Untitled
Untitled
Untitled
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Alrtuelles<br />
Der Reaktorunfall von Tchernobyl<br />
und seine Auswirkungen auf Luxemburg<br />
Mit einigen Zeilen soll hier versucht<br />
werden, den Einfluß der Radioaktivität<br />
auf unsere einheimischen<br />
Lebensmittel zu umreißen<br />
und einige Tatsachen klarzustellen.<br />
Vor diesem Unterfangen müssen<br />
jedoch einige Begriffe aus dem<br />
Strahlenschutz erklärt und erläutert<br />
werden.<br />
Aktivität<br />
Grundlagen<br />
Die physikalische Maßeinheit für<br />
die Radioaktivität ist das Becquerel<br />
(Bq);<br />
ein Bequerel ist der Zerfall eines<br />
Atomkerns pro Sekunde [alte Einheit:<br />
Curie(Ci) 'l Ci :3,7x1OtoBql.<br />
Dosis<br />
Ein einfacher Zusammenhang<br />
zwischen der Aktivität und der Bestrahlungsdosis,<br />
den diese Strahlung<br />
im Körper verursachen kann<br />
besteht leider nicht. Ein Teil der<br />
Strahlung wird im Körpergewebe<br />
absorbiert und kann chemische<br />
und molekulare Veränderunoen im<br />
Gewebe hervorrufen.<br />
Die Dosis, die von einer gewissen<br />
Aktivität verursacht wird, hängt<br />
von einer Vielzahl von Parametern<br />
ab, z.B. Art des Strahlers, Gewebetyp<br />
(Muskel, Keimzelle, Lymphdrüse...<br />
usw.), vom kritischen Organ<br />
in dem die Radioaktivität angereichert<br />
werden kann, von der Energie<br />
des Strahlers, vom Alter und<br />
vom Geschlecht der betroffenen<br />
Person, von der physikalischen<br />
und biologischen Halbwertszeit<br />
des Strahlers usw.<br />
Die Dosis wird ausgedrückt in<br />
der Einheit rem (radiation equivalent<br />
man) (1/1000 rem: 1 millirem).<br />
Das rem ist eine alte Dosiseinheit,<br />
die aber noch benutzt wird. Die<br />
neue Einheit lautet Sievert (Sv) 1 Sv<br />
:100 rem.<br />
Die Belastungsgefährdung für<br />
die Bevölkerung (Schilddrüsenkrebs,<br />
Leukämie... usw.) beruht auf<br />
den Erkenntnissen, die gewonnen<br />
wurden aufgrund der überirdischen<br />
Atombombenexolosionen<br />
(Bikini-Atoll, Hiroshima, Nagasaki,<br />
Nevada-Wüste), der medizinischen<br />
Strahlentherapie- und Diagnostik,<br />
den Laborversuchen usw<br />
Halbwertszeit<br />
Als physikalische Halbwertszeit<br />
einer radioaktiven Substanz wird<br />
die Zeit definied, in der gerade die<br />
Hälfte der ursprünglich vorhandenen<br />
Atome zerfallen ist. Nach zwei<br />
Halbwertszeiten ist nur noch ein<br />
Viertel, nach 3 Halbwertszeiten ein<br />
achtel der Atome vorhanden.<br />
Die Halbwertszeit ist vom lsotoo<br />
abhängig. So hat lod-131 eine physikalische<br />
Halbwertszeit von 8 Tagen,<br />
Cäsium-134 von 2 Jahren und<br />
Cäsium-137 von 30 Jahren.<br />
Die lsotope die in den menschlichen<br />
Körper gelangen werden, je<br />
nach lsotop, verschieden aufgenommen<br />
und verteilt. So wird z.B.<br />
lod-131 in dem sogenannten kritischen<br />
Organ, der Schilddrüse angereichert<br />
und fixiert. Die biologische<br />
Halbwertszeit im Köroer entspricht<br />
der physikalischen Halbweftszeit.<br />
Cäsium-'137 "hat zwar<br />
eine physikalische Halbwertszeit<br />
