Jahresbericht 2009 - Elisabeth-Krankenhaus Essen
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Die hohe Kunst<br />
der Improvisation<br />
Es ist ein vielfältiges Spektrum, das<br />
Volkmar Bongers und sein Team bei<br />
der täglichen Behandlung von Arterien,<br />
Venen und Lymphgefäßen abdecken:<br />
Von relativ leicht zu therapierenden<br />
Durchblutungsstörungen in<br />
den Händen bis hin zu komplexen Fällen,<br />
bei denen Patienten durch angiologische<br />
Improvisation zu einem fast<br />
normalen Leben verholfen wird. Zur<br />
ersten Kategorie gehören beispielsweise<br />
funktionelle Durchblutungsstörungen,<br />
von denen etwa zehn Prozent<br />
der Frauen in Deutschland betroffen<br />
sind. „Die Erkrankung ist zwar<br />
schmerzhaft, aber gut in den Griff zu<br />
bekommen. Die Krux hierbei liegt in<br />
der geringen Beachtung der medizinischen<br />
Fachwelt für die Erkrankung“,<br />
so Dr. Bongers. Er bietet als einer der<br />
wenigen Fachärzte in Deutschland eine<br />
Sprechstunde an, die sich speziell<br />
an diese Patientengruppe wendet.<br />
Am anderen Ende der Skala liegt<br />
der Fall einer 39-Jährigen, die vor drei<br />
Jahren aufgrund eines inoperablen<br />
Gebärmutterhalskrebses intensiv am<br />
Becken bestrahlt wurde. Die Arterien<br />
nahmen durch die Röntgenstrahlen<br />
und die Chemotherapie massiven<br />
Schaden, das rechte Bein wurde kaum<br />
noch durchblutet, die Patientin war<br />
auf den Rollstuhl angewiesen.<br />
Um das Bein zu erhalten, mussten<br />
Dr. Bongers und Prof. Kniemeyer, Leiter<br />
der Klinik für Gefäßchirurgie und<br />
Phlebologie, tief in die Trickkiste greifen.<br />
„Das Gewebe im Unterleib war<br />
so verwachsen, dass wir zunächst weder<br />
kathetertechnisch noch operativ<br />
therapieren konnten. Wir standen vor<br />
der Entscheidung operativ einen langen<br />
Bypass über die Achselschlagader<br />
(Arteria axillaris) zu legen – eine Maßnahme,<br />
die der Patientin nur begrenzt<br />
geholfen hätte – oder doch noch einen<br />
Zugang für eine Katheterintervention<br />
zu finden, um der Patientin dauerhaft<br />
zu helfen. Unsere Lösung bestand<br />
darin, die Leiste chirurgisch zu<br />
öffnen, einen Einführungskatheter<br />
über eine verschlossene Beckenader<br />
von unten bis zur Aorta zu führen und<br />
die Arterie mit Stents zu versorgen.<br />
Nach zwei Tagen konnte die Patientin<br />
beschwerdefrei das <strong>Krankenhaus</strong><br />
verlassen.“ Solche gemeinsamen Eingriffe<br />
der Angiologie und Gefäßchirurgie<br />
verdeutlichen den Wert vernetzter<br />
Arbeit im <strong>Elisabeth</strong>-<strong>Krankenhaus</strong>.<br />
Dieser ungewöhnliche Einsatz war<br />
einer von rund 350 Gefäßinterven-<br />
tionen, die jährlich in der Abteilung für<br />
Angiologie durchgeführt werden. Bei<br />
300 davon legt Dr. Bongers – seines<br />
Zeichens nicht nur Angiologe, sondern<br />
auch Internist, Kardiologe, Intensivmediziner<br />
und Hämostaseo-<br />
loge – selbst Hand an. „Die invasive<br />
Angiologie greift immer mehr auf moderne<br />
Techniken zurück, weil wir heute<br />
in der Lage sind, viele Eingriffe, die<br />
früher nur operativ möglich waren,<br />
über kleinste Zugänge durch die Haut<br />
vorzunehmen. Dafür ist es jedoch notwendig,<br />
ein umfassenderes Verständnis<br />
der Möglichkeiten über den eigenen<br />
Fachbereich hinaus zu erlangen.“<br />
Ebenfalls auf umfassende Kenntnisse<br />
greift Dr. Roland Heesen zurück,<br />
der für den Bereich vaskulärer Ultraschall<br />
von der DEGUM speziell zertifiziert<br />
ist. „Die meisten Fragestellungen<br />
Dr. Volkmar Bongers<br />
lassen sich heute mit patientenschonendem<br />
Ultraschall abklären“, erklärt<br />
Dr. Bongers. „Dafür bedarf es<br />
aber einer entsprechenden Qualifikation.<br />
Nur die Kombination aus Technik<br />
und Know-how erlaubt es dem Untersucher,<br />
die Befunde richtig zu deuten.“<br />
Die Patienten von Dr. Bongers und<br />
seinem Team brauchen sich daher keine<br />
Sorgen zu machen – in der Abteilung<br />
der Angiologie stimmt beides.<br />
Morbus Raynaud<br />
Im Jahr 1874 beschrieb der französische Arzt Maurice Raynaud ein bis dahin<br />
unbekanntes Krankheitsbild: Seine Patienten litten bei Kälte oder psychischem<br />
Stress an weiß werdenden Fingern oder Zehen begleitet von Taubheitsgefühlen<br />
und Kribbeln. Raynaud diagnostizierte daraufhin eine funktionelle Durchblutungsstörung,<br />
bei der sich die kleinen Arterien in den Extremitäten anfallartig<br />
verengen (Vasospasmus). Im fortgeschrittenen Stadium kann diese Störung<br />
für die Betroffenen sehr schmerzhaft sein. Heute leiden etwa 10 Prozent der<br />
Bevölkerung an Morbus Raynaud – Frauen fünfmal häufiger als Männer. Meist<br />
lassen sich die Beschwerden durch einfache Maßnahmen wie Kälteschutz oder<br />
sofortiges Aufwärmen bei bereits eingetretenen Vasospasmen lindern. In einigen<br />
Fällen ist es jedoch nötig, die Symptome medikamentös zu behandeln.