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Textus - Szabó Lőrinc

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wen sie etwa verführt hat, der schaue, was ihm Hoffnung und<br />

Hilfe gibt: durch leichte Buße wird er von schwerer Sünde<br />

befreit. Das bedenkt, ihr Ritter! es geht euch an! Ihr tragt die<br />

strahlenden Helme und manchen harten Panzer, dazu die festen<br />

Schilde und die geweihten Schwerter. Wollte Gott, auch ich wäre<br />

dieses Triumphes würdig! Dann könnte ich, arm an geistlichem<br />

und irdischem Gut, mir reichen Sold verdienen. Damit meine ich<br />

wahrlich nicht die Güter oder das Gold der Fürsten: ich möchte<br />

der Seligkeit Krone ewiglich tragen; die konnte einst jener<br />

Söldner (Longinus) mit seiner Lanze erlangen. Könnte ich die<br />

willkommne Kriegsfahrt übers Meer tun, so würde ich dann<br />

Heil! singen und niemals mehr: Wehe! Niemals mehr: Wehe!<br />

[P. HASE]:<br />

[O weh, wohin entschwand mir Jahr, und Jahr um Jahr!…] 142<br />

O weh, wohin entschwand mir Jahr, und Jahr um Jahr!<br />

Träumte ich mein Leben oder ist es wahr?<br />

Was ich als wirklich wähnte, war das Wirklichkeit?<br />

Demnach hab ich geschlafen, und wußte nicht Bescheid.<br />

Nun bin ich wach geworden und mir ist unbekannt<br />

Was mir zuvor bekannt war wie die eigne Hand.<br />

Land und Leut in deren Mitte ich erzogen<br />

Die sind mir fremd geworden als sein sie nur gelogen.<br />

Mit denen ich einst spielte, die sind träg und alt.<br />

Beackert ist das Feld, geschlagen ist der Wald.<br />

Nur grad das Wasser fießt noch wie früher vor mir her,<br />

Es wäre sonst mein Schicksal bei Gott auch allzu schwer!<br />

Mich grüßte mancher früher der heute von mir läuft.<br />

Die Welt ist allenthalben mit Undank vollgehäuft.<br />

So denke ich an manchen wunderschönen Tag<br />

Der mir ist entglitten<br />

Immerdar o weh…<br />

wie in das Meer ein Schlag,<br />

Wie kümmerlich bewegen die jungen Leut sich heut,<br />

Die einst sehr glücklich waren und voller Freudigkeit.<br />

Die kennen nur noch Sorgen. Warum sind sie wohl so?<br />

Wohin ich mich auch wende, ich finde niemand froh.<br />

Man sehe wie die Mode der Damen hat verloren.<br />

Die stolzen Ritter gehen wie auf dem Dorf die Toren.<br />

Singen ist und Tanzen in Sorgen hingefahren.<br />

Kein Christenmensch erlebte je solche Jammerscharen.<br />

Dazu ist böse Botschaft den Weg von Rom gekommen,<br />

Reißt auf die Trauerpforten, hat alle Freud genommen.<br />

Das schmerzt mich in der Seele – wir lebten einst nicht schlecht –,<br />

Daß ich mein Lachen tauschte und erbte Trauerrecht.<br />

Die Vögel in der Wildnis betrübt selbst unsre Klage.<br />

Was ist es da groß Wunder, wenn gleichfalls ich verzage.<br />

Jedoch – was klag ich töricht mit meinem Zorneswort:<br />

Wer diese Welt verherrlicht, verliert die andre dort;<br />

Immer und allezeit.<br />

Ach wie mich vor der Süße des Giftetranks erschauert.<br />

Ich seh die bittre Galle die in dem Honig lauert.<br />

Die Welt ist schön von außen, ist hell und bunt und rot,<br />

Und innen ist sie dunkel und finster wie der Tod.<br />

Doch dem, den sie verführte winkt Trost jetzt, wer er sei:<br />

Mit leichter Bußesleistung wird er von Sünden frei.<br />

Daran gedenkt, ihr Ritter, es ist euer Ding:<br />

Ihr tragt die hellen Helme und manchen Panzerring,<br />

Ihr tragt die festen Schilde, die Schwerter sind geweiht.<br />

Wollte Gott, für mich auch wär noch Ritterzeit!<br />

Dann würd ich, der ich arm bin, verdienen reichen Sold.<br />

Ich meine keine Länder und nicht der Fürsten Gold:<br />

Der Seligkeiten Krone würd ich ewig tragen:<br />

Longinus konnte einst sie mit seinem Speer erjagen.<br />

Dürft die ersehnte Fahrt ich mitfahren über See,<br />

So sänge ich ein Danklied, und nimmer mehr »o weh«,<br />

Nimmer mehr »o weh«.<br />

[FRIEDRICH MAURER]:<br />

Die „Elegie” 144<br />

O weh, wohin sind alle meine Jahre entschwunden!<br />

habe ich mein leben geträumt oder ist es wahr?<br />

was ich für wirklich gehalten habe, war das wirklich etwas?<br />

Dann habe ich geschlafen und weiß nichts davon.<br />