von 30 Jahren, wird jedoch im Gegensatz<br />
zum lod-131 im Körper<br />
nicht angereichert sondern über<br />
den Metabolismus laufend wieder<br />
ausgeschieden. Die biologische<br />
Halbwertszeit für Cäsium-137<br />
liegt, je nach Alter, zwischen 100-<br />
120Tagen.<br />
Die Radioaktivität<br />
in den luxemburgischen<br />
Lebensmitteln<br />
Über die oflanzlichen und tierischen<br />
Lebensmittel, die radioaktive<br />
Stoffe enthalten, gelangen<br />
diese in den menschlichen Oroantsmus.<br />
Die wichtigsten Belastungspfade<br />
für den Menschen sind der<br />
Pflanzen-Mensch-Pfad, der<br />
Weide-Kuh-Milch-Mensch-Pfad<br />
und der Weide-Fleisch-Mensch-<br />
Pfad.<br />
Die Aufnahme der auf dem Boden<br />
abgelagerten Radioaktivität<br />
durch die Ptlanze ist abhängig von<br />
Pflanzenart, Alter der Pflanze, Bodenart,<br />
Bodenstruktur, Feuchtigkeit,<br />
Temperatur, Nährstoffgehalt<br />
und Nährstoffzusammensetzung.<br />
Die Aufnahme von Radioaktivität<br />
im Tier bzw. im Menschen ist abhängig<br />
von Art, Alter, Ernährungszustand,<br />
Vitaminversorgung, Spurenelementversorgung,<br />
Klima und<br />
vielen anderen Faktoren.<br />
Aufgrund der in Luxemburg<br />
durchgeführten Untersuchungen<br />
ergibt sich etwa folgendes Bild:<br />
- Der Pfad Pflanze-Mensch durch<br />
Gemüse und Obst, ist in Luxemburg<br />
nur gering belastet.<br />
- Etwas anders sieht es bei den<br />
anderen Belastungspfaden aus.<br />
Mit dem Regen hatten sich die<br />
radioaktiven Stoffe auf dem<br />
Gras abgelagert. Durch das Abweiden<br />
gelangt ein Teil dieser<br />
Radioaktivität in die Milch und in<br />
das tierische Fleisch. Derzeit<br />
liegt die Cäsium Aktivität in der<br />
Milch bei etwa 15 Bq/|, bei Bindfleisch<br />
bei etwa 20 Bq/kg. Das<br />
einzige Fleisch das im Augenblick<br />
stärker belastet ist. ist Rehfleisch.<br />
Die höhere Belastung<br />
beim Wild ist vermutlich auf die<br />
Freßgewohnheiten dieser Tiere<br />
zurückzuführen, bzw. auf die besondere<br />
Beschaffenheit des<br />
Muskelfleisches. Hier liegen die<br />
Werte für Cäsium zwischön 85-<br />
830 Bq/kg, der Durchschhitt jedoch<br />
bei nur 200-300 Bq/kg.<br />
Die zur Zeit hohe Aktivität im<br />
Wildfleisch ist zum größten Teil auf<br />
das, durch den radioaktiven Regen<br />
direkt kontaminierte Gras zurückzuführen.<br />
Das Cäsium im tierischen<br />
Fleisch wird sich in'näbhster Zeit<br />
abbauen, da zum einen die Zufuhr<br />
von radioaktivem Cäsium sehr viel<br />
geringer sein wird, zum anderen<br />
die biologische Halbwertszeit von<br />
Cäsium im Wild auf etwa 30 Tage<br />
geschätä wird. Ubrigens wird<br />
durch das Einfrieren von Wildfleisch<br />
der Cäsiumgehalt nicht verringert<br />
(die Halbwertszeit liegt bei<br />
30 Jahren).<br />
So wie sich der Verbraucher,<br />
auch noch in letzter Zeit, beim Verzehr<br />
von Blattgemüsen eingeschränkt<br />
hat, obwohl dafür kein<br />
Grund vorliegt, wird er sich voraussichtlich<br />
auch beim Verzehr von<br />
Wildfleisch zurückhalten. Aus wirtschaftlichen<br />
Erwägungen ist deswegen<br />
den Jägern zu empfehlen,<br />
den Bock-Abschuß für die laufende<br />
