ETF-Magazin: "Routenplaner" (Q2-2009) - Börse Frankfurt
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Interview Nouriel Roubini<br />
Wirtschaftsprofessor an der Universität New York<br />
Sie hatten bislang mit Ihren Horrorprognosen meist<br />
Recht. Wären Sie nicht lieber falsch gelegen?<br />
Natürlich, in dem Sinn, dass es keine Krise gegeben<br />
hätte. Leider sind die Gefahren noch immer immens:<br />
wirtschaftlich, sozial und politisch. Inzwischen<br />
geht es nicht mehr nur um Hypotheken schlechter Kreditnehmer,<br />
sondern um erstklassige Schuldner, um Unternehmensanleihen,<br />
gewerbliche Immobilien, Kreditkarten, Autoschulden,<br />
Studentenkredite, Kreditderivative und so weiter. Allein<br />
in den USA könnten die Verluste auf 3,6 Billionen Dollar ansteigen. Und<br />
es kommt noch schlimmer: In der Rezession werden die Kreditausfallraten<br />
steigen. Aber ich bin kein Dauerpessimist: Sobald ich Zeichen für<br />
eine Erholung sehe, werde ich das sagen.<br />
Worauf müssen wir uns für die Gesamtwirtschaft einstellen?<br />
Es ist eine Illusion zu denken, dass wir bereits im zweiten Halbjahr wieder<br />
positive Wachstumsraten in den USA sehen werden. 2010 könnten<br />
wir in den USA wieder ein Wachstum in Höhe von rund einem Prozent<br />
bekommen. Aber das wird sich zunächst weiterhin wie eine Rezession<br />
anfühlen. Erst im zweiten Halbjahr 2010 wird sich das US-Wachstum<br />
in Richtung des langfristigen Trends bewegen. Ich prognostiziere eine<br />
U-förmige Rezession, die 24 Monate dauert – mit dem Risiko einer<br />
L-Form: einer mehrjährigen Stagnationsphase nach japanischem Vor -<br />
bild –, wenn Politik und Zentralbanken nicht schnell und entschlossen<br />
handeln. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt – und das wäre schmerzhaft<br />
für die US-Wirtschaft und die Welt, denn wir erleben die erste global<br />
synchronisierte Rezession seit 50 Jahren.<br />
Tun US-Notenbank und US-Regierung genug gegen die Krise?<br />
Es hat einige Zeit gedauert, aber seit etwa sechs Monaten tut die US-Zentralbank<br />
alles, was in ihrer Macht steht. Man kann aber nicht die demokratischen<br />
Entscheidungsprozesse umgehen und der Fed die gesamte<br />
Last der Lösung der Probleme aufbürden. Es ist zudem naiv zu meinen,<br />
eine quantitative Lockerung der Geldpolitik und fi skale Konjunkturpakete<br />
könnten eine wirtschaftliche Erholung bewirken. Es wird insgesamt<br />
zu wenig, zu langsam und zu wenig koordiniert gehandelt. Ein<br />
radikaler Umbau des gesamten Finanzsystems ist notwendig.<br />
Wie muss solch ein Umbau aussehen?<br />
Ein großer Teil der Verbraucher in den USA, aber auch in Großbritannien<br />
ist pleite. Sie sind „over-shopped“. In den USA muss die Sparrate wieder<br />
auf sechs bis acht Prozent steigen. 2,2 Milliarden Inder und Chinesen<br />
konsumieren ein Sechstel von dem, was die Amerikaner konsumieren.<br />
Wenn die US-Verbraucher keine Kredite bekommen, werden sie auch<br />
nichts konsumieren. In den USA geht es um zehn bis 15 Millionen überschuldete<br />
Hausbesitzer. Wenn Sie die alle individuell behandeln, brauchen<br />
Sie fünf bis zehn Jahre. Wenn der US-Immobilienmarkt grundlegend<br />
saniert werden soll, braucht es einen Schuldenerlass auf breiter Basis –<br />
um den Preis, dass Verträge gebrochen werden müssen. ›››<br />
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