142 WG.284-285<br />

143 DLF.529,531,533<br />

144 DGV.345-347<br />

145 DDM.653,655<br />

aber innen ganz schwarz, düster wie der Tod.<br />

Wen sie schon verführt hat, der suche nach Hilfe;<br />

Er wird schon durch etwas Buße aus großen Sünden erlöst.<br />

Denkt daran, Ritter: es geht um euere Sache.<br />

Ihr tragt die schimmernden Helme und die Ringpanzer,<br />

dazu die festen Schilde und die geweihten Schwerter.<br />

Wollte Gott, daß ich eines siegreichen Kampfes wert wäre!<br />

So wollte ich armer Mann mir reichen Lohn verdienen.<br />

Doch meine ich weder Acker noch das Gold der Herren,<br />

ich wollte für immer die Himmelskrone tragen;<br />

die konnte sogar ein Soldritzter mit seinem Speer erringen.<br />

Könnte ich an dem ersehnten Zug über das Meer teilnehmen,<br />

so wollte ich frühlich singen und niemals mehr: O weh!<br />

20<br />

[MARGHERITA KUHN]:<br />

O weh, wohin sind entschwunden 143<br />

O weh, wohin sind entschwunden alle meine Jahre?<br />

Habe ich mein Leben geträumt, oder ist es wahr?<br />

Was ich immer für wirklich hielt, war es das?<br />

Demnach hab ich geschlafen und weiß es nicht.<br />

Nun bin ich erwacht, und es ist mir fremd,<br />

was mir zuvor vertraut war wie meine eigene Hand.<br />

Leute und Land, in dem ich von Kind an aufgewachsen bin,<br />

die sind mir fremd geworden, als ob es bloß erlogen wär’.<br />

Die meine Spielgefährten waren, sie sind träge und alt.<br />

Felder sind entstanden, abgehauen der Wald,<br />

wenn nicht das Wasser flösse, wie es einst floß,<br />

wahrhaftig, ich glaubte, mein Unglück wäre groß.<br />

Mich grüßen viele zögernd, die mich einst gut gekannt.<br />

Die Welt ist allenthalben voller Undank.<br />

Wenn ich gedenke der vielen freudenreichen Tage,<br />

die für mich verloren sind<br />

dann: o weh für alle Zeit.<br />

wie ein Schlag ins Meer,<br />

O weh, wie trostlos sich die jungen Leute geben,<br />

die einst so höfisch waren und stolz!<br />

Sie kennen nichts als Sorgen. Ach, warum benehmen sie sich so?<br />

Wohin in der Welt ich mich wende, da ist niemand froh:<br />

Tanzen und Singen gehen in Sorgen unter.<br />

Niemals sah ein Christ solch jammervolle Jahre.<br />

Nun schaut her, wie den Damen ihr Kopfputz steht!<br />

Die stolzen Ritter tragen bäurisches Gewand.<br />

Uns sind barsche Briefe aus Rom gekommen,<br />

Trauern ist uns erlaubt, die Freude ganz genommen.<br />

Das bekümmert mich tief (wir lebten immer so froh),<br />

daß ich nun für mein Lachen das Weinen eintauschen soll.<br />

Die Vögel in der Wildnis betrübt unsere Klage,<br />

ist es da ein Wunder, wenn ich darüber verzage?<br />

Ach, was sage ich Tor in meinem bösen Zorn?<br />

Wer hiesiger Freude nachgeht, hat jene dort verloren,<br />

dann: o weh für alle Zeit.<br />

O weh, wie wir mit süßen Dingen vergiftet sind!<br />

Ich sehe die bittere Galle mitten im Honig schwimmen:<br />

Die Welt ist außen schön, weiß, grün und rot,<br />

und innen von schwarzer Farbe, finster wie der Tod.<br />

Wen sie hier verführt hat, der sehe, was ihm helfen kann:<br />

Er wird durch geringe Buße von schweren Sünden erlöst.<br />

Daran denkt, ihr Ritter, das geht euch an!<br />

Ihr tragt die blitzenden Helme und viele harte Panzer,<br />

dazu die festen Schilde und die geweihten Schwerter.<br />

Wollte Gott, ich wäre der Siege wert!<br />

So würde ich armer Mensch reichen Lohn verdienen.<br />

Jedoch meine ich nicht die Güter noch der Herren Gold:<br />

Ich wollte selbst die Krone in alle Ewigkeit tragen;<br />

Die konnte ein Söldner mit seinem Speer erjagen.<br />

Könnte ich die glückbringende Fahrt übers Meer unternehmen,<br />

so würde ich dann freudig singen und niemals mehr: o weh.<br />

[JÖRG SCHAEFER]:<br />

[Ach, wohin sind alle meine Jahre gegangen?…] 145<br />

Ach, wohin sind alle meine Jahre gegangen? Mein Leben – hab’<br />

ich es nur geträumt, oder ist es wahr? All die Dinge, die ich für<br />

wirklich hielt, hat es sie denn gegeben? Ich muß geschlafen<br />

haben, doch weiß ich’s nicht. Jetzt bin ich erwacht, und was mir

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