Jagdperiode vom 1. Juni bis<br />
15. Juli einzuschränken oder besser<br />
einzustellen, da er für das erlegte<br />
Wild nur wenige Abnehmer<br />
finden wird. Außerdem hat das lebende<br />
Wild die Möglichkeit das radioaktive<br />
Cäsium auszuscheiden,<br />
so daß sich im Herbst die Lage<br />
sehr wesentlich gebessed hat.<br />
Sollte man nun auf den Verzehr<br />
von Rehwild gänzlich verziöhten?<br />
Um diese Frage zu beantworten,<br />
muß man die Eßgewohnheiten der<br />
Menschen genauer untersuchen<br />
und den Gehalt des Cäsiums im<br />
Wildfleisch mit dem Gehalt an natürlichen<br />
radioaktiven Stoffen in<br />
den Lebensmitteln vergleichen.<br />
Eines der wichtigsten Spurenelemente<br />
die in der Ernährungskette<br />
eine Rolle spielen ist Kalium. Natürliches<br />
Kalium besteht aus einem<br />
gewissen Prozentsatz aus radioaktivem<br />
Kalium-40, mit einer physikalischen<br />
Halbwertszeit von etwa 1,3<br />
Milliarden Jahren. Dieses radioaktive<br />
Kaliüm-40 ist im menschlichen<br />
Körper relativ gleichmäßig verteilt.<br />
Bei einem Menschen von 70 kg<br />
zerfallen im Köroer etwa 5000 Kalium-Atomd'pro<br />
Sekunde. Cäsium-<br />
134 und Cäsium-137 verhalten sich<br />
physiologisch gesehen, genau wie<br />
das radioäktive Kalium-40.<br />
Alle Lebensmittel enthalten mehr<br />
oder weniger viel Kalium. So liegt<br />
der Kalium-Gehalt der Milch bei<br />
30-50 Bq/|, Rindfleisch bei 130 Bq/<br />
kg, Reh bei 105 Bq/kg, Spinat bei<br />
230 Bq/kg und Petersilie sogar bei<br />
330 Bq/kg.<br />
Vergleicht man diese Werte mit<br />
dendn des Cäsiums beim Rehwild,<br />
so liegt kein Grund vor, dieses<br />
Fleisch äls ungenießbar; ja sogar<br />
als verseucht zu betrachten. Man<br />
sollte sich lediglich bewußt sein,<br />
daß das Fleisch, verglichen mit<br />
dem natürlichen Kalium, eine etwas<br />
erhöhte Radioaktivität aufweist.<br />
Es sollte auch klargestellt werden,<br />
daß Wildfleisch in der Diät des<br />
Durchschnittsbürgers keine sehr<br />
große Rolle spielt, verglichen mit<br />
anderen Fleischsorten oder mit<br />
Milchprodukten. So enthält eine<br />
200 Gramm-Portion Wildfleisch,<br />
belastet"mit 400 Bq/kg Cäsium<br />
etwa die gleiche Menge Aktivität<br />
wie etwa 5 Liter Milch, belastet mit<br />
15 Bq/l Cäsium.<br />
Aus diesen Gründen liegt in<br />
Luxemburg kein Grund voL den<br />
Yezehr von Wildfleisch prinzipiell<br />
zu verbieten. Es sei jedoch darauf<br />
hingewiesen, daß entsprechend<br />
den gesetzlichen Vorschriften vom<br />
Ministerrat der EG, alle Lebensmittel<br />
die aus Drittländern eingeführt<br />
werden 600 Bq/kg für Cäsium nicht<br />
überschreiten dürfen. Bei Milchprodukten<br />
und Ernährungsmitteln<br />
für Kleinkinder liegt der Toleranzwert<br />
bei 370 Bq/kg. DieseToleranzgrenzen<br />
werden auch für einheimische<br />
Lebensmittel angewendet,<br />
d.h. daß Wildfleisch nur zum Verkauf<br />
anglrboten werden darf, wenn<br />
es wryriger als 600 Bq/kg Cäsium<br />
enthält.<br />
Der luxemburgische Strahlenschutzdienst<br />
steht für weitere Auskünfte<br />
zur Verfügung. Telefon:<br />
445570/71 /72.