurrealismusJe mehr man von <strong>de</strong>r Stadt ent<strong>de</strong>ckt, <strong>de</strong>sto schärfer wird <strong>de</strong>r Blick aufschwarze Mauern mit Splitterschutz und Stacheldraht, gepanzerteFahrzeuge und Straßensperren. Die Woche in Kabul wird zu einer Schule<strong>de</strong>s Sehens, bei <strong>de</strong>r die innere Kamera zwischen orientalisch Exotischemund martialisch Erschrecken<strong>de</strong>m hin- und herschwenkt. Bei<strong>de</strong>s zurDeckung zu bringen gelingt erst nach ein paar Tagen und nur da<strong>du</strong>rch,dass man abstumpft. Und wenn man das Glück hat, im Kabul Serena zuwohnen, <strong>de</strong>m luxuriösesten und sichersten Hotel <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, das wie eineInsel <strong>de</strong>r Seligen aus <strong>de</strong>r Kriegszerstörung herausragt, dann kommt man
sich spätestens am sonnenüberfluteten Swimmingpool wie im Ur<strong>la</strong>ub vor.Gelebter Surrealismus.Solche Absurditäten bestimmen Kabul, das Großstadtdorf aus Bitterkeitund Hoffnung mit vermutlich vier Millionen Einwohnern. Nur wenigeStraßen sind asphaltiert, viele Häuser noch in Schutt und Asche, dieViertel am Berghang haben kein Wasser, Elektrizitätsausfälle sind an <strong>de</strong>rTagesordnung. Was Stadt und Land am meisten brauchen, das weiß je<strong>de</strong>r,ist Stabilität, Normalität und Wie<strong>de</strong>raufbau. Und die kriegen sie auch,vielleicht zu wenig und sicher zu <strong>la</strong>ngsam, aber es geschieht, und das istpositiv.Inhalt geht vor FormEin Steinchen im Puzzlebild <strong>de</strong>s neuen Afghanistan ist das Theaterfestival,das seit 2004 alljährlich stattfin<strong>de</strong>t und in seiner vierten Saison fünfzigVorstellungen aus allen Teilen <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s präsentiert. Es sindAufführungen, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Inhalt wichtiger ist als die Form, meist nichtlänger als dreißig Minuten, ohne Bühnenbild und Technik. KnappeGeschichten, die von Krieg und Gewalt han<strong>de</strong>ln, vonFrauenunterdrückung, Polizeikorruption o<strong>de</strong>r Aberg<strong>la</strong>uben - politischengagiertes Amateurtheater, das die Wun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s vorzeigt undmanchmal auch <strong>de</strong>ren Heilung. Es wird vorwiegend von Männern gespielt,aber es gibt ein paar Frauengruppen, bei <strong>de</strong>nen junge Mädchen mit vielLust und ein bisschen Rache böse o<strong>de</strong>r <strong>du</strong>mme Männer darstellen. Und esgibt Aufführungen, die <strong>du</strong>rch ihre Direktheit große Kraft entwickeln, so diefast Dario-Fo-reife Terror-Komödie „What for?“ aus <strong>de</strong>r Provinz Nangarharo<strong>de</strong>r „Dissent“ aus <strong>de</strong>r Provinz Bakh, die Sowjetbesetzung, Bürgerkriegund Talibandiktatur anrührend als Pantomime darstellt.Seltene Chance, <strong>de</strong>n Alltag zu vergessenDie meisten Stücke sind selbstgeschrieben und han<strong>de</strong>ln vom Alltag mitseinen großen Problemen und kleinen Freu<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>r blutigenVergangenheit und <strong>de</strong>r Sehnsucht nach Gerechtigkeit. Die Stu<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>rFaculty of Fine Arts <strong>de</strong>r Kabul University versuchen sich an Heiner Müllers„Horatiern“, an Tschechow-Novellen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r „Mandrago<strong>la</strong>“ vonMachiavelli, aber ihre Arbeiten gehören zu <strong>de</strong>n schwächsten. Bei <strong>de</strong>nSchauspielern <strong>la</strong>ssen sich <strong>du</strong>rchaus Begabungen erkennen, aber Regiefin<strong>de</strong>t nicht statt. Denn das neu erstan<strong>de</strong>ne afghanische Theater steht
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